Barcelona ist Gaudi

Meine Mutter und ihr Gaudi
Als meine fast achtzigjährige Mutter mich 2015 bat, sie für einige Tage nach Barcelona zu begleiten, hielt sich meine Reiselust in Grenzen. Da waren so viele anderen Kurztrips und auch noch Urlaube in jenem Jahr. Dann die Jungs, die zu dem Zeitpunkt zwar keine Küken mehr waren, aber ohne mütterliche Aufsicht recht nestzerstörerisch wirken konnten. Und das Chaos danach. Och nö! Meine Mutter wollte aber unbedingt; einmal in ihrem Leben Gaudis Werke live sehen und im Parc Güell auf der weltlängsten Bank aus Bruchkeramik sitzen. Ich war bereits auf Durchreisen mit der Stadt in Berührung gekommen und wusste, dass sie turbulent und voll von buntem Treiben und Festivals ist. Ich hatte einst darauf spekuliert, die Stadt nach Bauchgefühl, der Nase nach und zu Fuß erkunden zu können, so, wie ich es am liebsten mache. Nun sah ich einem Barcelona mit geplanten Besichtigungen entgegen, die mit Verkehrsmitteln angefahren werden mussten. Andererseits kenne ich meine Mutter, sie würde keine Ausflüge minutiös im Voraus planen, ist spontan und begegnet allem was das Leben schön macht mit fast kindlichem Enthusiasmus. Außerdem sprüht sie vor Lebenslust, wenn sie sich mit jemandem oder etwas wohl fühlt. Viel mehr als manche Achtzehnjährige. Ich konnte mir mit ihr auch nicht vorstellen, dass wir die wundervollen frühen Juni-Tage durchgehend in den kalten Mauern von Museen verbringen würden. Außerdem: Wie kann man der eigenen Mutter einen Lebenswunsch verweigern? Diese Frage gehört eigentlich an den Anfang.
Ein Taxi brachte uns vom Flughafen in die Stadt. Wir fuhren an einem Hügel vorbei, der meinen Blick fesselte: Als wären mit alten Steinen und Lehm Mehrfamilienhäuser in den Hügel gebaut worden, mit lauter deckenhohen Fenstern, so schien es mir aus der Entfernung. Vor einigen flackerten Lichter.


Dies war der Vorbote der gesamten Reise. Wie überraschend und unerwartet anders Barcelonas Ideen, Architektur, Kunst und Kultur sind, konnte mir nicht durch Bildbände oder Dokus beigebracht werden. Das muss erlebt werden.
Meine Mutter hatte ein sehr zentral gelegenes Hotel gewählt. Es war zwar nicht mitten auf der Rambla, aber in einer der fast genauso belebten engen Parallelstraßen. Der Taxifahrer brauchte hier länger, um zum Hotel zu gelangen als für die Fahrt vom Flughafen, die übrigens einen Festpreis hat. In "unserer" Straße überall kleine Boutiquen mit Klamotten und mit außergewöhnlichen Waren oder Souvenirs, kleine, große und teure sowie preisgünstige Restaurants und Cafés mit und ohne Innenhof, hier gab es keine Ausrichtung oder Ordnung. Alles lief durcheinander auf der Gasse herum, Männer in Anzügen, Touristen in Shorts und Sandalen, Jugendgruppen, unser Taxi, überholt von Jungs in Badehosen mit Strandtuch um den Nacken und Musikbox unterm Arm. Ein Blick auf meine Mutter zeigte keinerlei Irritation. Eher erstaunte Belustigung oder belustigtes Staunen. Dann öffnete der Taxifahrer die Tür und der ganze Lärmschwall prallte auf uns. Aha, da, doch eine Regung bei ihr.

Am nächsten Morgen waren wir zunächst und als allererstes unheimlich froh darüber, kein Frühstück mitgebucht zu haben. Viel schöner ist es, sich in eins der zahlreichen Cafés mit frisch gebackenen Spezialitäten zu setzen und das Treiben draußen bei einem Café con Leche zu beobachten.
Mercat de la Boqueria - Schlaraffenland für alle Sinne
Nachdem wir die Rambla erreicht und uns auf dem mittleren Fußgängerstreifen umgeschaut hatten und zunächst zögernd auf ihr Richtung Norden getappt waren, sahen wir kurz darauf ein gigantisches Tor zwischen zwei Gebäuden. Die Menschen strömten da rein, als gäbe es dort etwas umsonst. Wir natürlich hin. Der Eingang ist von einer Häuserschlucht eingefasst und deshalb trotz seiner Ausmaße etwas finster. Aber beim Eintreten offenbarte sich uns eine der strahlendsten Szenerien überhaupt: Die kunstvoll angerichteten Stände der gigantischen Markthalle Mercat de la Boqueria. Schlaraffenland schon fürs Auge. Jede Kirsche schien poliert, jede Erdbeere handverlesen. Hier gibt es Süßigkeiten, Honig, Käse, erlesene Öle, Oliven, einheimisches und exotisches Obst und Gemüse (auch frisch gepresst oder/und entsaftet), Fleisch, Jamón Ibérico Schinken, Salami, Fisch, Meeresfrüchte. Alles frisch, extrem schön präsentiert und von allem ist die Auswahl riesig. Einige Stände haben eine Theke mit Barhockern angeschlossen und servieren dort das wohl frischeste Mittagessen, das man weit und breit bekommen kann.
Nach dem Besuch des Marktes beschlossen wir, das nächste Mal kein Hotelzimmer zu nehmen, sondern eine Wohnung zu mieten. Da könnte man all die Leckereien aus dem Mercat de la Boqueria wie einen kostbaren Schatz hinbringen und ein Festmahl nach dem anderen zaubern.
Hop-on-Hop-off-Busse - Individuelles Sightseeing leicht gemacht

Berauscht von dem bacchischen Eindruck und Beeren und Kirschen naschend gingen wir die belebte Rambla hinauf bis zu ihrem Ende, zur Plaça de Catalunya. Meine Mutter war bereits erschöpft und ich dachte, das war's. Mehr bekommen wir von Barcelona nicht zu sehen.

Es war wunderschön! Der Wind wehte bei 30° und die Erklärungen aus dem Kopfhörer soufflierten zu allem ein Halballgemeinwissen in unsere Ohren, das wiederum ausreichend war, um ein Gefühl für die Stadt, ihre Geschichte und Bewohner zu hinterlassen. Der Überblick über die Straßen hatte was. Nach und nach begriffen wir, wie diese Touristenbusse in Barcelona funktionieren: Es gibt verschiedene Anbieter mit zwei bis drei Routen. BarcelonaBusTurístic und CityTourBarcelona sind wohl die größten, vielleicht auch die einzigen. Ihre Busse sind in verschiedenen Himmelsrichtungen unterwegs, überschneiden sich aber immer mal mit ihren anderen Routen. Wir saßen in der Ost-Route und jedes Mal, wenn der Bus an einer Sehenswürdigkeit hielt, stiegen Leute ein und aus. Nachgefragt: Der Hop-on-Hop-off-Service erlaubt das jederzeit. Man kann den Bus wie mit einer Dauerfahrkarte zu den Sehenswürdigkeiten Barcelonas den ganzen Tag lang nutzen und wann immer man möchte dazu steigen, sobald einer der Busse kommt. Aha. Außerdem kann man kostenfrei an den Schnittpunkten mit den anderen Routen "überlaufen". Daraus ergibt sich eine extrem variable Kombinationsmöglichkeit und eine recht zeitplanunabhängige bis spontane Besichtigungsgestaltung. Der Barcelona-Bus-Besuchstag stellte sich so als preis-leistungs-attraktive Alternative zum Touren heraus. Wir kauften uns am nächsten Tag noch mehr Tagestickets. Beim nächsten Besuch mit der Wohnung und den Festmahlen dann auch an die 3-Tages-Tickets denken.
Gaudis Sagrada Familia - Das muss Gottes Sommerresidenz sein
Es war bereits Nachmittag, als wir mit der Ost-Buslinie zur Familie Sagrada losfuhren. Die Sonne schien steil. Wir passierten Gaudis Bauwerke, auch die Casa Batlló mit seiner Häuserfront, wie sie für "Arielle die Meerjungfrau" kindlicher und schöner nicht erdacht worden sein könnte. Da meinem Hirn ein solch verspielter Stil nur aus Erinnerungen von Phantasialand, Disney Land und Co. bekannt ist, dichtet es beim Anschauen von Bildmaterial automatisch Pappmaché hinzu. Aber anders als durch Medien bekannt, ist der Anblick live unheimlich beeindruckend. Die gesamte Kraft der Kunst und die sichtbare Mühe hinter der Architektur werden hier spürbar.
Wir fuhren aber weiter und stiegen erst bei der Sagrada Familia aus. Ich machte mich auf einen Kathedralenbesuch gefasst, der mir mal wieder Ehrfurcht einflößen würde, was die Baukünste betrifft, aber ansonsten keine weiteren Hochgefühle auszulösen vermag wie bei anderen Menschen. Ich lebe mit dem Kölner Dom und habe natürlich schon andere monumentale Kathedralen besucht - selbst mit kunstgeschichtlichem Hintergrundwissen werden bei mir hier ehrlich gesagt keine Glückshormone freigesetzt. Und dann stand ich davor, vor der Familia Sagrada, und war einfach nur geflasht.

So viele verschiedene Momente in dieser hellen und verspielten Fassade, so viel Freundlichkeit und regelrecht spürbare Visionen an allen Seiten und in allen Nischen, von denen der Architekt und Künstler Gaudi so einige eingebaut hat. Das Warten in der Schlange bis zum Haupteingang war derzeit so gestaltet, dass man dabei einen halben Rundgang um die Kathedrale macht und genügend Zeit hat, alle Details aufzunehmen. Aber das ist noch nichts gegen den von Gaudi geplanten fertigen Bau.
Ihr seht hier ein Video mit dem Morph bis zur Fertigstellung in 2026.
https://youtu.be/2963MHzP-IE
Und dann traten wir ein. Noch nie hatte ich irgendwo das Gefühl gehabt, so willkommen und angenommen zu sein, wie in diesem vollkommen einzigartigen Gebäude. Als hätte beim Eintreten einer nach meiner Seele geschnappt und sie in verwandtem Vertrauen zum sofortigen Spielen eingeladen. Und ich ließ sie ohne Vorbehalte los. Ab ins Licht. So stelle ich mir Halluzinationen unter Einfluss von LSD vor. Oder aber eine echte großartige Kirche. Meiner Mutter entfuhr ein "Boah" und wir grinsten uns wortlos an.
Parc Güell
Unter dem Parc Güell konnte ich mir nicht viel vorstellen. Wie bereits erwähnt, ich bilde mich ungern vorweg, weil ich allem möglichst naiv begegnen will, unvoreingenommen und unbeeinflusst. Also vormittags hin an die nördliche Grenze der Stadt und ... Überraschung, aber hallo!
Zunächst einmal: Der Park ist zweigeteilt. Es gibt den öffentlichen Park und es gibt den "buntgekachelten", für den man Eintritt zahlen muss. Der öffentliche Park geht um den kostenpflichtigen Park herum und hat einen ganz und gar eigenen zauberhaften Charme. Es kommen hier nur mediterrane und natürliche Ton- und Terrakottatöne oder florales Grün vor.
Für mich war dieser Teil der Parks das eigentliche Erlebnis. Während meine Mutter auf einen Streifzug hier verzichtete und sich nach dem langen Aufstieg eine Stunde lang auf einer Bank ausruhte, machte ich Bekanntschaft mit einem meiner - nunmehr - Top-Ten-platzierten Fleckchen Erde.
Als der Park errichtet wurde, hat man von größeren Planierarbeiten abgesehen. So ist die Grünanlage des Parks ein originell in die Landschaft eingefügtes Gewirr aus Wegen, Steigen, Laubengängen, Mauern und Brücken, das sich respektvoll an den natürlichen Gegebenheiten orientiert.
Der Parc Güell wird auch als Antoni Gaudís Hommage an die Natur bezeichnet. Er war ursprünglich ein Auftrag von Gaudís Mäzen, dem Industriellen Eusebia Güell, 1890. Es sollte eine Gartenstadt mit 60 Villen errichtet werden. Auf einem Bergrücken gelegen hat das Gelände einen fantastischen Ausblick über Barcelona. Natur und Wohnen sollten hier vereint und mit- und ineinander verbaut werden. Diese Vision war seiner Zeit weit voraus. Letztendlich wurden neben den öffentlichen Plätzen nur zwei Gebäude fertiggestellt. Es gab keine Nachfrage. Auch weil, die damaligen Verkehrsmittel berücksichtigend, der Park zu weit vom Zentrum entfernt war. Er wurde 1929, im Jahr der zweiten Weltausstellung in Barcelona, der Öffentlichkeit übergeben.
Gaudi hat hier seine naturnahe Kunst mit der Natur selbst verbunden. Hier ist es trotz der vielen Touristen ruhig und erholsam. Schritte, Stimmen und Geräusche sind gedämpft wie in einem Pinienwald. Straßenmusiker, auf die man hier und dort treffen kann, wirken hier zauberhaft und entrückend.
Ich kam vollkommen gechillt zu meiner Mutter zurück und verzichtete aufs Schwärmen, um ihr das Verpasste nicht vor die Nase zu halten. Und nun folgte Part II, der für meine Ma, die Bruchkeramik- und Mosaik-Sensation im Inneren des Parks. Wir haben recht lange angestanden. Es kommt nur eine begrenzte Anzahl an Besuchern in diesen Parkbereich. Wenn full House ist, und das ist ziemlich schnell passiert, kann nur einer rein, sobald ein anderer raus ist. Je später der Tag also, desto länger die Warteschlange. Nicht schlimm. Wir sind ja entspannte Menschen. Aber für die weniger Entspannten sei gesagt: Lieber mal früher kommen.
Einer der Höhepunkte des Park Güell ist - nicht nur für meine Mutter - die berühmte Bank mit ihrem Mosaik wie aus einer Phantasiewelt. Sie windet sich in bunten Schlangenlinien rund um die gesamte Panoramaterrasse und gilt offiziell als die längste Bank der Welt. Salvador Dalí nannte die Bank einmal den Vorläufer des Surrealismus.
Wenn ich eine super Tanzperformance bei richtig guter Musik sehe, werde ich wibbelig und in meinem Inneren sammelt sich extrem freudige Energie, am liebsten würde ich sofort lostanzen. Bei meiner Mutter schien dieser Kachel-Park das alles auszulösen. Sie strahlte vor Glück und war trotz des sehr heißen Tages putzmunter.
Borschtch, Sangria und Adriano Celentano
Wie habe ich nur anfangs, als meine Mutter mich nach Barcelona einlud, zögern können? Wir haben abends meistens an der Plaça Reial in Hotelnähe gegessen. Das ist ein riesiger Innenhof mit Zugang zur Rambla aus romantischen Bauten mit ca. 10 Restaurant-Terrassen und einem Springbrunnen. Es war einfach und herrlich. Auch, meiner rundum glücklichen Mutter beim Genießen zuzusehen.
In meiner frühen Jugend fuhren meine Eltern mit uns im Sommer immer nach Spanien an irgendeine der "Costas". Da wir Hunde hatten, mieteten wir einen Bungalow. Wenn meine Mutter nicht gerade an ihrer Autobiografie ("Die geraubte Kindheit" - authentische Geschichte der Russlanddeutschen aus Kindersicht) schrieb, kochte sie - und zwar unheimlich lecker - Gerichte aus der russischen Küche. Mein Vater liebte Adriano Celentano und nach dem Essen wurde die Musik aufgedreht und es wurde getanzt. So manche Urlaubsnachbarn bekamen dann diese durchgeknallte Vorstellung zu sehen: Ehepaar mit Teenager-Töchtern in Spanien bei italienischer Musik und Bortsch-Duftwolke aus der Küche, alle tanzend auf der Terrasse. Sogar die Hunde titschten auf den Hinterpfoten um und zwischen uns herum. Alle Mischlinge.
Es war ein unverbildeter Mix aus Genüssen, die aus purer Lebenslust und dem Vermögen entstanden war, sich aus dem Pool von kulturellen Schätzen nach Belieben zu bedienen und sie miteinander zu kombinieren. Auch wenn das in den 80er Jahren, in der das Spießertum herrschte, ziemlich viel Aufmerksamkeit auf sich zog und sich viele gerümpfte Nasen reckten.
Barcelona würde das nicht tun, wenn diese Stadt ein Mensch wäre. Hat sie auch nicht Ende des 19. Jahrhunderts, als Gaudi ihr mit seiner kaum zu beschreibenden Architektur ein vollkommen eigenes, eigenartiges und bis heute unvergleichliches Gesicht gab, das erst viel später als originell bezeichnet und als Genialität anerkannt wurde. Die Originalität besteht in der Natürlichkeit, der Verbundenheit mit dem Ursprung.
"La Pedrera" - Casa Milà
Gerade eben, Ende Juni 2018, komme ich von einer weiteren Kurzreise nach Barcelona zurück. Diesmal war ich mit meiner Schwester dort unterwegs. Und diese Sensation hätte meinem Reisebericht absolut gefehlt: Casa Milà, benannt nach der Großindustiellen-Familie, die den Auftrag für den Bau gegeben hatte. Mit der Wohnung ohne Ecken.
Damals wurde ihr spöttelnd der Name "La Pedrera" (der Steinbruch) gegeben, weil sie so wuchtig und unregelmäßig scheint, während der Jugendstil doch andernorts schön floral und verschnörkelt daherkam.

Gaudi war als Kind hochgradig krankheitsanfällig gewesen und hatte, im elterlichen Innenhof gebettet, viel Zeit damit verbracht, die Natur in ihren Details und auch ihr Verhalten zu beobachten. Er studierte sie regelrecht und bezeichnete die Natur als seinen großen Lehrer. Er hat sich dank seines Mäzens und Freundes Eusebi Güell später in seiner Kunst und Architektur austoben können und Barcelonas Stadtväter haben ihn gelassen. Wie fantastisch ist das? Der Modernisme, die katalanische Version des Jugendstils, hatte noch gar nicht Einzug gehalten, wahrscheinlich hat Gaudi diesen sogar begünstigt.
Es gibt ein Video, das auch zum Ende des Rundgangs dort gezeigt wird, das nachzuempfinden scheint, wie dieses Genie von Gaudi getickt hat. Und schon spart man sich viele Worte:
https://youtu.be/utaTcNq2mHs
Dass sich dieser goßartige Mann das Kindliche bewahrt hat, obwohl er erwachsen geworden war, belegt ein Ausspruch, den er laut Audio-Guide von sich gegeben haben muss, als er die Terrasse der Casa Milà anlegte: "Schaut euch hier oben um und ihr seht trostlose Glatzen als Dächer um uns herum. Und die Antennen wirken wie ein einzelnes abstehendes Haar auf jedem Haupt."

Wahrlich, das kann man von seiner "Pedrera" nicht behaupten. zum Beispiel gibt es da beeindruckende Wächter als Schornsteine oder Schornsteine als Wächter.
I


Alles ist rund, kurvig, harmonisch, fühlt sich beim Drüberstreichen fast organisch an. Diese Architektur liebkost das Auge, weil sie das Urtümliche, das Ursprüngliche respektiert. "Warum haben Menschen überhaupt jemals damit angefangen, eckig zu bauen?" frage ich mich neuerdings. Und überhaupt, alles neu erfinden zu wollen, wo man sich doch nur an die Naturgegebenheiten anzulehnen braucht?
Das Eingangstor ist der Flügelzeichnung eines Schmetterlings nachempfunden:

Bereits der Eingangsbereich und Innenhof verzichten auf kantige Ecken.

Zu Fuß durch Barcelona
Dieses Jahr bin ich denn auch viel zu Fuß gelaufen mit meiner Schwester, die u.a. Kunstgeschichte studiert hat. Sie hat mir beim Schlendern durch die wunderschönen Platanen-Alleen und kleineren Straßen keine belastenden Vorträge gehalten, aber mich zum Beispiel darauf aufmerksam gemacht, dass fast alle Trottoirs in Barcelona, auch die endlos breiten Bürgersteige, mit kunstvollen kachelgroßen Pflasterteinen aus dem Modernisme ausgelegt sind, barcelonaweit. Und schon war mir klar, warum mir das Gehen hier vornehm erschien.
Wir haben auf der Rambla Catalunya gefrühstückt und zu Abend gegessen. Diese liegt nördlich, oberhalb der Rambla und ist weitaus sympathischer, ruhiger und hübscher als die Rambla. Auch sind hier weitaus weniger Menschen unterwegs. Vor allem morgens kann man hier sehr gut beobachten, was für Genussmenschen die Barcelonès sind. Sie genießen sich selbst und feiern das Leben. Da geht ein junges Mädel mit Kopfhörern und singt lauthals "Havana, ooh na-na ay. Half of my heart is in Havana, ooh-na-na ay, ay". Umstehende nicken zum Takt. Drei junge Mädchen, noch in den Tütüs von der Strandparade letzte Nacht, latschen mit letzter Kraft und getragen von der Cola in der Hand die Promenade hoch. Und nicht einer drumrum beabsichtigt, sich irgendein Urteil zu bilden, sondern lassen einfach leben.
Unsere Wege führten uns kreuz und quer durch Barcelona. Am Mittag noch am Schloss Montjuïc im Südwesten, am Nachmittag kurzes Umziehen im Hotel mitten in der City, dann zum Strand "Barcelonetta" im Südosten. Auf dem Weg dorthin haben wir die großen Straßen gemieden und stattdessen die schattigen Gassen gewählt. In Sekundenschnelle befindet man sich unerwartet an einem kleinen Platz, der noch den Barcelonès gehört, ohne Touristen, mit Spielplatz und Bars, die weit bessere (und auch günstigere) Sangria stellen.
Selbst bei 30° Celsius und mehr ist das Gehen, auch über weite Strecken, überhaupt nicht anstrengend im Sinne von schweißtreibend. Das Klima, der Wind und die schattenspendenden Platanen überall sorgen für eine angenehme Befindlichkeit beim Laufen.
Am Stand angekommen war es dort wahnsinnig voll, der Sand gefühlt zur Hälfte aus Zigarettenasche bestehend, die Getränke an den Bars lächerlich teuer und minderwertig. Die Strandhändler sind den Touristen zahlenmäßig fast überlegen und man ist ständig in Diskussionen mit einem von ihnen verwickelt. Trotzdem war es schön. Denn wir waren im Meer schwimmen und konnten das Krimi-Spiel Frankreich gegen Argentinien der WM 2018 verfolgen. Und ein bisschen chillen.
Am letzten Tag sind wir zur Sagrada Familia gepilgert, diesmal also in den Nordosten. Auf dem Weg dorthin kamen wir durch irgendeine der Straßen an einer Art Einfahrt vorbei, deren Tore offen standen. Völlig unscheinbar. Wie ein kleiner Garten Eden in einem unpassenden Rahmen steckte dieser Kreuzgang dahinter:
Nataschapost_com_Barcelona_2018
Es gibt eine heilige Stadt, die Stadt der Liebe, the Big Apple und so. Für mich ist Barcelona eine gesegnete Stadt. Ob von Glück oder von oben, sucht es euch aus.
Barcelona ist die gesegnete Stadt. Mit Gaudi, Genialität und Genussmenschen.
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