Seit Monaten haben alle Clubs zu und langsam schleicht sich neben Langeweile noch ein anderes Gefühl ein: So wie früher wird es nie mehr. Und da macht es gar keinen Unterschied, ob du Typ „Wodka Bull im Chart-Schuppen“, „Bier im Metal-Keller“ oder „MDMA im hippen Technoladen“ bist: Alle Clubs sind von der Pandemie bedroht. Und da fragt man sich langsam: Macht mein Lieblingsclub überhaupt wieder auf?
Deswegen haben wir uns für euch bei euren Lieblingsclubs erkundigt, ob sie die Pandemie voraussichtlich überleben werden. Von den etwa 1400 Clubs in Deutschland haben wir im Februar bei 200 via E-Mail angeklopft, um ein Stimmungsbild zu bekommen. Welche das sein sollten, habt ihr uns auf Instagram vorgeschlagen - dabei hat sich auch die eine oder andere Kneipe eingeschlichen. Von den 200 hat uns ein Viertel geantwortet. Die gute Nachricht vorweg: Keine*r der Clubbetreiber*innen hat uns bis März klipp und klar geschrieben, dass sie schließen müssen oder schon geschlossen haben.
Trotzdem sagen die meisten: Ihre Lage ist ernst. Das ist auch der Bundesregierung bewusst, sie unterstützt durch Konjunkturprogramme wie „Neustart Kultur" Clubs und Livemusik-Spielstätten. Viele Betreiber*innen seien in eine existentielle Notlage geraten, sagt auch die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) auf Anfrage von jetzt: „Die Club- und Konzertszene ist aber ein wichtiger Teil unserer weltweit einzigartigen Musiklandschaft." Diese Vielfalt müsse man bewahren, so Grütters.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt diese Verzögerungen auf Anfrage von jetzt wie folgt: Zuerst habe es ein längeres Hin und Her gegeben, wer für die Auszahlungen zuständig ist. Das Bundesfinanzministerium und die Landesfinanzämter hätten die Übernahme etwa „unter Verweis auf Personalknappheit" abgelehnt. Danach habe es noch einige IT-Probleme gegeben, die man habe lösen müssen, so habe man für alle Überbrückungshilfen „ je 16 Schnittstellen für die Länder " programmieren müssen. Aber: „Die in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Abschlagszahlungen auf die November- und Dezemberhilfe sind bei rund 96 Prozent der Antragstellenden bereits angekommen."
Etwa neun Prozent der Clubbetreiber*innen hatten nicht viel Hoffnung, dass ihr Club letztendlich die Pandemie überleben wird. 29 Prozent waren vorsichtig optimistisch, und etwa 69 Prozent der Clubbetreiber*innen glaubten, dass sie die Pandemie überleben werden.
Was man über die generelle Situation weiß
Zum anderen: Die Pandemie-Lage und die Maßnahmen ändern sich ständig, sodass auch die Clubbetreiber*innen selbst nicht genau absehen können, wie es weitergeht. Die Initiative für Musik hat zusammen mit der Uni Köln im Herbst 2020 eine Umfrage zur Situation der Musikspielstätten durchgeführt. Heiko Rühl ist Soziologe und Leiter der Studie. Im Zoom-Call sagt er, dass darin 29 Prozent der Teilnehmenden geantwortet hätten, den Betrieb nur noch bis März 2021 fortführen zu können. Seitdem habe sich aber so viel getan - etwa seien Nothilfen angekommen -, dass dieses Ergebnis heute nichts mehr aussage.
Auch laut Lutz Leichsenring, der Pressesprecher der Berliner Club-Vereinigung „Clubcommission", ist die Situation derzeit nicht ganz so düster. Zu der Vereinigung gehören knapp 300 Clubs, Livemusik-Stätten und Veranstalter. Leichsenring sagt, ihm sei in der Hauptstadt kein Fall eines Clubs bekannt, der seit Beginn der Pandemie schließen musste. Für Läden, die auf Tourismus ausgelegt sind, etwa in Berlin Mitte, sei die Lage aber anders. Die zählen nämlich nicht als Kulturstätte, weil sie keine „kuratierte Musik", sondern lediglich die Charts hoch und runter spielen. Dadurch bekämen sie die auf die Kultur ausgerichteten Neustart-Kultur-Hilfen nicht und seien deswegen in größerer Not.
Von der Vereinigung „Clubkombinat" in Hamburg hört man ähnlich Positives. Geschäftsführer Thore Debor sagt, er könne bislang an einer Hand abzählen, welche Clubs es in der Stadt „in den Sack gehauen hat", und das seien eher sehr kleine Läden gewesen. Das sei natürlich schlimm, aber kein „wirklicher Schlag gegen die Branche". Deswegen finde er es auch unpassend, wenn Medien jetzt vom „Clubsterben" schreiben. Der Begriff kursierte tatsächlich auch schon vor der Pandemie: Schon seit Jahren ist bundesweit zu beobachten, dass mehr Großraum-Diskotheken schließen, als neu eröffnen, und dafür die Bar-Szene einen Aufschwung erlebt.
Manche Clubbetreiber*innen, wie etwa der Chef vom Backstage in München, glauben außerdem, dass etablierte Clubs die Pandemie eher überstehen. Tatsächlich waren einzelne Clubs, die über die Jahre eine starke Community aufgebaut haben, zumindest zu Beginn der Pandemie im Vorteil. „In Hamburg hatte zum Beispiel der ‚Südpol' so eine Fanbase-Wirkung", erzählt Debor vom Clubkombinat. Mehr als 100 000 Euro habe der Club durch Crowdfunding bei seinen Fans gesammelt und sich so unabhängig von Rettungsprogrammen gemacht. Aber natürlich sei das die absolute Ausnahme.
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