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Rezension

Körperkunst zum Durchblättern

Wenn es einen Tattoo-Gott gibt, dann lebt er in Amsterdam, trägt Latzhose, einen Rauschebart, hat goldene Schneidezähne und hört auf den Künstlernamen „Hanky Panky“.

Der Niederländer Henk Schiffmacher (68) gilt weltweit als Koryphäe im Tätowieren. Megastars wie Lady Gaga (34) oder die Red Hot Chili Peppers legten sich bei ihm unter die Nadel. Auch Nina Hagen hat ein Tattoo von ihm: „Den Namen ihres damaligen Mannes“, verrät der Künstler BamS. „Sie lebte in den 1980ern hier in Amsterdam. Wir hingen nachts in derselben Bar ab, haben zusammen gesoffen und Drogen genommen.“

Doch Schiffmacher ist viel mehr als der Haus- und Hof-Tätowierer der Promis. Er nennt sich einen Forscher, neben seinem Tattoo-Studio betreibt er sein eigenes Tattoo-Museum.

Jetzt veröffentlicht er gemeinsam mit dem Taschen Verlag ein Standardwerk über die jahrhundertealte Körper- und Handwerkskunst des Tätowierens. Das Buch heißt ganz simpel „Tattoo“.

Eigentlich ein viel zu schlichter Name dafür, dass es Schiffmachers Vermächtnis ist – und all sein Wissen versammelt. In „Tattoo“ erklärt Schiffmacher die Ursprungsgeschichte der Körperkunst und berichtet von seinen Expeditionen.

Denn: Seit den 1970ern bereist er die ganze Welt, um alles über die Tradition der Körperkunst zu lernen. An seinen jeweiligen Stationen lässt er sich das jeweils landestypische Tattoo stechen, immer mit der traditionellen Technik, sodass sein Körper heute ein lebendes Archiv ist.

Schiffmacher, der als Metzgersohn in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, hat noch einen großen Traum: „Wenn ich Papst Franziskus tätowieren dürfte, würde ich auf den Knien nach Rom kriechen!“

Das würde aber noch etwas dauern, da Schiffmacher zur Corona-Risikogruppe gehört. Seit März hat er sein Studio nicht mehr betreten. Es bricht ihm fast das Herz. „Wenn das alles hier überstanden ist, dann lass ich mir ‚I survived 2020‘ unter die Haut stechen.“