Der Wolpertinger ist allgemein bekannt - doch über seine pfälzischen Vorfahren, die Elwedritsche, wissen nur wenige Menschen Bescheid. Ein Museum klärt über das Wesen auf, das dem Menschen erst ab dem Genuss mehrerer Gläser Riesling sichtbar wird. (Veröffentlicht am 06.03.2014)
Speyer. Sie sind klein, gefiedert, machen „dritsch, dritsch", tragen ausgefallene Frisuren und ernähren sich vornehmlich von Weinschorle. Hört ein Pfälzer diese Beschreibung, ist ihm sicher im ersten Moment klar, dass hier von Elwedritsche die Rede ist. Bei allen anderen lösen die Fabelwesen, die den Menschen meist erst nach dem Genuss mehrerer Gläser Riesling erscheinen, vermutlich erstmal Unverständnis aus. Dabei sind die Elwedritsche schon älter als der Pfälzer selbst und haben sogar eine eigene wissenschaftliche Bezeichnung: bestia palatinensis.
Den außergewöhnlichen Geschöpfen hat Susanne Butt im pfälzischen Speyer ein Museum gewidmet. Im Erdgeschoss des kleinen Hauses in der Antoniengasse sitzen die Gäste vor und nach dem Museumsbesuch bei Brot, Wurst, Käse und Wein in der Pfälzer Hütte zusammen, planen die nächste Elwedritsche-Jagd und reden über Gott und die Welt - wie Pfälzer es gerne mal tun.
Die Elwedritsch ist ein Fantasiewesen, ähnlich dem bayerischen Wolpertinger oder dem Thüringer Rasselbock. Glaubt man den Ausführungen der Museumschefin, stammt der Wolpertinger sogar von der Elwedritsch ab. Was sie genau ist, darüber streiten sich die Geister. Manchmal sieht das Geschöpf einer Ente ähnlich, mal einer Gans oder einem Fasan; Feen und Trolle sollen ebenfalls an der Kreatur beteiligt sein.
Entstanden sei die Legende um das seltsame Geflügel wahrscheinlich im frühen 19. Jahrhundert, erzählt Wilhelm Hauth, Vorsitzender des Elwedritsche-Vereins in Landau in der Pfalz. Damals bekamen die Menschen in der ländlich geprägten Region noch recht selten Besuch aus der Stadt. Machtkämpfe mit den Städtern, die die Dörfer und Weiler verwalteten, waren meist vorprogrammiert, wenn sich doch mal einer Richtung Wald oder Weinberge verirrte. Darum erfanden die Burschen vom Land Geschichten über die Elwedritsch, eine Gestalt, die von Federvieh abstammt, das während eines überaus heftigen Unwetters vom Bauernhof in den Wald geflüchtet war.
Um ihr Überleben zu sichern, hätten sich die Hühner, Enten und Gänse mit den Waldbewohnern - Feen, Trollen und Gnomen - vermehrt, fabulierten die Dorfbewohner. So setzt sich auch der Name zusammen: Elwe kommt von Elfe, Dritsch ist dem Geräusch der Vögel nachempfunden. Die Besucher waren fasziniert von den Geschichten und ließen sich bereitwillig zur Jagd einladen. Dass die Burschen dann meist ins nächste Wirtshaus gingen und den armen Fremden die halbe Nacht allein im Wald sitzen ließen, sei die dunkle Seite der Geschichte, sagt Hauth. Wenn heutzutage in zahlreichen Gemeinden Elwedritsche-Jagden organisiert werden, dient das einzig und allein der Brauchtumspflege.
Betritt der Gast die Treppe, die von der Pfälzer Hütte ins eigentliche Elwedritsche-Museum führt, begrüßt ihn das Zwitschern der Waldbewohner. Im ersten Stock des Hauses werden einheimische und fremdländische Exponate aller Epochen gezeigt, vom versteinerten Ei über eine chinesische Ming-Dritsche und Skelettfunde vom Dritschosaurus bis hin zu ausgestopften Exemplaren.
Den Großteil der Exponate hat Chef-Kuratorin Butt liebevoll gesammelt und zum Großteil selbst hergestellt. Sie belegen, dass das Fabeltier seinen Ursprung vor Urzeiten hatte und vermutlich schon als Saurier lebte. Während ihre Artgenossen ausstarben, überlebte die Elwedritsch jedoch Meteoriteneinschläge, Eiszeiten und sonstige Veränderungen auf dem Erdball - und ist damit älter als der Pfälzer selbst.
Nachdem in den vorderen kleinen Räumen vor allem die Geschichte und Entwicklung der Elwedritsche aufgegriffen wird, zeigt das Herzstück der Ausstellung den Lebensraum der Fabeltiere. Auch hier wird der Besucher von Vogelgeräuschen begrüßt und kann die Elwedritsche inmitten ihrer natürlichen Feinde - Fuchs, Marder und Pfälzer Jäger - in einer täuschend echten Waldlandschaft bestaunen. Sogar einen Jagdschein für die nächtliche Elwedritsche-Jagd in den Weinbergen kann der Besucher erwerben. Er muss nur wissen, dass es nur eine Reaktion auf den Lockruf „Dritsch, dritsch" geben kann: „Uiuiuiui".
Elwedritsche-Museum Speyer, Antoniengasse 3. Eintritt: drei Euro. Öffnungszeiten: montags bis sonntags 14 bis 22 Uhr, Dienstag Ruhetag. Kontakt: Telefon (0 62 32) 9 00 50 50.
elwedritsche-museum.de