Auf der kleinen, durch Bauzäune abgesteckten Außenfläche vor dem Wohncontainer sind zwei der Bewohner:innen zurückgeblieben. Der eine, Jürgen, sitzt auf einem Liegestuhl und streift sich etwas unbeholfen weiße Tennissocken über seine Füße. Der andere, Jona, hat soeben den metallenen Hühnerstall auf dem Gelände entdeckt und steuert nun geradewegs auf ihn zu. Er beugt sich zu den beiden Hühnern hinunter, lockt sie mit kindlichen „put put!"-Rufen an, wirft ihnen Futter hin und verleiht seiner Überlegenheit auch in verbaler Form Ausdruck - denn wer hier das eingesperrte, schwache und erfolglose Lebewesen ist, das gierig seine Nahrung aufpickt, ist für ihn völlig klar. Doch das ist nur eine Frage der Perspektive: Denn in diesem Spiel sind es die Zuschauer:innen, also wir, die auf diese sechs unbekannten, „normalen" Menschen herabschauen, sie in ihrem alltäglichen Dahinleben beobachten, sie erst belächeln, dann ernsthaft bemitleiden und ihnen das geben, nach dem sie sich alle so sehr verzehren: unsere Aufmerksamkeit. Doch wann sind Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit eigentlich zu einer der wertvollsten Währungen unserer Gesellschaft geworden?
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