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Exotische Motive für fürstliche Wände: Die Tapisserien-Serie "Neu-Indien"

Die vier Wandteppiche der „Neu-Indien-Folge“ hingen ab 1804 im östlichen Ehrenhof-Flügel des Mannheimer Schlosses. Sie zeigen Fantasien der „Neuen Welt“ – Einheimische zwischen Palmen, Elefanten und Tigern. Heute sind die Szenen in der Ausstellung „Kostbarkeiten am Mannheimer Hof“ zu sehen.

TRÜGERISCHE EXOTIK

Die vier Wandbehänge geben scheinbar Eindrücke aus fernen Ländern wieder: Die Szenen mit Einheimischen in tropischen Palmenlandschaften mit exotischen Früchten und Tieren sind eine Wunschvorstellung. Sie sind keine realen Bilder aus den Kolonien. Der Begriff „Indien“ steht hier allgemein für das Exotische – und im Gegensatz zur Wirklichkeit: Der europäische Seehandel und die Gründung überseeischer Kolonien führten dazu, dass die Natur und die einheimische Bevölkerung ausgebeutet wurden.

EXOTIK ÜBER UMWEGE

Die Entwürfe für die Tapisserien-Serie gehen auf den französischen Tier- und Landschaftsmaler François Desportes zurück. In seinen Fantasien der exotischen Welt verarbeitete er Eindrücke des Prinzen Johann Moritz von Nassau-Siegen. Der niederländische Prinz eroberte große Teile Brasiliens. Seine naturhistorischen und ethnografischen Erkenntnisse veröffentlichte er in der zwölfbändigen „Historia Naturalis Brasiliae“. Sein Werk prägte das Bild der Neuen Welt an den europäischen Adelshäusern.

ERLEBBARE EXOTIK

Das galoppierende Pferd und der schüchterne Elefant wirken im Vergleich zu den dargestellten Einheimischen sehr groß. Beide scheinen die Menschen vor dem kostbaren Wandschmuck zu überragen. Das monumentale Auftreten der exotischen Tiere und Figuren führt dazu, dass man sich als Teil der paradiesischen Landschaft fühlt: Die wandfüllenden Teppiche machen die Szenen quasi erlebbar. Im Museum des Barockschlosses Mannheim sind die Wandbehänge für alle zugänglich.

NEU-INDIEN FÜR DAS BADISCHE FÜRSTENHAUS

Die vier Wandteppiche der Neu-Indien-Serie wurden zwischen 1773 und 1779 in der berühmten Pariser Gobelinmanufaktur von Jaques Neilson produziert. Das badische Fürstenhaus erstand die Serie zusammen mit weiteren Objekten aus dem Nachlass des Straßburger Bischofs Kardinal de Rohan-Guémené. Die „vier Stück Tapeten, verschiedene Ergötzungen der Wilden vorstellend“, wie sie zu dieser Zeit beschrieben wurden, waren ab 1804 in einem Vorzimmer im östlichen Ehrenhof-Flügel zu bestaunen.


Recherche, Text und Seitenaufbau: Maren Kaps (Dezember 2020)

Endredaktion: Anja Stangl

Bild: Naturkundliche Abhandlungen Historia Naturalis Brasiliae, herausgegeben von Willem Piso und Georg Marggraf 1648, via WikimediaCommons, gemeinfrei