Abu Dhabi setzt auf Kunst, Formel 1 und spektakuläre Hotels. Doch auch seine Wüsten und Oasen sind attraktiv und locken Offroad-Abenteurer. Unser Autor war mehrere Tage mit dem Auto an den Rändern der Rub al-Khali unterwegs, der größten Sandwüste der Welt
Schon am Flughafen in Abu Dhabi ist klar, dass dies keine gewöhnliche Reise werden würde. „Sie werden der König der Straße sein“, sagt der indische Mitarbeiter des Mietwagenanbieters. Er tippt zunächst mit dem Finger auf eine Folientafel: „Bitte, lesen Sie!“ Ich lese: Bis zu 20 Stundenkilometer zu schnell: 300 Dirham, rund 80 Euro Strafe. Über 80 Stundenkilometer zu schnell: 3.000 Dirham, rund 800 Euro, 23 Strafpunkte, zwei Monate Führerscheinentzug. Müll aus dem Fenster werfen: 1.000 Dirham und sechs Punkte. Okay, gelesen. „Dann blocke ich 1.200 Euro Sicherheitsgebühren von Ihrer Kreditkarte.“
Schließlich reicht er mir lächelnd den Schlüssel. „Gute Fahrt!“ Und da steht er: Ein Landcruiser, acht Zylinder, 4,5 Liter Hubraum, 300 PS, 130-Liter-Tank. Damit bin ich also König, auf der Straße – und sicher auch im Sand der Wüste.
Die größte Sandwüste der Welt
Die Rub al-Khali in Abu Dhabi, das „leere Viertel“, ist die größte Sandwüste der Welt und fast doppelt so groß wie Deutschland. Bis heute gilt sie als eine der am wenigsten erforschten Wüsten, selbst Beduinen meiden sie und siedeln nur an ihren Rändern. Und genau da will ich hin.
Zunächst aber geht es nach al-Ain in den Osten des Emirats, an der Grenze zum Oman. Die Straße ist von Grünanlagen gesäumt, oft verläuft sie über viele Kilometer schnurgerade. Gleich hinter dem Grün beginnt die Wüste.
Die erste Station, das „Telal Resort“, liegt mitten in einer weiten Dünenlandschaft, die einzelnen Villen sind in Form von Beduinenzelten gestaltet und geschmackvoll eingerichtet. Man legt großen Wert auf Ruhe, laute Musik ist nicht erwünscht, Rauchen nur auf der Terrasse erlaubt, Shishas sind gar verboten. Und es ist ein „dry resort“! Das bedeutet, es gibt keinen Alkohol, das Mitbringen und Trinken in der eigenen Villa ist aber erlaubt.
Dünenkönigin
Am folgenden Vormittag fahre ich weiter nach al-Ain, eine moderne Oasenstadt mit einer halben Million Einwohner. Die Stadt am Fuß des über 1.300 Meter hohen Jebel Hafeet ist aus zwei Gründen berühmt: Wegen ihres Wasserreichtums ist „Die Quelle“ das landwirtschaftliche Zentrum der Region. Und sie ist Geburtsort von Scheich Zayed, Mitbegründer und erster Präsidenten der VAE.
Am Abend treffe ich Marina Bruce im Hotel. Marina nennt sich „Desert Diva“, kommt aus Schottland, lebt seit Jahren in Abu Dhabi und hat mit ihrem Mann die Liebe zur Wüste entdeckt. Seither organisiert und leitet sie Wüstentouren für Selbstfahrer.
Marina wird mit ihrem Landcruiser vorausfahren, ich hinterher. Sie zeigt mir auf einer Karte die Route und gibt erste Instruktionen: „Folge immer meinen Spuren! Halte genug Abstand! Fahre zügig die Dünen hinauf, aber auch nicht zu schnell, damit du nicht mit der Motorhaube voraus stecken bleibst.“ Marina sieht meine Stirnfalten. „Keine Sorge, das lernst du schon, und es hört sich komplizierter an, als es ist.“
250 Kilometer in Abu Dhabi über Dünen
Wir brechen früh auf, es ist noch nicht so heiß, wir steuern eine Tankstelle an. „Falls du noch etwas brauchst“, sagt Marina, „musst du es jetzt kaufen. Die nächsten 250 Kilometer kommt nichts mehr.“ Für Proviant hat die Schottin gesorgt. Am wichtigsten sind: volle Benzintanks und ausreichend Wasser. Marina drückt mir noch ein Funkgerät in die Hand, dann gibt sie ein Zeichen: Yalla, yalla! Auf in die Wüste!
Nach einer halben Stunde Fahrt verlassen wir den Asphalt. Wir halten an, Marina lässt Luft aus den Reifen, so greifen sie besser im weichen Sand. Immerhin drei Viertel der Luft entweichen. Sie holt zwei hohe Fahnenstangen heraus, macht sie an den beiden Autos fest: „So können wir uns gegenseitig immer sehen, vor allem wenn einer von uns hinter einer Düne verschwunden ist.“ Nach nicht mal einer Stunde habe ich meine Fahne verloren.
Die Strecke wird uns über 350 Kilometer durch die Wüste führen bis nach Hameem in der Oase Liwa im Süden des Emirats, nicht weit der Grenze zu Saudi-Arabien. Es geht dabei nicht nur über ausgefahrene Pisten. Also, rein in den Sand!
Wunderschön geschwungene Dünen wechseln mit Salzpfannen ab, der Sand changiert von Gelb- über Rot- bis zu Brauntönen. Einige Emiratis können anhand der Farbe erkennen, woher der Sand kommt, sagt Marina, als wir eine erste Pause einlegen. Sie fragt: „Chicken- oder Veggie-Pie?“ Dann öffnet sie die Motorhaube und holt in Alufolie verpackte Päckchen hervor. „Ein idealer Ofen, der Motor ist heiß genug!“
Zu langsam …
Die Piste ist noch fest, wir kommen gut voran. Dann biegt Marina ab, fährt zügig voraus, gibt mir über Funk Anweisung: „Halte Abstand, warte, bis ich über den Dünenkamm gefahren bin.“ Marina verschwindet hinter der Düne. Es knackst im Funkgerät: „Jetzt du, Lutz. Low Gear, zweiter Gang. Und denk daran: schnell genug, damit du auf den Kamm kommst, langsam genug, damit du nicht hinüberschießt.“
Ich schalte herunter, gebe Gas, der Motor brummt auf, der Landcruiser schiebt seine drei Tonnen die Düne hoch, aber ich habe zu viel Respekt, ich weiß nicht, wie steil es auf der anderen Seite hinuntergeht. Ich komme nicht weit genug hoch, bleibe stecken.
„Wo bleibst du denn?“, fragt Marina über das Walkie-Talkie. „Ich war wohl zu langsam!“, antworte ich ihr. „Okay“, sagt Marina, „dann fahr zurück, bleib im Low Range, aber nicht zu zaghaft.“ Ich lasse den Wagen zurückrollen, trete das Gaspedal und nehme die Düne erneut in Angriff. Dieses Mal klappt es.
Wir schlingern auf diese Weise von Düne zu Düne. Marina ist erfahren, kann anhand der Dünenformen und der Wellen erkennen, woher der Wind kommt, an welcher Stelle der Sand weich, also unpassierbar ist und an welchen Stellen fest, also befahrbar.
Schippen und schaufeln
Manchmal aber täuscht sich auch eine Wüstenspezialistin. „Stopp“, sagt sie plötzlich über Funk, „bleib stehen, nicht folgen! Ich stecke fest.“ Sie gibt vorsichtig Gas und bewegt das Lenkrad hin und her, damit der Wagen nicht tiefer einsinkt, die Räder fassen etwas Untergrund. Marina drückt das Gas, der Motor heult auf, alle vier Räder jagen mächtig viel Sand in die Luft und bohren sich tief ein. Das war’s. Also heißt es: schippen beziehungsweise mit den Händen schaufeln, was in der Mittagshitze und im heißen Sand kein Vergnügen ist.
Dann klemmen wir die grünen Hartplastikschalen unter die Reifen, ich stelle meinen Landcruiser einige Meter davor, Marina zieht das Stahlseil aus der Seilwinde ihres Autos, macht es an der Abschleppöse fest, gibt leicht Gas und schmeißt die Winde an. Langsam wird der Wagen wieder frei, wir können weiterfahren. Bis wenige Kilometer später ich stecken bleibe und das Ausbuddelspiel von vorne beginnt.
Am Nachmittag suchen wir uns ein Nachtlager, schlagen die Zelte auf, irgendwo. Marina grillt Hallumi, es gibt kleine Burger, dazu Salat. Wir sitzen am Lagerfeuer. Marina schwärmt von der Wüste: „Ich habe mich früh in die Wüste verliebt. Schnell habe ich erkannt: Sand ist nicht Sand, er verändert sich ständig, in der Form, in der Farbe, es gibt immer etwas zu entdecken. Spuren können durch den Wind schon nach einer halben Stunde verschwunden sein, manchmal aber bleiben sie Tage oder sogar Wochen. Für die Orientierung sollte man sich nicht auf sie verlassen.“
Dichter Nebel in der Wüste
Am nächsten Morgen zeugen Spuren um das Zelt von nächtlichen Besucher, die aber von uns unerkannt blieben und längst wieder verschwunden sind. Es gibt Nebel, die Sicht beträgt nur wenig Meter. Wunderbar, fast mystisch, sucht das Sonnenlicht sich seinen Weg durch den Nebel und taucht die Morgenlandschaft in faszinierende Lichtspiele.
Nach einer guten Stunde hat sich der Nebel verzogen. Die Luft flimmert schon wieder, als wir unsere Fahrt fortsetzen. Düne rauf, Düne runter. Immer wieder bleiben wir stecken, es ist anstrengend, die Luft trocken, das Trinkwasser fließt reichlich. Aber es ist ein großer Spaß!
Wir haben Glück und sehen wilde Gazellen. Mit viel Aufwand ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, die einst durch Jagd ausgerotteten Gazellen wieder auf größere Bestände anwachsen zu lassen. Gerade für Abu Dhabi ist das von Bedeutung, denn als die Beduinen vom Stamm der Bani Yas etwa Mitte des 18. Jahrhunderts von der Oase Liwa an die Küste zogen, errichteten sie eine Siedlung an der Stelle, an der sie eine Gazelle an einem Wasserloch antrafen. Sie nannten die Siedlung Abu Dhabi, „Vater der Gazelle“.
Am Nachmittag erreichen wir unweit der Grenze zu Saudi-Arabien den Ort, der – wenn man das Klischee von Tausendundeinernacht bemühen möchte – diesem Traum aus Märchen und Wüste sehr nahe kommt: „Qasr al-Sarab“, „Palast der Illusion“. Das Luxusresort liegt mitten in den Dünen.
Tel Moreeb, die Rekord-Düne
Das letzte Highlight ist die Düne Tel Moreeb, mit 300 Metern eine der höchsten der Welt – und eine der steilsten. Sie ist faszinierend, aber fast ebenso faszinierend erscheint die Fahrt dorthin: Häufig sind Straßenabschnitte von Sanddünen verweht, man merkt, dass hier nicht allzu oft Autos vorbeikommen. Und dann steht man vor dieser irre hohen Düne und denkt, sie ginge senkrecht nach oben.
Marina gab mir zum Abschied noch einen Tipp : „Bevor du den Wagen am Flughafen wieder abgibst, lass ihn an einer Waschanlage noch mal gründlich reinigen. Man muss ihm ja nicht unbedingt ansehen, was er in den letzten Tagen durchgemacht hat.“
An einer Tankstelle machen sich zwei indische Mitarbeiter ans Werk, sie brauchen fast eine Stunde. Ich gebe ihnen ein gutes Trinkgeld, die beiden freuen sich. Und ich mich auch: Der Wagen blitzt und blinkt. Am Flughafen in Abu Dhabi läuft der Mietwagenmitarbeiter um das Auto, schaut hinein, macht seine Häkchen, fragt: „Na, wie war’s?“ Ich antworte: „Ich fühlte mich wie der König der Wüste!“
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