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Abschied nach 30 Jahren Hip-Hop: Die Fetten Brote sind vorbei

Für die letzte Tournee hat sich Fettes Brot ein Bühnenbild von Jakobus Durstewitz gegönnt. Das bildet auch das Zentrum einer Band-Retrospektive.

Mit dem letzten von zwei Konzerten am ersten Septemberwochenende auf der Bahrenfelder Trabrennbahn in Hamburg endet, was vor 30 Jahren in den westlichen Vororten Hamburgs begonnen hat: ein Stück deutschsprachiger Hip-Hop-Geschichte.

Die Hits des Trios „Fettes Brot", bestehend aus Doktor Renz, König Boris und Björn Beton, konnten einst Generationen von Heranwachsenden mitsingen; und viele tun es auch heute noch, dem Zwang der Systeme (Kapitalismus, Familie etc.) unterworfen wie einst in den Clubs, Festivals, der Indie-Studenten-Disco, wo Songs wie „Emanuela", „Bettina, bitte zieh dir etwas an", „An Tagen wie diesen" und natürlich „Jein" und „Nordisch by Nature" bis heute nicht fehlen.

Mit dem Ende der Band stirbt auch eine Art von Hip-Hop-Musik, die heute nicht mehr gefragt ist. Fettes Brot verzichteten nicht nur auf jeden Flex - so nennt man im Jargon das genretypische Sprücheklopfen und Angeben. Die Band zeichnete sich durch einen Humor aus; der eingebettet in Storytelling die Musiker selbst nicht ausnahm, dennoch ernste Themen ermöglichte und einzigartig in seinem Aufbau gewesen ist. Für manche mögen Fettes Brot infantil gewesen sein. An ihrer Sonderstellung in der deutschsprachigen Hip-Hop-Szene ändert das nichts.

In die Charts

Reif für das Museum sind die drei Künstler jetzt schon: Flankiert wird der Abschied der Musiker durch die Ausstellung „Fettes Boot" in der Affenfaust-Galerie. Sie stellt das Bühnenbild der finalen „Fettes Brot is Hitstory"-Konzerttournee in den Mittelpunkt. Geschaffen hat es der Hamburger Maler Jakobus Durstewitz.

Durstewitz, der seit Anbeginn auch für das visuelle Erscheinungsbild des Dockville-Festivals in Wilhelmsburg verantwortlich zeichnet, führt in der Show die Band Fettes Brot, ihre letzte Tour und eine weitere, wichtige Jugendkultur, die von Hamburg ausgehend zeitgleich mit deutschsprachigem Sprechgesang eine gewisse Popularität erlangte, zusammen: die Hamburger Schule.

Der Künstler und Musiker Jakobus Durstewitz erinnert sich an den Moment, an dem er zum ersten Mal von der einer Band namens Fettes Brot hörte - eine Anekdote, die auch Teil der Ausstellung ist. „1992 war das, da hatte Andre Luth die Band gerade für das Label Yo! Mama gesigned und fragte bei meinem Label an, ob sie den Namen benutzen dürften", erinnert sich Durstewitz. Denn „meine Band hieß damals Neues Brot." Das sei dann „richtig offiziell festgehalten worden, dass es für uns okay ist, dass sich die Band Fettes Brot nennt".

Das Neue Brot, eine mit der Hamburger Schule assoziierte Gruppe, löste sich 1993 auf. Für Fettes Brot, hervorgegangen aus der Gruppe Poets of Peez und Anfangs noch zu fünft, ging es da erst los. Schon das Debüt „Auf einem Auge blöd" (1995) wurde zum Klassiker, „Nordisch by Nature", auf der ein Allstar-Ensemble auf neun Minuten Länge die Vorzüge der norddeutschen Heimat preist, erreichte erstmals die Top 20 der Single-Charts. Das Folgealbum chartete noch höher, die Single „Jein" überstrahlt bis heute alles. Meine erste selbst gekaufte CD der Gruppe sollte deren drittes Album werden, „... lässt grüßen", erschienen im Herbst 1998. Ich war 13 Jahre alt.

Nordisch by Nature

Die Gruppe huldigt dort den „Drei???" und der Comicfigur Spiderman, sampelt „Zurück in die Zukunft", „Die Simpsons" und „Die Lindenstraße", holt Tocotronic (für ein Bananarama-Cover) an Bord und am Saxofon Heinz Strunk ins Studio, der damals noch eine Hamburger Underground-Größe ist. Ich erinnere mich an die Skifreizeit im Winter 1999 in Österreich, als diese CD ein treuer Begleiter war.

Insgesamt neun Alben hat die Band seit 1993 veröffentlicht; das letzte Studioalbum liegt bereits vier Jahre zurück und auch zuvor wurden die Abstände zwischen den neuen Veröffentlichungen größer. Schon länger habe der Gedanke an eine Auflösung der Band eine Rolle gespielt, so die Musiker bei deren tatsächlicher Bekanntgabe.

Man schaufele lieber sein eigenes Grab, bevor man die eigenen Wachsfiguren bei Madame Tussaud's einweihen dürfe, ließ die Band im vergangenen Jahr auf ihren Socialmedia-Kanälen verlauten. Jetzt, 2023 und damit 50 Jahre nach der legendären Blockparty DJ Kool Herc in der New Yorker Bronx, die als Geburtsstunde der Hip-Hop-Kultur gilt, ist also Schluss.

Mit der Arbeit, so Durstewitz, schließe sich auch für ihn ein Kreis. Den ehemaligen Manager Andre Luth kennt er schon seit den 1990ern. König Boris, erzählt er, habe er 2008 durch eine Ausstellung von dessen Freundin in einer ehemals durch Durstewitz' Frau Ebba betriebenen Hamburger Galerie kennengelernt. 15 Jahre hat es gedauert, bis Fettes Brot, „die normalerweise alles selber machen", sich ihn gegönnt hätten, lacht der Maler.

Neben dem Hintergrundbild, das eines der Hafenmotive zeigt, die Durstewitz zu seinem Wiedererkennungsmotiv gemacht hat, entwarf er auch den Bug eines Schleppers, der die Bühne ziert und auch die sieben Meter lange Möwe unter der Hallendecke geht auf seine Kappe. Nordisch by Nature halt.

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