Der NSU-Prozess vor dem Münchener Landesgericht ist ins Stocken gekommen. Schuld daran sind ohne Zweifel auch die deutschen Nachrichtendienste, insbesondere Verfassungsschutzbehörden, die in diesem Verfahren für das Gegenteil ihrer Existenzberechtigung sorgen; nämlich anstatt aufzuklären überwiegend Verwirrung stiften und zum Schweigen animieren.
Die Laufbahn eines "V-Mann" ist die so ziemlich die naivste und dümmste Nebentätigkeit, die man sich vorstellen kann, es sei denn, man sitzt gerne "zwischen den Stühlen". Denn obwohl der Verrat geliebt, wird der Verräter hingegen gehasst; zumindest heißt es in "gewissen Kreisen" so. In Deutschland nämlich werden "V-Männer" und "V-Frauen", also jene dubiosen Vertrauenspersonen, die von Nachrichtendiensten und Polizei als Quellen geführt werden, überwiegend direkt aus dem Bereich der Überwachten angeworben. Damit werden potentielle Täter gedeckt, aufgewertet und schlimmstenfalls aufgebaut. Verdeckte Ermittler der Polizei hingegen werden nur verhältnismäßig selten eingesetzt; überwiegend - wen wundert es - bei Kapitaldelikte. Doch wie sieht die Praxis von V-Leuten des Verfassungsschutzes aus? Wie werden V-Leute angeworben, wie geführt, entlohnt und - entlassen? Und wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen aus? Oder sind die auch geheim? Diese bezahlten und unversteuerten Nebentätigkeiten werden in bestimmten Richtlinien festgelegt, die für die jeweiligen Dienste bindend sind. Offenbar werden diese Richtlinien jedoch sehr großzügig und zum Teil fragwürdig ausgelegt. Vielfach entstehen Verstrickungen, die schlimmstenfalls außer Kontrolle geraten.
Max F. (Name geändert) hat sich als freiwilliger V-Mann dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt und war im Bereich des politischen Extremismus tätig. Im Folgenden und aus mehreren Teilen bestehenden Interview berichtet er über seine Erfahrungen, will Missstände aufgreifen und Hinweise für Reformen liefern.
Max: Relativ unauffällig und ungeplant; ich war jung, naiv und von Klischees überzeugt. Ich bewegte mich damals, etwa Anfang der neunziger Jahre, in subkulturellen Kreisen, hing ab bei den Mods und hatte darüber Einblick in die rechte Szene. Zu diesem Zeitpunkt erschien es mir, als ob diese Leute dort täglich von Antifaschisten drangsaliert wurden. Allerdings spielten in diesen Zusammenhängen auch noch keine Skinheads oder Neonazis eine Rolle, da waren eher "Altkonservative", die damals Chancen bei den "Republikanern" sahen.
TraveTage: ...über die Mods Einblick in die rechte Szene?
Max: Naja, die Übergänge waren da sehr fließend. Neben den Mods gehörten zu diesen Gruppen und Treffpunkte auch noch andere Subkulturen: Scooter, Sharp-Skins, Teds, Exis und auch einige Punks. Manche Leute wechselten ihre kulturellen Identitäten nach Bedarf; Berührungsängste gab es da kaum. Und viele politische Zusammenhänge suchten sich ihren Nachwuchs in genau diesen Zusammenschlüssen und zwar nicht nur linke Gruppen.
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