Salar Ghazi: Die Motivation war, dass ich die Geschehnisse am Rande mitbekommen habe, da ich damals die meisten Protagonisten kennengelernt habe. Das geschah durch einen reinen Zufall: Ein Schulfreund von mir war auf Klassenfahrt in West-Berlin, mit einem Tag Ausflug in den „Osten". Er versuchte damals Verwandte in Ostberlin ausfindig zu machen, in dem Glauben, dass jeder in Ostberlin ein Telefone habe. Auf der Suche nach einem Telefonbuch oder einem Postamt hat er durch puren Zufall Birgit Scherzer kennengelernt. Zur selben Zeit bin ich nach Westberlin gezogen. Deshalb haben mein Schulfreund und ich Birgit öfter in Ostberlin besucht. Beim ersten Besuch erfuhr ich, dass Birgit Choreographin und Tänzerin ist. Für mich gab es kein Halten mehr als sie uns sagte, dass sie für ihre dritte Choreografie das Köln-Concert von Keith Jarrett verwenden würde, denn „Köln" war - und ist - eine meiner Lieblingsplatten. Nach der Premiere habe ich Birgits Flucht und das Auseinanderdriften der Gruppe mitbekommen. Das ist der Hintergrund.
Salar Ghazi: Es gab einen Anstoß für mich, sich letztendlich an diesen Film heran zu setzen. Der Auslöser war Guido Knopp. So seltsam das auch klingen mag.
Es war Sommer 2007. Ich wurde von zwei Autoren angesprochen, ob ich nicht bereit wäre für sie eine Dokumentation zu schneiden, die sie Guido Knopp anbieten wollten. Darauf meinte ich so: „Oh nein, Guido Knopp, auf gar keinen Fall". Aber die beiden Autoren meinten: „Nein, wir wollen es diesmal anders machen. Wir wollen nah beim Dokumentarfilm sein. Wenig Kommentar, ausführliche Interviews mit den Zeitzeugen."
Dann traf sich das Team zu einer Vorbesprechung, ich war im Grunde bereits für den Schnitt auserwählt. Jedenfalls schickte Guido Knopp einen seiner Mitarbeiter. Die beiden Autoren hatten auf eigene Faust in Tel Aviv gedreht. Vor laufender Kamera erzählt der Zeitzeuge und Überlebende Josef Rosenbaum unter Tränen, wie seine kleine Schwester in seinen Armen verhungerte. Die Reaktion des Knopp Mitarbeiters war: „Der heult doch. Warum gehen sie mit der Kamera nicht näher ran?" Originalton. Niemand schien geschockt. Alles wurde nur darauf abgeklopft: Was ist die Show? Wo kann man möglichst viel Heulen und Herzeleid reinbringen? Und nachgestellte Szenen waren bereits beschlossene Sache. Ob man dafür nicht in Polen drehen sollte, weil die es dort wegen der Arbeitszeit der Kinderdarsteller (für die nachgestellten Szenen) nicht so genau nähmen?
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