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Laufen ohne Risiko

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Die Serie wird reißen. Alles andere zu glauben, das weiß Sören Kah, wäre übermütig. Dreimal schnürte der gebürtige Diezer bislang die Schuhe für einen Marathon; stets stand für den mittlerweile 31-Jährigen im Ziel eine neue Bestzeit zu Buche. Im vergangenen Jahr war der Profiathlet in 2:13:57 Stunden, gelaufen in seiner Wahlheimat Frankfurt, schnellster Deutscher auf der 42,195 Kilometer langen Strecke. Die Fachwelt staunte: Der Aufsteiger hatte die B-Norm für die Weltmeisterschaft im Sommer in Moskau unterboten .
Doch wenn der im Stadtteil Rödelheim wohnende Kah am morgigen Sonntag zur 32. Auflage seines Heimrennens um 10.30 Uhr an die Startlinie vor der Festhalle tritt, spielt die Zeit nur eine Nebenrolle. Überhaupt im flotten Tempo im Feld der Spitzenathleten durchzuhalten, wäre schon ein Erfolg für das Mitglied der LG Lahn-Aar-Esterau. Denn nachdem es für den offiziellen Botschafter des ältesten deutschen Stadtmarathons seit seinem Debüt 2011 stetig bergauf gegangen war, musste er in den vergangenen Monaten erstmals in seiner Läuferkarriere einen herben Rückschlag verkraften. Das linke Knie, an dem der frühere Kreisligafußballer sechs Jahre zuvor einen Kreuzbandriss erlitten und daraufhin die Stollenschuhe an den Nagel gehängt hatte, begann bereits vor Weihnachten 2012 heftig zu schmerzen. Bei einer Operation im Februar wurde das als Ursache ausgedeutete Narbengewebe entfernt. Doch die Probleme rissen nicht ab. Im Juni musste Kah erneut unters Messer, ein Osteophyt, eine Anwachsung an der Patellasehne, wurde beseitigt, das Bindegewebe selbst ausgedünnt. Wochenlang schindete Kah sich mit Krafttraining, das seinen Körper stabiler machte, Aquajogging und auf dem Fahrradergometer im Reha-Zentrum Herxheim, um erst wieder auf die Beine und dann schnellstmöglich auf die Straße zu kommen. „Es war eine schwere Zeit“, sagt er. Nicht nur die WM hatte der Hoffnungsträger der schwächelnden nationalen Langstreckenszene abschreiben müssen, auch der heimische Marathon rückte in weite Ferne. „Da fällt man schon mal in ein tiefes Loch“, bestätigt Kah. Doch sein Umfeld, die Freunde in seiner Frankfurter WG und die Familie, die am Sonntag am Streckenrand stehen werden, hätten ihn da herausgeholt und wieder motiviert. Trotzdem schien mit nur knapp zwei Monaten Vorbereitung ein sinnvoller Auftritt vor heimischer Kulisse bis vor Kurzem noch unmöglich. Doch ein überzeugender Zehn-Kilometer-Lauf vor zwei Wochen in Berlin, bei dem Kah nach 29:53 Minuten einkam, stärkte die Zuversicht des ehrgeizigen Athleten. Zwar betont der Blondschopf noch immer, in erster Linie die Rolle als Tempomacher für seinen Laufkollegen Markus Weiß-Latzko (Rechberghausen) übernehmen zu wollen, der die B-Norm für die Europameisterschaft 2014 in Zürich (2:15:30) schaffen will und nun als Favorit auf den Titel „bester Deutscher“ im von leichtfüßigen Afrikanern dominierten Feld gehandelt wird. Doch was am Ende herausspringe, bleibe abzuwarten. „Bevor der Mann mit dem Hammer kommt, steige ich aus“, betont Kah. Denn auch er will in der Schweiz sein Debüt im Nationaltrikot feiern. Die Qualifikation dafür hofft er bei einem Marathon im Frühjahr, eventuell sogar auch in Zürich, zu schaffen. „Deshalb werde ich am Sonntag nichts riskieren.“
Seine in der Reha verbesserte Selbstwahrnehmung könnte ihm dabei helfen: „Ich höre jetzt mehr auf meinen Körper“, erklärt Kah. Ansonsten habe er sich aber nicht verändert. Noch immer steht der von seinem Arbeitgeber bis Ende des Jahres freigestellte Buchhalter früher als seine WG-Kollegen auf, um zu trainieren oder sich im Olympiastützpunkt Hessen behandeln zu lassen. Das leichte Kratzen, das er im Knie noch verspürt, sei aber nicht weiter bedenklich und gelte als normal. Auf 160 Kilometer pro Woche hat er sein Pensum bereits wieder hochgeschraubt – den eigenen Ansprüchen genügt das längst nicht. Vor der Verletzung waren es in der Spitze 256. Dennoch fühlt Kah sich gut und ist froh, „dass ich diese kleine Chance habe, ins Ziel zu kommen“. Und wenn er dabei entgegen allen Erwartungen doch seine Serie an Bestzeiten verlängern sollte, „werde ich vor Freude tanzen“.