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Lieblingsstreberin: Mori aus "Among Others"

Es gibt diese Bücher, von denen man sich wünscht, man wäre ihren Protagonistinnen schon damals begegnet, als man meinte, man sei allein in seiner Andersartigkeit. Protagonistin Morwenna Phelps, genannt Mori, ist in vielerlei Hinsicht anders. Sie verbringt ihre Nachmittage lieber zwischen den verstaubten Regalen der Bibliothek als auf dem Hockeyfeld. Sie liest Plato, Ursula K. Le-Guin und andere Science-Fiction-Klassiker kiloweise. Während ihre Mitschülerinnen im Internat darauf hinfiebern, am Wochenende heimlich Jungs zu treffen, kann sie sich manchmal nur mit der Hoffnung auf die neuen Bücher durch die Woche retten, die per Fernleihe in der Stadtbibliothek auf sie warten. Lesen, das ist für Mori gleichbedeutend mit Leben. Nach einem Unfall, bei dem sie ihre Zwillingsschwester verlor und selbst mit einer zerschmetterten Hüfte zurückblieb, flüchtet sie vor einer bösen, verrückten Mutter aus den walisischen Tälern, in denen sie aufgewachsen ist, und kommt zu einem Vater, den sie kaum kennt, mit dem sie außer der Liebe zu Büchern nichts verbindet und der sie ins Internat abschiebt. Dort hat eine buchvernarrte 15-Jährige, die am Stock geht und über die Wahrscheinlichkeit von Zeitreisen sinniert, wenig Freundinnen. Moris Tagebuch liest sich wie ein Überlebenshandbuch für einen fremden Planeten. Dass Mori auch mit Elfen spricht und ab und zu auf Magie zurückgreift, wenn sie sich nicht anders zu helfen weiß, scheint da fast schon nebensächlich.
Jo Walton, die selbst als Science Fiction vernarrtes Mädchen um das Jahr 1979 herum in Wales aufwuchs, hat mit „Among Others“ 2011 den Hugo, den Nebula und den Britischen Fantasy Award gewonnen, also fast alle Adelstitel, die das Genre zu vergeben hat. Völlig berechtigt, denn „Among Others“ ist mehr als ein Fantasyroman für Jugendliche, es ist eine Liebeserklärung an die Science Fiction selbst – und die klugen Mädchen, die sie lesen. Das tut mit 30 noch so gut wie mit 15 Jahren.

„Among Others“ ist 2011 bei Tor erschienen. Die deutsche Fassung ist unter dem Titel „In einer anderen Welt“ (Golkonda Verlag) erhältlich.