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Weimarer Klassik (1786-1832): Die Literaturepoche im Überblick

Die Weimarer Klassik verdankt ihren Namen der Stadt Weimar. | Foto: ivanadb/Getty Images


Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Goethe und Schiller. Wir erklären dir, warum die beiden so wichtig für die Weimarer Klassik waren und welche Merkmale für diese Literaturepoche typisch sind.

Weimarer Klassik: Rückbesinnung auf die Antike

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche, die sich an klassischen antiken Dichtern orientierte. Sie waren in der Literaturepoche der Klassik das Vorbild der Kunstschaffenden und galten als Idealbild der Zeit. Die deutsche Klassik wird auch als Weimarer Klassik bezeichnet, da sich das literarische Geschehen vor allem in der Stadt Weimar abspielte. Geprägt war diese Zeit durch das so genannte Viergestirn Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller. Die Epoche beginnt 1786 mit Goethes Italienreise und endet 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch Definitionen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen.

"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut." (Johann Wolfgang von Goethe, "Das Göttliche", 1783) Inhaltsverzeichnis Weimarer Klassik: Definition

Der Begriff "Klassik" leitet sich ursprünglich von dem lateinischen Wort "classicus" ab. Im römischen Steuerrecht war das eine Bezeichnung für Menschen, die der höchsten Steuerklasse angehörten. Heute beschreibt der Begriff Dinge, die unabhängig von der Zeit, in der sie entstanden sind, eine zeitlose Gültigkeit besitzen.

Für die Weimarer Klassik gibt es zwei unterschiedliche Definitionen. Die erste Definition bezieht sich auf die vier wichtigsten literarischen Persönlichkeiten des Kulturraums Weimar und Jena: Wieland, Herder, Goethe und Schiller. Eine Freundschaft sowie Übereinstimmungen in ihrem Wirken gab es aber vor allem zwischen Goethe und Schiller. Daher umfasst die zweite Definition der Weimarer Klassik die etwa elfjährige gemeinsame Schaffenszeit von Goethe und Schiller. Die beiden Dichterfreunde prägten die Epoche der Weimarer Klassik auf besondere Weise.

Zeitgeschichtliche Einordnung

Das bedeutendste Ereignis der Weimarer Klassik war die Französische Revolution (1789). Ihre Ideale - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - waren die Leitgedanken der Zeit. Auch mit Tugenden wie Humanismus und Toleranz schloss die Weimarer Klassik an die Ideen der Aufklärung an. Die von Gewalt geprägte Herrschaft der Jakobiner in Frankreich (1793 - 1794) enttäuschte diese Ideen, auch in Deutschland. Die Weimarer Klassik war ein Versuch, sich wieder auf Harmonie und Menschlichkeit zu besinnen.

Generell war die Zeit von politischer Instabilität geprägt. Ganz Europa war in Aufruhr. Neben der Terrorherrschaft der Jakobiner beeinflussten vor allem die territorialen Veränderungen durch den Wiener Kongress (1814/15) die Epoche: neue Grenzen wurden festgelegt, neue Staaten entstanden. Außerdem gab es viele andere revolutionäre Bewegungen, etwa die Bauernaufstände in Spanien oder die Erhebung gegen die Habsburger.

Themen der Klassik

Das 18. Jahrhundert war von zwei sehr gegensätzlichen Anschauungen geprägt. Die vernunftbetonte Aufklärung (1720 - 1790) und die gefühlsbetonte Strömung des Sturm und Drang (1765 - 1790). In der Klassik laufen beide Denkweisen zusammen. Zum einen griff die Klassik die Werte der Aufklärung auf, zum anderen legte sie den rebellischen Charakter des Sturm und Drang ab. Wo die Stürmer und Dränger gegen ihre Vätergeneration rebelliert und die Entfaltung des Individuums in den Mittelpunkt gestellt hatten, orientierte sich die Klassik an antiken Vorbildern. Schon die Epoche der Renaissance (15. - 16. Jahrhundert) hatte die Kunst der alten Griechen und Römer zum Ideal erklärt. Aus der Sicht des 18. Jahrhunderts galt die Antike (800 v. Chr. - ca. 600 n. Chr.) als Zeit der Harmonie und Ausgewogenheit. Die Literaten dieser Zeit strebten nach Humanität und Vollkommenheit. So sollte auch eine Harmonie zwischen Verstand und Gefühl, also den Idealen von Aufklärung und Sturm und Drang, hergestellt werden.

Die (1795 - 1848), die du auch als Gegenbewegung zur Klassik verstehen kannst, kritisierte die Hinwendung zur Antike. Ihr ging es darum, sich Themen aus ihrer eigenen Kultur und Geschichte zu erschließen. Unter anderem deswegen erlebte beispielsweise das Mittelalter in der Epoche der Romantik eine starke Verklärung.

Die Themen der Weimarer Klassik im Überblick:

Toleranz, Humanität und Vollkommenheit Selbstbestimmung: Das Individuum soll eigene Entscheidungen treffen. Streben nach Harmonie und Schönheit Kunst und Wissenschaft sollen gleichermaßen ausgebildet werden. Merkmale der klassischen Literatur

Wenn du in deiner Gedichtanalyse ein Werk aus der Weimarer Klassik analysieren sollst, achte nicht nur auf die inhaltlichen, sondern auch auf die formalen Merkmale. Denn auf formaler Ebene spiegelt sich ebenfalls das Hauptanliegen der Literaten dieser Zeit wider: das Streben nach Harmonie. Dementsprechend sollten Form und Inhalt zusammenpassen und eine harmonische Einheit bilden.

Die Weimarer Klassik kannst du an folgenden typischen Merkmalen und Stilmitteln erkennen:

eine einheitliche und geregelte Sprache formale Ordnung Symmetrie Stichomythie (häufiger Redewechsel innerhalb eines Dramas) Sentenz (kurz formulierte, allgemein gültige Aussagen)

Eine formale Ordnung schufen die Literaten und Literatinnen beispielsweise durch das Versmaß, auch genannt. Ausnahmen gab es nur an Stellen, an denen etwas besonders hervorgehoben werden sollte.

Der Blankvers

Das häufigste Versmaß, das in Dramen und Gedichten der Weimarer Klassik verwendet wurde, ist der Blankvers. Damit wird ein fünfhebiger Jambus bezeichnet. Das bedeutet, dass es in jedem Vers fünf betonte Silben gibt. Der Vers beginnt immer mit einer unbetonten Silbe, wie du an folgendem Auszug aus Goethes Drama " Iphigenie auf Tauris" sehen kannst. (Die betonten Silben sind mit einem großen X gekennzeichnet.):

"He-raus in eu-re Schat-ten, re-ge Wip-fel (xXxXXxXxXx) Des al-ten, heil'-gen, dicht-be-laub-ten Hai-nes" (xXxXxXxXxXx)

Der Blankvers wird auch als Vers Shakespeares bezeichnet, weil es vor allem der englische Dichter William Shakespeare war, der ihn in seinen Dramen verwendete.

Ebenfalls typisch für die Klassik ist der sogenannte Historismus, also der Rückgriff auf die Geschichte. So verewigte zum Beispiel Schiller bedeutende historische Persönlichkeiten, wie die schottische Königin Maria Stuart ("Maria Stuart", 1800) oder den Schweizer Freiheitskämpfer Wilhelm Tell ("Wilhelm Tell, 1804) literarisch.

Die Literatur der Weimarer Klassik

Die Literatur erfüllte in der Weimarer Klassik eine wichtige Funktion. Sie sollte die Menschen im Sinne der so genannten ästhetischen Erziehung und ganz im Sinne des antiken Vorbildes zu Menschlichkeit erziehen. Das erzieherische Ideal war die "schöne Seele". Sie bezeichnet einen Menschen, dessen Handeln sich in vollkommener Übereinstimmung mit seinen Pflichten und Neigungen befindet. Die Vertreterinnen und Vertreter der Klassik glaubten, dass nicht Gewalt, sondern eine evolutionäre Entwicklung der Gesellschaft zu einem Staat führe, der die aufklärerischen Ideale vertrete.

Wenn du dir die einzelnen literarischen Gattungen in der Weimarer Klassik ansiehst, fällt auch hier schnell die starke Orientierung an der Antike auf. Die Dramatik war, wie in der Antike, die wichtigste literarische Gattung der Klassik. Lyrik und Epik spielten eher eine Nebenrolle.

Die Dramatik der Weimarer Klassik

In der Weimarer Klassik entstanden zahlreiche bedeutende Dramen der deutschen Literaturgeschichte, etwa "Don Karlos" (1787), "Maria Stuart" (1800) und "Wilhelm Tell" (1804) von Schiller oder "Iphigenie auf Tauris" (1787) von Goethe.

Typisch für Dramen der Weimarer Klassik ist der oben bereits erwähnte Blankvers ohne Endreim, der als besonders schön und ästhetisch galt. Zudem orientierten sich die Werke am aristotelischen Dramenkonzept - und damit an einem antiken Vorbild.

Die aristotelische Dramentheorie

Die aristotelische Dramentheorie geht zurück auf den altgriechischen Philosophen Aristoteles (384 v. Chr. - 322 v.Chr.). Sie legt bestimmte Merkmale fest, nach denen ein Drama aufgebaut ist: die Kausalität, die drei aristotelischen Einheiten und die Katharsis.

Das Merkmal der Kausalität besagt, dass die Szenen eines Dramas aufeinander aufbauen und damit nicht austauschbar sind. Ebenso gibt es immer einen eindeutigen Anfang und ein eindeutiges Ende. Die drei aristotelischen Einheiten legen die Einheit von Raum, Zeit und Handlung fest. Das bedeutet, dass es in einem aristotelischen Drama keine Zeitsprünge, Ortswechsel oder Nebenhandlungen gibt. Die Katharsis, die Reinigung, beschreibt die reinigende Wirkung, die der Zuschauer oder die Zuschauerin am Ende des Stückes durchlaufen soll. Das Drama soll Furcht und Mitleid auslösen. Die Katharsis soll von diesen Gefühlen wieder befreien.

Lyrik und Epik in der Weimarer Klassik

Die Tatsache, das Lyrik und Epik im Vergleich zur Dramatik für die Literaten der Weimarer Klassik weniger wichtig waren, liegt daran, dass die Antike das Vorbild ihres künstlerischen Schaffen war - und hier war ebenfalls das Drama die bevorzugte literarische Ausdrucksform. Aber auch in der Lyrik griffen die Autoren auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurück. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Außerdem verwendeten sie eine gehobene, pathetische Sprache.

Die Epik ist vergleichsweise frei und deutlich weniger formalen Regeln unterworfen als die Lyrik oder die Dramatik. Da die Literaten aber eine streng geregelte Form bevorzugten, waren epische Formen für sie eher uninteressant. Die Autoren nutzten Prosa, also erzählende Literatur, eher, um ihre Weltanschauung darzulegen.

Wichtige Autoren und Werke

Zur Zeit der Weimarer Klassik prägten und beeinflussten vor allem vier Autoren die deutsche Literaturszene: Johann Friedrich Herder, Christoph Martin Wieland, Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Sie bilden das sogenannte Viergestirn der Weimarer Klassik. Alle vier lebten in Weimar. Während Wieland und Herder eher isoliert voneinander wirkten, waren Schiller und Goethe miteinander befreundet und beeinflussten sich gegenseitig.

Goethe und Schiller, eine Dichterfreundschaft

Goethes Werk "Die Leiden des jungen Werthers" hatte ihn zum führenden Vertreter des Sturm und Drang gemacht. Auch Schiller war ein Vertreter dieser Strömung gewesen, ehe er sich der Klassik und ihren antiken Vorbildern zuwandte. Beide waren also schon aktive und einflussreiche Stürmer und Dränger gewesen, bevor sie zu den wichtigsten literarischen Persönlichkeiten der Weimarer Klassik wurden.

Bevor sich beide persönlich kennenlernten, kannten sie bereits die frühen Werke des anderen und sahen sich als Konkurrenten. Goethe fühlte sich von Schiller an seine Sturm-und-Drang-Zeit erinnert, Schiller fand Goethe arrogant. Nach anfänglicher Ablehnung entwickelte sich zwischen beiden ein intensives Arbeitsverhältnis. Sie teilten nicht nur politische Ansichten, sondern auch die Hinwendung zur Antike als höchstes künstlerisches Ideal. Außerdem beeinflussten, motivierten und halfen sie sich gegenseitig: Goethe nahm Einfluss auf Schillers Dramen-Trilogie "Wallenstein", Schiller wiederum ermunterte Goethe, sein Lebenswerk "" fortzusetzen. Schillers Tod im Jahr 1805 war ein großer Verlust für Goethe. Die Bedeutung des gemeinsamen Schaffens dieser zwei großen Deutschen Dichter in der Epoche der Weimarer Klassik zeigt sich auch daran, dass die Weimarer Klassik mit Schillers Tod endete.

Weitere wichtige Werke der Weimarer Klassik:

"Egmont" (1775-1788), Johann Wolfgang von Goethe "Wilhelm Meisters Lehrjahre" (1795/96), Johann Wolfgang von Goethe "Reineke Fuchs" (1794), Johann Wolfgang von Goethe "Die Bürgschaft" (1798), Friedrich Schiller "Die Jungfrau von Orléans" (1801), Friedrich Schiller "Alceste" (1773), Christoph Martin Wieland "Aristipp und eingie seiner Zeitgenossen" (1800-1802), Christoph Martin Wieland "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784-1791), Johann Gottfried Herder "Briefe zur Beförderung der Humanität" (1791-1797), Johann Gottfried Herder

In der Weimarer Klassik gab es natürlich mehr als diese vier Autoren. Einer ihrer Zeitgenossen war beispielsweise der ebenfalls sehr bekannte deutsche Literat Heinrich von Kleist (1977-11811), der unter anderem die Novelle "Die Marquise von O..." verfasste. Er hat sich allerdings nicht am literarischen Leben und Geschehen seiner Zeit beteiligt und ist damit weder der Weimarer Klassik noch der Romantik zuzuordnen.

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Die Weimarer Klassik im Überblick:

Zentralisierung auf Weimar und Jena Statt auf Konfrontation und Widerspruch wie in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Menschlichkeit und Toleranz waren die wichtigsten Werte. Die Klassik orientiert sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel: die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer "charakterschönen" Persönlichkeit. Die Freundschaft der beiden Dichter Goethe und Schiller ist entscheidend für die Entstehung und Entwicklung der Weimarer Klassik. Weitere Literaturepochen:

(Bildnachweis Goethe: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein artist QS:P170,Q213973, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein - Goethe in der roemischen Campagna, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons Bildnachweis Schiller: Ludovike Simanowiz artist QS:P170,Q1874037, Friedrich Schiller by Ludovike Simanowiz, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons)

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