Interview
26. September 2012
Ralf Rüller eröffnete vor zwei Jahren den Kaffeeladen The Barn in Berlin-Mitte. Dort tüftelte er mit seinem Team an den perfekten Zubereitungsmethoden von Kaffee, machte Filterkaffee wieder salonfähig und wurde nach und nach immer mehr zum Kaffeespezialisten. Letzte Woche eröffnete er mit der The Barn Roastery einen zweiten Laden mit eigener Rösterei.
Kannst du nochmal das „The Barn"-Konzept erklären?Als wir vor zwei Jahren aufgemacht haben, wollte ich ja vor allem die Rezepte meiner Mutter nachkochen und backen. Wir machen also Kuchen, Stullen und guten Kaffee. Aber wir wollten gerne wissen, wo die Sachen herkommen, das heißt, wir nehmen lieber 'nen Apfel aus Brandenburg als 'nen Bio Apfel aus Brasilien, das ist unser Konzept. Wir wollten lokal sein und der Kaffee sollte so gut sein wie das Essen. Irgendwann hat sich dann diese Kaffeewelt für mich geöffnet, das hatte ich gar nicht geplant am Anfang.
Und jetzt ist der Kaffee die Hauptsache. Da ist Direct Trade, der auf direkten Verkauf ohne Zwischenhändler setzt, mittlerweile auch wichtiger als Fair Trade, oder?Genau, Fair Trade ist für uns wie eine Spende, das ist auch ok, wenn Leute das kaufen, aber für uns hat das nichts mit der Bohne und mit dem Anbauer zu tun.
Und was ist anders beim Direct Trade?Wir wollen nicht nur 'nen Mindestlohn zahlen, sondern wir wollen, dass der Farmer besser wird und sich langfristig einen eigenen Markt aufbaut. Die Farmen, mit denen wir jetzt zusammenarbeiten für unsere Rösterei, da kommt der Kontakt aus aus London, von Square Mile, die stehen im direktem Kontakt mit den Farmen. Die könnten sich auch gar keine Lizenz für Fair Trade leisten.
Worauf muss man denn achten beim Direct Trade?Man muss Systeme finden, um an die Qualität ranzukommen. Zum Beispiel ist jemand nach Guatemala geflogen und hat den Pflückern, die das seit 30 Jahren machen, gesagt, sie sollen wirklich nur die reife Kirsche nehmen. Die werden aber natürlich nach Gewicht bezahlt, da macht das für sie keinen Sinn, nicht alle Kirschen zu nehmen. Deshalb haben die jetzt noch einen zweiten Beutel, wo die schlechten Kirschen reinkommen, den kriegen sie auch bezahlt. Damit sie nicht schummeln. Und sowas bezahlen wir gerne, weil wir das im Endeffekt schmecken.
Das Thema Kaffee wird ja auch in Berlin immer wichtiger, man spricht da von der „third wave"-Bewegung, richtig?Ja, diese sogenannten dritte Welle von Kaffee kam eher aus Neuseeland, Australien und Kalifornien und hat dann irgendwann New York erreicht. In London ist auch viel passiert, es gibt bestimmt 30 bis 40 richtig gute Kaffeeläden. So ein Wandel kann also stattfinden und wir wollen uns hier in Berlin auch so etablieren. Damit Leute sehen, so kann man das auch machen, und sich davon inspirieren lassen. Das fänden wir toll. Kaffee ist so ein tolles Produkt, aber es wird echt schlecht behandelt. Da wird dann billige H-Milch reingekippt, zehnmal aufgewärmt, und dann ist der Kaffee am Ende noch verbrannt.
Hat diese third wave ein bestimmtes Zielpublikum?Es gibt bei Kaffee mittlerweile eine Qualität wie beim Wein, viele Leute schmecken das gar nicht, die sagen halt 'lecker Cappuccino' und wissen gar nicht, warum. Wir machen das aber wirklich für die paar Prozent, die Kaffee-Gourmets sind und das wirklich schmecken. Diese Leute sind sehr verbunden miteinander, sehr international, die fliegen extra wegen dem Kaffee hierher. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist größer, weil wir einfach nur so ein kleiner Prozentsatz im Markt sind.
Stimmt, es gibt ja auch noch genug schlechte Coffeshops...Das kann man auch machen, ich bin mittlerweile ein bisschen entspannter, was das angeht. Ich denke, es gibt auch eine Berechtigung für andere Qualität. Es ist auch ok, wenn man sagt, ich will nicht viel Geld ausgeben. Obwohl wir eigentlich nicht viel teurer sind als andere. Das Problem ist: Entweder trainieren Coffeeshops ihre Baristas nicht, der Fokus liegt dann eher so beim Kuchen oder beim Essen, oder sie scheuen vor dem Preis zurück und benutzen Kaffee als Margenprodukt. Man kann auch ein bisschen auf die Marge verzichten und mehr Qualität anbieten, dann kommen dafür auch mehr Leute.
Wie bei euch?Ja, es ist halt wichtig, auf Details zu achten. Die Leute, die wir einstellen, sind alles Kaffeeliebhaber, auch wenn sie Kuchen backen. Wir können eigentlich nur über die Leidenschaft diese Energie im Laden halten. Das ist immer ein langer Prozess, da trainieren wir die Leute auch im Haus. Die müssen auch ganz viel probieren. Hier wird jeder Kaffee erstmal durchgetestet, ob er die richtige Balance hat oder ob wir den Mahlgrad verändern müssen. Wenn das Wetter umschwingt, müssen wir sofort die Mahlgrade verändern, die Luftfeuchtigkeit hat einen riesigen Einfluss auf die Bohne.
Das klingt alles sehr speziell, es gibt hier zum Beispiel auch keinen Zucker zum Kaffee, richtig?Richtig. Ich bin ein große Fan von spezialisierten Märkten. Bei uns im Dorf gab es zum Beispiel Oma Gerkens, die hat die besten Brötchen gemacht. Also nicht nur Sand mit Luft. Die haben dann auch zwanzig Pfennig mehr gekostet, das war aber auch ok. Bei Oma Gerkens war immer eine total lange Schlange. Jetzt ist da ein Dönerladen drin, und da ist keine Schlange mehr. Wie sind eben auch sehr spezialisiert, die Filterkaffes werden nur schwarz serviert, ohne Milch und ohne Zucker.
Und wieso kein Zucker?Wir finden das ist so wie Zucker in Champagner schütten. Bei schlechtem Kaffee würde ich das auch machen, aber unsere sind so hochwertig und leicht, da macht Zucker keinen Sinn.
Auf der Karte habt ihr ja auch den jeweiligen Geschmack der Röstung beschrieben?Es gibt 800 Unterarten der Arabica Bohne und die können nach Blaubeeren schmecken, nach Earl Grey Tee, nach Bergamot oder nach Tomate. Dann sprechen wir auch über Körper, das heißt, wie sich der Kaffee anfühlt auf der Zunge, eher wie Wasser oder eher wie Milch. Je mehr man probiert, desto mehr schmeckt man auch.
Und rösten tut ihr dann auch hier im Laden?Die Röstanlage ist von 1954, das ist das Kontrollzentrum, sieht ein bisschen so aus als würde es gleich abheben. Die hat zum Beispiel auch Luftdruckfühler, wir wollen jeden Punkt des Prozesses analysieren können.
Lässt du überhaupt jemand anderen an deine Röstmaschine?Die Röstmaschine ist echt wie ein teures Auto. Aber ein, zwei Leute dürfen da auch dran, ich werd ja anfangen zu reisen und auch Farmen besuchen, da brauche ich Leute, die hier weitermachen.
Die Gerätschaften zum Kaffee machen sehen auch anders aus als meine normale Kaffeemaschine.Wir haben verschiedene Verfahren, je nach der Geschmack der Bohnen verwenden wir ein anderes Verfahren. Da gibt es einmal die Aeropress von Aerobie, die wurde von den Leuten entwickelt, die Frisbees erfunden haben. Der Unterschied zu 'ner French Press ist, dass wir da mit einem Filter arbeiten und deshalb keinen Kaffeesatz bekommen. Die Syphon, auch Vacuum Pot genannt, ist eigentlich 1820 in Deutschland erfunden worden und wird in Asien viel benutzt. In Deutschland ist es leider vergessen worden, durch die Erfindung der Filtermaschine ist viel verloren gegangen bei den simplen Keramikfiltern. Dann gibt es noch die Halogen Beamheater. Im Gegensatz zum Filter, wo die Temperatur abfällt, haben wir hier eine Brühvorgabe, wo die Temperatur gehalten werden muss. Also wenn jetzt hier ein kalter Wind durchgehen würde beim Brühen, dann ist der Kaffe anders extrahiert und würde wahrscheinlich sauer oder bitter schmecken.
Das ist ja ein richtiges Kaffeelabor!Es geht noch weiter, wir haben hier zum Beispiel auch den Mojo Refraktometer. Von einem gebrühten Kaffee nehmen wir einen Tropfen und legen ihn auf eine Scheibe und dann wird das angeleuchtet und das Gerät sagt uns, wieviel Kaffee ins Wasser gekommen ist. 18 bis 22 Prozent ist super, dann ist der Kaffee balanciert.
Aber auf welche Art ihr den Kaffee zubereitet, das bestimmt ihr?Wir wollen den Kaffe nur so machen, wie wir finden dass er serviert werden sollte. Wir machen zum Beispiel keine Americanos oder Long blacks, wir wollen den Kaffee nicht strecken. Wenn Leute das nicht so haben wollen, dann müssen sie woanders hingehen. Wir wollen es nicht jedem recht machen, wir wollen einige Sachen dafür gut machen. In einem guten Restaurant kann man ja auch kein Schnitzel im Glas bestellen. Wir wollen da auch ein Anlaufpunkt sein für Leute, die wegen dem Produkt kommen, es kommen auch immer einige, die es nur cool finden, aber vielleicht kann man die ja überzeugen. Ich habe da schon so viele A-Ha Erlebnisse miterlebt, und die Leute kommen dann beim nächsten Mal und bringen ihre Freunde mit.
(Interview: azi; Foto: Sandra Wildeboer/HiPi)
The barn roastery, Schönhauser Allee 8, Berlin-Prenzlauer Berg, www.thebarn.de/roastery