Streetfood-Märkte sind bekannt aus Asien und Südamerika oder den Metropolen London und New York. Jetzt kommen sie auch in die Hauptstadt.
Freitagabend, 28 Grad im Schatten. Die Schlange vor dem Stand Bun.Boa will einfach nicht weiter vorrücken. Dabei sehen die mit Hühnchen, Koriander und Gemüse gefüllten Hefeteigbrötchen so gut aus und duften noch viel besser. Nebenan, beim House of the Flying Dumplings, stehen auch nicht weniger Menschen und bei Taco Kween, wo Spezialitäten aus Yucatán angeboten werden, hat sich die Schlange mehrfach gewunden in sich selbst verschlungen. Auf dem Uferstreifen an der Spree und auf der Hoppetosse findet an diesem Abend zum ersten Mal der Bite Club statt, die neueste Ausgabe eines Streetfood-Markts in Berlin. Streetfood-Märkte kennt man bisher vor allem aus Asien oder Südamerika, dort ist es die Regel, dass man im Alltag nicht in Restaurants geht, sondern auf Straßenmärkten und von kleinen Buden preiswertes, frisches Essen direkt auf die Hand bekommt. Eine Besonderheit von Streetfood: Meist sind es regionale Spezialitäten, ein Stand bietet nur wenige Gerichte an, diese aber in Perfektion.
In den internationalen Metropolen London und New York sind Streetfood-Märkte seit Jahren ein Trend, in Berlin dauerte es etwas länger. Der erste - überaus erfolgreiche - Hotspot für Streetfood war der Streetfood Thursday in der Markthalle Neun. Verkaufsstände wie der Heiße Hobel, an dem es handgemachte Allgäuer Kässpatzen gibt, oder Big Stuff Smoked BBQ mit Barbecue- Spezialitäten aus einem riesigen Smoker, gewannen schnell eine große Fangemeinde. Hier zeigte sich, dass die zahlreichen jungen Expats, die die Hauptstadt bevölkern, aber scheinbar auch der Rest Berlins nur auf einen Streetfood-Markt gewartet hatten.
Am ersten Abend im April kamen rund 7000 Menschen in der Halle zusammen, das Essen war bald ausverkauft. Der Bite Club könnte ein ähnlicher Erfolg werden. Die Organisatoren sind Miranda Zahedie und Tommy Tannock. Tannock ist seit über drei Jahren in Berlin, stammt wie Zahedie eigentlich aus London und hat vorher lange in Tokyo gelebt. Streetfood ist für ihn also ganz normal. "Ich wollte unbedingt einen Streetfood-Market in Berlin machen", erklärt er. "Hier gibt es so viele tolle Wochenmärkte, mit einigen Ständen, die richtig gutes Essen anbieten, aber so richtig Spaß macht das bisher trotzdem nicht." Das soll beim Bite Club anders sein, das verrät allein schon das Party-erprobte Gelände der Arena und der Termin Freitagabend, direkt zu Beginn des Wochenendes. Natürlich legt beim Bite Club auch ein DJ auf.
Für Tannock liegt es auf der Hand, dass Streetfood in Berlin funktioniert. "Gerade Berlin ist bekannt für günstiges Essen, für Partys und eine generelle Offenheit, also dachten wir: Warum nicht all das verbinden?" Sprach's und muss schon wieder weiter, die Menschenmassen sorgen für Aufregung bei den Organisatoren. Dafür kommt Kavita Meelu vorbei, Mit-Organisatorin des Streetfood Thursday. Viele Stände, die beim Streetfood Thursday in der Markthalle stehen, sind auch auf dem Arena-Gelände vertreten.
Von Konkurrenz ist bisher nichts zu spüren, die junge, internationale Streetfood-Szene in Berlin ist eng vernetzt und kommt mit viel Idealismus daher. „Ich glaube, es findet gerade eine Verschiebung in der traditionellen Esskultur statt, wie Leute essen und wie Köche arbeiten wollen", meint Meelu. Heißt: Streetfood-Fans wollen weg von institutionalisierten Restaurants mit starren Hierarchien, hin zu mehr Selbstbestimmung, mehr Freiheit und der Konzentration auf wenige Spezialitäten. "Ich sehe andere Veranstaltungen nicht als Konkurrenz, es ist wichtig, dass die Köche Möglichkeiten haben, ein halbwegs festes Einkommen zu bekommen", erklärt Meelu. Genau deswegen wurde auf der Cuvry-Brache beim Kjosk in Kreuzberg ein weiterer Standort für Streetfood geschaffen - jedenfalls für die Anbieter, die ihr Essen aus einem fahrbaren Untersatz heraus verkaufen. Von Montag bis Freitag bietet hier seit drei Wochen jeden Tag ein Food-Truck einen Mittagstisch an, montags gibt es beispielsweise Kartoffelpuffer aus dem silbrigen Bus der dollen Knollen, dienstags handgemachte Nudeln aus dem Pasta-Taxi.
Auch Kavita Meelu und die anderen Streetfood-Thursday-Organisatoren aus der Markthalle Neun wollen expandieren. Die Planung läuft auf Hochtouren für einen Streetfood Markt am Sonntag, der laut Meelu das Pendant zum Mauerpark-Flohmarkt - nur eben mit dem Schwerpunkt Essen - werden soll. Die perfekte Location muss noch gefunden werden. Meelu glüht vor Enthusiasmus und ist begeistert von der Offenheit der Berliner. "Was ich bisher erlebt habe, zeigt, dass die Berliner sehr gespannt sind, neues Essen kennenzulernen, verschiedene Stile und Küchenrichtungen zu probieren." Und so ist ihre Mission klar: "Ich werde die gesamte Stadt durchsuchen und jede einzelne Person finden, die Energie fürs Kochen hat, um ihnen allen eine Plattform zu bieten, ihr Essen und ihre Ideen unter die Leute zu bringen."
Text: Annika Zieske
Bite Club auf der Freifläche vor und auf der Hoppetosse, Eichenstraße 4, Treptow, www.biteclub.de, ab August jeden zweiten Freitag, 18-24 Uhr
Erschienen in der Print- und Online Ausgabe des tip Stadtmagazins, August 2013
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