Studierende sollen einen einmaligen Zuschuss von 200 Euro bekommen. Das hat die Bundesregierung am Sonntag bekannt gegeben. Das Geld ist Teil des dritten, 65 Milliarden Euro teuren Entlastungspakets. Es soll helfen, die steigenden Preise für Miete, Nebenkosten und Lebensmittel zu bezahlen.
Die Pauschale von 200 Euro bekommen immatrikulierte Studierende - unabhängig davon, ob sie schon Bafög oder andere Gelder vom Staat erhalten. Das gilt laut der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Gyde Jensen für alle: Studierende an privaten Hochschulen, dualer Studiengänge, Studierende ohne deutsche Staatsbürgerschaft und Studierende an Fachschulen, zum Beispiel Logopädie oder Erziehungswissenschaften.
Wie die Pauschale auf dem Konto landet, ist noch unklar. Gyde Jensen sagt: "möglichst zügig und ohne viel Bürokratie". Die FDP-Politikerin schätzt, dass das im Herbst oder im Laufe des Winters gezahlt werde. So einfach scheint das aber nicht zu gehen: "Der Bund hat derzeit keine Möglichkeit, Geld direkt an die Bürger:innen auszuzahlen", sagt Sönke Rix, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Ob dir das Geld direkt auf dein Konto überwiesen wird, du dafür einen Antrag stellen musst oder eine ganz andere Lösung gefunden wird, steht also noch nicht fest.
Genau diese Unsicherheit kritisiert Pablo Fuest, Vorstand vom freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs). Der Studierendenvertreter findet die zeitlichen Angaben im Beschluss zu schwammig. Auch das Deutsche Studentenwerk warnt davor, zu lange mit den Zahlungen zu warten. "Viele Studierende verfügen nicht über Rücklagen", sagt Pressesprecher Stefan Grob.
Sind 200 Euro genug, um Studierende durch das Wintersemester zu bringen? "Aktuelle Zahlen dazu, wie viel Studierende zum Leben brauchen, bekommen wir frühestens im ersten Halbjahr des kommenden Jahres", sagt Grob. Die letzten ausführlichen Zahlen stammen aus dem Jahr 2016. "Wir haben damals ermittelt, dass Studierende im Schnitt ungefähr 914 Euro monatlich zur Verfügung haben", sagt Grob. Etwa die Hälfte ihres Budgets bekamen Studierende dabei von ihren Eltern, etwa ein Viertel verdienten sie durch einen Nebenjob, zwölf Prozent kamen vom Bafög und ungefähr die gleiche Summe aus anderen Quellen wie zum Beispiel Stipendien, Krediten und Rücklagen.
Was feststeht: Die Lebenshaltungskosten sind seit dem Jahr 2016 deutlich gestiegen. Studierende müssen heute mehr Geld für dieselben Dinge bezahlen. Der sogenannte Verbraucherpreisindex zeigt, dass das Preisniveau seit dem Basisjahr 2015 bis heute um mehr als 18 Prozent gestiegen ist. Die logische Schlussfolgerung: Für WG-Zimmer, Mensaessen und Co. braucht man deutlich mehr als 1.000 Euro monatlich.
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Studierendenvertretung und Studentenwerk sind sich einig: Einmalig 200 Euro sei ein guter Schritt, aber keine Lösung für alle finanziellen Probleme im Studium. Langfristig müssten diese noch mehr über das Bafög-System unterstützt werden, um durch die Krise zu kommen. Zum Sommersemester wurde der Bafög-Höchstsatz von 861 Euro auf 934 Euro erhöht. Doch Studierendenvertreter:innen kritisieren, dass die Erhöhung von der Inflation gefressen werde.
Wer sich am Montag unter Mitgliedern der Ampel-Fraktionen umhört, bekommt nicht den Eindruck, dass hinter dem Betrag eine ausgefeilte Inflationsberechnung steckt. Was genau als Berechnungsgrundlage herangezogen wurde, bleibt unklar. SPD-Politiker Sönke Rix verweist jedoch auf das Gesamtpaket: "Man darf sich bei den Entlastungen nicht auf die Einmalzahlung verengen", sagt er. Auch FDP-Politikerin Gyde Jensen sagt, der Zuschuss sei nur "ein Teil des wunderbaren Blumenstraußes an Maßnahmen", von denen junge Erwachsene profitieren. Sie meint damit zum Beispiel das 9-Euro-Ticket aus dem vergangenen Entlastungspaket und die kürzlich beschlossene Bafög-Reform.
Neben der Gruppe der Studierenden werden in dem neuen Paket erstmals auch Rentner:innen bedacht. Sie bekommen jedoch 300 Euro. Dies sei den unterschiedlichen Lebenssituationen der Gruppen geschuldet, sagt SPD-Politiker Rix. "Während Studierende oft in Wohngemeinschaften leben, leben Rentner:innen in eigenen Wohnungen, oft sogar allein", sagt er. Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk sagt, die beiden Zuschüsse könne man nur schwer miteinander vergleichen. "Rentner:innen müssen ihre 300 Euro Einmalzahlung versteuern, die Studierenden nicht", sagt er.
Wer bisher noch kein Bafög bezogen hat, kann sich überlegen, jetzt einen Antrag zu stellen. Denn mit der Reform wurden die Elternfreibeträge angehoben. Das heißt, dass mehr Studierende einen Anspruch auf Bafög haben sollten, sagt auch Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. Studierende, die einen Nebenjob haben und dafür Steuern zahlen, könnten außerdem die Energiekostenpauschale von 300 Euro bekommen und Bafög-Empfänger:innen zusätzlich den Heizkostenzuschuss von 230 Euro.
Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks greifen rund fünf Prozent der Studierenden noch zu anderen Mitteln, um ihr Studium zu finanzieren: Sie leihen sich Geld aus ihrem nahen Umfeld, bewerben sich für Stipendien oder nehmen Studienkredite auf. "Studierende können sich auch an die Härtefonds und Darlehenskassen der Studierendenwerke wenden", sagt Grob. Um einen Studienkredit beim Studierendenwerk zu bekommen, muss man in der Regel nachweisen, dass man sein Studium nicht selbst finanzieren kann oder wegen einer Krankheit oder eines Unfalls finanziell benachteiligt ist.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Textes stand, dass die letzten ausführlichen Analysen zum Lebensbedarf von Studierenden im Jahr 2016 veröffentlicht wurden. Das ist falsch. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2016, der Bericht erschien 2017. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen. Die Redaktion