Wibke Roth

Gesundheitsjournalistin, Redakteurin, Trainerin, Gladbeck

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Resilienz stärken - so klappt's | eVivam

Stress hat viele Gesichter: Vielleicht flucht dein cholerischer Chef gerade lauthals im Flur über dein Projekt oder dein Feind namens Mathe sitzt dir vor einer Klausur im Nacken. Wenn du diesen Stress an dir abprallen lassen kannst, arbeitest du mit deiner psychischen Widerstandsfähigkeit. Die heißt Resilienz. Und die kannst du trainieren.


Du bist, was du denkst. Ist es wirklich so leicht? Im Hochleistungssport zählt mentale Stärke jedenfalls zu den wichtigsten Skills; sie zu optimieren, ist fester Bestandteil des Trainingsplans: Top-Athleten können und müssen sich geistig dazu bewegen, noch mehr Leistung zu bringen, erhaben sein über Kritik und Stress. Stählerne Top-Körper gibt es aber nicht ohne gesunde Seelen. Als sich Robert Enke 2009 das Leben nahm, wurde das dramatisch und plötzlich offensichtlich. Der Riss, der durch eine von Effizienz getriebene Fassade einer Hochleistungssport-Sparte lief, erlaubte danach Platz für ein neues Bewusstsein: dass nicht nur auf'm Platz wichtig is', sondern auch hinter der Kulisse.


Mental gestärkt im Spitzensport

Es hat sich etwas getan. Marion Sulprizio ist Psychologin am Psychologischen Institut der Sporthochschule Köln. Dort hat sie mit einem Team die Initiative namens MentalGestärkt aufgebaut. Der Untertitel ist Programm: Psychische Gesundheit im Spitzensport. Sulprizio: „Leistungssportler sollen mit bestimmten Techniken lernen, wie sie zum einen mit Stress wie Wettkampfdruck und Versagen umgehen, um etwa psychischen Problemen wie Burn-out vorzubeugen. Dazu bieten wir beispielsweise Workshops an. Zum anderen sollen Sportler mit klinischen Erkrankungen wie Depressionen oder Ängsten schnelle Hilfe erfahren. Konkret sorgen wir dafür, dass sie schnell und heimatnah einen Betreuer finden, der sie unterstützt."

Resilienz: Fang nie an aufzuhören, dich auf deine Stärken zu konzentrieren

Leistung, Persönlichkeitsentwicklung und psychische Gesundheit zählen zu den Hauptfeldern der Sportpsychologie. Marion Sulprizio: „Wie jemand mit Stress umgeht, ist mitentscheidend, ob er psychisch gesund bleibt oder wieder wird. Erheblich ist, sich auf seine Stärken zu konzentrieren. Jeder Mensch hat andere Stärken. In unseren Workshops lernen die Athleten unter anderem, sich mit ihren Stärken auseinanderzusetzen, aber ebenso zu akzeptieren, dass sie auch schwache Seiten haben. Jeder Jeck ist anders, sagt man hier bei uns."


Tipp 1: Fang nie an aufzuhören, dich auf deine Stärken zu konzentrieren, und hör nie auf anzufangen, sie zu suchen. Gilt auch für Otto-Normal-Sportler: Welche Ressourcen kannst du stärken?

Diese Stärken zählen zu deinem Potenzial, so wie auch Talente, Überzeugungen und Strategien. In der Neurolinguistischen Programmierung NLP, eine Sammlung von Kommunikationstechniken und Methoden zur Veränderung psychischer Abläufe, sind das innere Ressourcen. Zu den äußeren Ressourcen zählen zum Beispiel andere Menschen, Zeit oder Geld. Wenn du deine angestrebten Ziele erreichen willst, kannst du diese Ressourcen nutzen.


Das Stehaufmännchen-Prinzip: Resilienz lernen

Die Psychologin Bea Engelmann hält Vorträge über Resilienz. Eigentlich sind es eher Workshops; denn sie bezieht ihr Publikum zur Mitarbeit ein: Es steht auf und probt das, was sie vorne über das Stehaufmännchen-Prinzip erzählt. Es geht nämlich eigentlich darum, dass du lernen kannst, deine Stärken zu sehen, statt hauptsächlich deine Defizite. Das scheint eine Stärke in der Mitte unserer Gesellschaft zu sein: In dem griechischen Wort Kritik steckt nicht nur das, was schlecht gelaufen ist, sondern auch das Gute an der Sache.


Lauter gute Dinge: Loben, Lachen und einfach mal was anders machen

Bei der Veranstaltung geschehen lauter gute Dinge. Hast du schon mal deiner Arbeitskollegin gesagt, dass sie lösungsorientiert, selbstreflektiert und authentisch ist? Bei einem Kongress, bei dem Engelmann referiert, machen das Kollegen. Die stehen nebeneinander und loben sich. Und sie freuen sich. Du siehst sogar Rührung in den Gesichtern. Wenn du an so einem Vortrag teilnimmst, kann es sogar sein, dass du deiner Chefin sagst, dass sie zielstrebig, entscheidungsstark und - vielleicht, wenn du es ernst meinst - gelassen ist. Sie wird danach auch etwas zu dir sagen. Etwas von einer Liste mit Begriffen, die zeigen, wie vielfältig Stärken sein können - und wie wertvoll du bist.


Tipp 2: Integriere ein Lob-Ritual, ob für deine Kollegen oder für dich selbst, in deinen Alltag; du wirst merken, dass ein bisschen Eigenlob gar nicht stinkt, sondern gut tut. Vergiss doch mal zu denken: Vielleicht leichter getanzt als getan?

Übrigens tut es der Seele manchmal auch gut, einfach so Dinge zu tun, die nichts damit zu tun haben, ob du etwas gut oder schlecht machst; ob das, was danach rauskommt, von Erfolg gekrönt ist oder nicht. Julia Engelmann, die Tochter von Bea Engelmann ist Psychologie-Studentin. So stellt sie sich in ihrem bekannten Poetry-Slam-Werk „One day Baby we'll be old" vor. Der nächste Tipp stammt aus einem ihrer neueren Videos „ Lass mal 'ne Nacht drüber tanzen ".


Tipp 3: (...) Es gibt ja auch viel zu denken. Doch hat es noch keinem geschadet, sich ab und zu gut abzulenken. (...) Lass mal 'ne Nacht drüber tanzen. Erst danach stellen wir uns tapfer den ganzen gigantischen großen Gedanken. Die Gedanken sind frei. (...) Und wir tanzen. Bis wir vergessen, was mal war, und wir tanzen. Bis wir vergessen, welcher Tag ist, und wir tanzen. (...)
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