Mit einer Idee, die auch beim Plätzchenbacken zum Einsatz kommt, will dieses Start-up schon vor dem Nähen Müll vermeiden.
Vorweihnachtszeit ist Backzeit. Sterne, Tannenbäume und Herzen ausstechen, dazwischen möglichst wenig Platz lassen - das war immer Omas Devise. Doch während übriger Plätzchenteig in den Mündern von Naschkatzen landet oder einfach neu verknetet und weiterverwendet werden kann, lässt sich der Ausschuss in anderen Bereichen nicht so leicht weiterverwenden.
In der Modebranche wird dieser Ausschuss »Verschnitt« genannt. Grund sind die Schnittmuster; diese werden meist einzeln auf den Stoff gelegt und dann ausgeschnitten. Was übrig bleibt, landet auf dem Müll. Experten schätzen, dass so bei der Kleidungsproduktion rund 20% der Stoffe ungenutzt bleiben. Bei bis zu 12 Kollektionen, die laut Umweltbundesamt jedes Jahr in den Modeläden landen, kommt einiges zusammen.
Zu viel, wenn es nach Verena Stoppel und Arnold Gevers geht. Sie ist Soziologin, er ist Professor für Modedesign. Zusammen haben sie das Mode-Start-up AA Gold gegründet, mit dem sie den Zero-Waste-Ansatz in der Textilbranche etablieren wollen. »Mode reflektiert den Zeitgeist«, findet Gevers. »Wir denken, es ist an der Zeit, dass Design Teil der Lösung wird.«
Nicht erst seit Greta Thunberg machen sich viele Menschen Gedanken um das Thema Nachhaltigkeit. Der ressourcenschonende Umgang mit Lebensmitteln, Energie und nicht zuletzt Kleidung macht für ein bestimmtes Milieu mittlerweile den Lebensstil aus. »Viele Leute haben uns bestätigt, dass es ein guter Zeitpunkt für unser Projekt ist – das Interesse ist da«, sagt Gevers.
Stoppel und Gevers hatten eine simple Idee, mit der sie die Verschnittmenge reduzieren wollen: Anstatt alle Schnittteile, die für ein Kleidungsstück nötig sind, nebeneinanderzulegen, puzzeln sie die Schnittteile mehrerer Kleidungsstücke zusammen. Dadurch haben sie mehr Möglichkeiten, die Teile so zu arrangieren, dass kaum mehr Zwischenräume, also kaum Verschnitt, übrig bleiben. Eigentlich ist das nichts anderes als eine gut gelöste Rechenaufgabe. Wie bei Omas Plätzchenteig.
Heraus kamen nicht nur viel weniger Stoffreste, sondern auch die Kollektion Maxi Over. Die besteht derzeit aus 6 Unisex-Designs. Nächste Saison soll es ein Update geben – mit dem gleichen nachhaltigen Ansatz.
Auch in der Mode gilt: Der beste Abfall entsteht gar nicht erst
»Es braucht Pioniere, die neue, disruptive Ansätze testen«, sagt eine, die sich mit der Zukunft der Mode auskennt: Juliane Kahl leitet das Responsive Fashion Institute bei München und entwickelt dort Ideen, um Mode künftig nachhaltiger zu machen. »AA Gold zeigt, dass Nachhaltigkeit und cooles Modedesign zu vereinbaren sind.« Mit ihrem effizient gelösten Designprozess zeigen Gevers und Stoppel einen möglichen Weg auf. »Es gibt keinen Grund, warum nicht auch große Modeunternehmen diesen Designansatz übernehmen können«, findet Juliane Kahl deshalb. »Im Gegenteil: Mit der sich verändernden Ressourcensituation werden zeitgemäßere Konzepte eine Notwendigkeit.«
Arnold Gevers und Verena Stoppel haben diese Notwendigkeit erkannt. Die Entwürfe von AA Gold denken Abfallvermeidung schon direkt zu Anfang mit, wenn Mode in den Köpfen der Designer entsteht. Doch Stoppel und Gevers wollen mehr: Material, Produktionsbedingungen und nicht zuletzt der Vertrieb – alles soll möglichst nachhaltig gestaltet werden. Zu oft wird Kleidung mehrfach bestellt und Unpassendes zurückgeschickt – mancherorts nähert sich die Retourquote den 50% an.
Im Gespräch ist deshalb eine Tour durch ausgewählte Geschäfte im deutschsprachigen Raum: »Der Gedanke ist, den Kunden die Möglichkeit zu geben, die Kleidungsstücke zu sehen, sie anzufassen, anzuprobieren und dann bei uns zu bestellen.« Nur eben bewusst.
Denn es geht ihnen nicht um Verzicht, sondern um den respektvollen und effizienten Umgang mit Ressourcen.