Vanessa Materla

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Leere Betten, leere Kassen

Am 1. Juli hätte Lena Sabokat auf Abschlussreise fahren sollen. Nach Korfu, Party-Urlaub. Danach hatte sie verschiedene Tickets für Musikfestivals, eine Interrail-Reise durch Europa war geplant und ein Freiwilliges Soziales Jahr in Portugal. "Ich glaube, ich habe meine ganze Schulzeit auf die Reisen nach dem Abi hingefiebert und jetzt klappt wahrscheinlich nichts davon." Die Vorfreude auf den ersten Urlaub in Selbstständigkeit war so groß, wie die Enttäuschung jetzt ist: Reisewarnungen und die Absage von Großveranstaltungen waren das Aus für ihre Pläne. Knapp 700 Euro hatte die 18-Jährige allein für die Fahrt nach Korfu gezahlt, einen Großteil hat sie davon wiederbekommen. Sie hatte rechtzeitig storniert - einige ihrer Klassenkameraden bleiben dagegen auf 600 Euro Stornogebühren sitzen. Das Unternehmen kann es sich nicht leisten, allen Reisenden den vollen Preis zurückzuerstatten.

Für viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland stand in diesem Schuljahr ein Ausflug oder eine Klassenreise auf dem Plan, den die Corona-Pandemie durchkreuzt hat. Schullandheime, Studienreisen, Skilager - alles was nach März 2020 kam, musste abgesagt werden. Ob die Reisen und Ausflüge nachgeholt werden, ist angesichts der zahlreich ausgefallenen Unterrichtsstunden in diesem Schuljahr und der noch immer andauernden Ausbreitung des Virus ungewiss. Für bereits gebuchte Reisen fällt in vielen Fällen eine hohe Stornogebühr an, die Eltern und Schulen teilweise schon bezahlt hatten. Für sie greift in den meisten Bundesländern ein Kostenschirm der Landesregierung, der die Gebühren nach einigem bürokratischen Hin und Her übernimmt.

Eine abgesagte Schulfahrt ist ärgerlich und eine verpasste Bildungschance. Für die Gastgeber allerdings werden die ausgefallenen Reisen mittlerweile existenzbedrohend. Für Schullandheime, Campingplätze und Jugendherbergen ist die Lage so brisant geworden, dass das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) zu Beginn der Woche gemeinsam mit dem Deutschen Lehrerverband einen Rettungsschirm forderte. Die Stornierung aller bestehenden Buchungen, die ausbleibenden Neubuchungen und die laufenden Kosten hätten alle 14 regionalen Landesverbände des DJH in "massive wirtschaftliche Notlagen" gebracht.

"Die Schüler werden dieses Jahr nicht wiederkommen"

"Viele unserer Häuser leben von Klassenfahrten und Schulausflügen", sagt Justin Blum vom DJH. Zwar haben einige Jugendherbergen schon wieder geöffnet, aber durch die ausbleibenden Schülerinnen und Schüler sei die finanzielle Lage weiterhin schlecht. Seit drei Monaten verzeichnen die Landesverbände des DJH einen harten Umsatzverlust und momentan gibt es auch keine Aussicht darauf, dass sich die Situation bald entspannen wird. "Die Schüler werden dieses Jahr nicht wiederkommen und auch bei Ferienfreizeiten ist die Lage bisher noch unsicher", sagt Blum. Ein Drittel des Jahresumsatzes haben die Herbergen demnach schon jetzt eingebüßt - für eine gemeinnützige Einrichtung, die keine Rücklagen ansparen kann, eine ernst zu nehmende Bedrohung.

Manche Jugendherbergen werden nach der Krise nicht mehr aufmachen können, sagt Blum. In Rheinland-Pfalz, dem Saarland und im Landesverband Hannover sei es bei einigen Häusern schon so weit.

Eine Jugendherberge, für die es eng werden könnte, ist das Jugendgästehaus des CVJM Berlin. Bis zu 80 Schülerinnen und Schüler sind hier im Sommer gleichzeitig zu Gast - heute ist das Haus leer. "Normalerweise sind wir durch die Schulklassen komplett ausgebucht", sagt Gerd Bethke vom CVJM Berlin. Aber mit der Pandemie seien auch die meisten Gäste ferngeblieben. Bethke und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten alle Buchungen stornieren müssen - lediglich zwei Klassen hielten noch an ihrer Reservierung für August fest. "Die denken noch positiv."

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