Sie hat die Geschichte der Nachkriegs-BRD mitgeprägt wie keine andere Partei: Die SPD ermöglichte einer ganzen Generation den Bildungsaufstieg, sie leitete mit Willy Brandt die Wiedervereinigung Deutschlands ein. Und sie hat im Jahr 2003 - so glauben die meisten - der Wirtschaft hierzulande einen mächtigen Schub verpasst, indem sie aber gleichzeitig ihre sozialpolitischen Werte verriet. Mit der Agenda 2010 begann eine tiefe Spaltung, die der Partei bis heute in den Knochen steckt. Die SPD befindet sich nicht nur in einem Umfragetief, sondern in einer Sinnkrise.
Alles andere als sexy
Auch in Österreich, in Frankreich und in Schweden scheint die große Bewegung links der Mitte zu stagnieren. Experten wie Politiker sind sich einig: Die Sozialdemokraten in ganz Europa brauchen eine neue Erzählung, mit der sie wieder Wähler an sich binden können. Nur wie könnte diese Erzählung lauten? Zumal ja die ursprüngliche Zielgruppe dieser Erzählung, die industrielle Arbeiterklasse, in Europa mehr und mehr schwindet.
Junge Wähler müssen her. Doch viele von ihnen stehen den Widersprüchen, die so eine Volkspartei mit sich bringt, skeptisch gegenüber. Einerseits gibt sich die SPD liberal und ökologisch, damit spricht sie das Bildungsbürgertum an. Andererseits spielt sie schonmal mit rechtspopulistischen Ansichten, denn auch die haben unter den Sozialdemokraten - traditionell - eine Heimat.
Das Dilemma
Ohne die national denkenden Wähler fehlen der Partei wichtige Stimmen. Mit ihnen verschrecken sie fortschrittlich denkende Menschen zunehmend. Die Lösung wäre ein Kompromiss: Den muss die Partei finden - denn nur so könnte sie die Wähler, die sie an die AfD verloren hat, wiedergewinnen.
Wie die sozialen Probleme, zumindest in Europa, gelöst werden, ist heute keine nationale Frage mehr. Nur auf einer internationalen Ebene sehen Forscher wie Colin Crouch oder Gero Neugebauer noch Chancen, beispielsweise die Macht der Megakonzerne, die nirgendwo mehr richtig Steuern zahlen, zu begrenzen. Der Kampf um die richtigen Antworten auf die Verunsicherungen in der deutschen Gesellschaft hat längst begonnen.
Es ist ein Spiel auf Zeit, das die Sozialdemokratie nun mitspielen muss. Für eine Politik der Opposition bleibt unter diesen künftigen politischen Konstellationen wohl kaum Gelegenheit. Die SPD trägt den größten Teil der Verantwortung, um die politischen Verhältnisse in diesem Land wieder zu beruhigen.
Zündfunk Generator, Sonntag, 26. Juni 2016 Bayern 2, 22:05 Uhr