Thomas Hürner

Journalist und Autor, München

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Surfen im Eis : „Wenn etwas schiefgeht, dann gibt es kein Krankenhaus"

Chris Burkard ist kein gewöhnlicher Fotograf und Filmemacher. Er liebt die Grenzerfahrung, das Abenteuer und auch das Unerwartete. Nein, er lebt sogar dafür. Für seine Passion hätte er in den Lofoten, in einem kleinen, abgelegenen Fjord innerhalb des Polarkreises, bei einem Schneesturm einst fast sein Leben gelassen. Bis auf minus 23 Grad fiel die Temperatur, das Blut zog sich aus den Gliedmaßen zurück, die inneren Organe wurden nicht mehr richtig versorgt. Burkard überlebte und machte sich bald wieder auf die Reise. Was ihn so sehr daran reizt, sind nicht nur die perfekten Schnappschüsse oder einzigartige Motive, erzählt er, sondern auch, dass man in dieser Stille Gott begegnen, völlig in seine schöpferische Kraft eintauchen könne.

Immer wieder zieht es den gebürtigen Kalifornier für seine Projekte an kalte, menschenleere Orte. So auch bei seinem neuen Film „Under an Arctic Sky", den er seit dem 28. August in einer Europa-Tour in zehn verschiedenen Städten und Ländern präsentiert. Der etwa 40 Minuten lange Film wurde in den abgelegenen Fjorden des isländischen Hornstrandir-Naturschutzgebietes gedreht. Wie bei den meisten Projekten Burkards steht auf den ersten Blick das Surfen im Vordergrund, aber das eigentlich Beeindruckende, das, weshalb die Interessierten so zahlreich in die Säle strömen, ist das Drumherum: Die Nordischen Lichter, die gewaltige und noch unberührte Natur. Die meisten im Publikum sind Outdoor- und Fotografiefans, keine Surfer.

Das Motiv des Surfers sei lediglich eine gute Ausrede gewesen, um die außergewöhnlichen Plätze zu finden, so Burkard. Es sei nie ihm nie darum gegangen, die perfekte Welle zu finden. Wenn überhaupt, dann solle durch den Film wieder daran erinnert werden, wo der Ursprung dieses einst abenteuerlichen Sports lag: „Es gibt dieses Stigma, dass die besten Plätze zum Surfen in warmen, tropischen Gebieten sind", sagt Burkard. „Wir wollen zeigen, dass es eigentlich um die Erfahrung selbst geht und es noch so viel mehr aufregende Orte dafür gibt. Orte ohne Massenveranstaltungen mit tausenden Zuschauern am Strand."

Elli Thor Magnusson, ein isländischer Fotograf und guter Freund von Burkard, hatte ihm von der abgelegenen Region im Nordwesten von Island erzählt. Er sei gleich begeistert von der Idee gewesen, sagt Burkard. Vor der Reise musste aber erst ein geeignetes Team zusammengestellt werden. „Das Wichtigste ist, dass alle vollstes Vertrauen ineinander haben", sagt Burkard. „Wenn etwas schiefgeht, dann gibt es kein Krankenhaus in der Nähe. Wir sind da draußen komplett auf uns alleine gestellt."

Perfekte Wellen neben riesigen Eisbergen

Die Crew erlebte die volle Intensität des isländischen Winters, während der Dreharbeiten brach der schlimmste Sturm in der Region seit 25 Jahren über sie herein. Es seien aber genau diese Erlebnisse, die Dunkelheit und die extremen Bedingungen, die etwas entstehen lassen, was es so vorher noch nicht gab, sagt Burkard. „Es gibt dir einfach ein unglaubliches Gefühl, durch dieses stürmische Erlebnis zu gehen." Und es sind auch unglaubliche Bilder, die so entstanden sind: Surfer, die sich mit dem Brett in der Hand durch einen Schneesturm kämpfen. Wellenreiter, die unter Nordischen Lichtern übers Wasser gleiten. Perfekte Wellen neben riesigen Eisbergen.

Zwei Jahre haben die Arbeiten nach dem Trip gedauert, um das gewonnene Filmmaterial zu einer Geschichte mitsamt der passenden musikalischen Untermalung zusammenzufügen. Am Donnerstag wird der Film noch mal in Stuttgart gezeigt, damit soll die Tournee aber nur in Europa vorbei sein: „Under an Arctic Sky" wird auch noch in Australien, Südamerika und in ausgewählten Ländern Asiens gezeigt. Man darf gespannt sein, wo die Reise von Chris Burkard danach hingeht.

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