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torial Blog | T-online & Co.: die unterschätzte Macht der Mail-Medien

Screenshot t-online 22.06.15

Der Online-König heißt Bild.de, Spiegel.de oder Zeit online? Nicht ganz. Auf Platz Eins steht unangefochten das Email-Portal T-online. Die „Mail-Medien" zu denen auch Web.de und GMX gehören, bedienen unterschiedliche Ressorts und Themen, die Schlagzeilen sind aber auch oft politisch. In der Debatte um publizistische Relevanz tauchen sie hingegen kaum auf.


27 Millionen Leute zieht es laut Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung pro Monat zu T-online. Das Portal erreicht damit 49% aller deutschen Internet-User*innen. Das ist deutlich mehr als das zweit platzierte Angebot Bild.de erreicht. Andere große Mail-Medien sind die Schwesterportale Web.de (14 Mio.) und Gmx (11 Mio.). 9 Mio. Nutzer*innen besuchen zudem das Angebot von Yahoo Deutschland und 7 Mio. das Microsoft-Portal MSN Deutschland, die beide etwas ähnliches machen.


Sie alle haben um die Login-Funktion für Emails herum mit der Zeit ein großes und hochprofessionelles Medienangebot gebastelt. Teilweise werden mehrere hunderte Text-, Bild- und Video-Beiträge pro Tag veröffentlicht, und es gibt große Redaktionen mit fest angestellten Journalist*innen. Die Inhalte sind eine Mischung aus Eigenproduktionen, Agenturmeldungen und Content-Übernahmen durch Medien-Partnerschaften.


T-online: der König der Mail-Medien

Das Portal T-online wird monatlich von 27 Mio. Leuten besucht. Rund 140 fest angestellte Redakteure arbeiten für T-online, erzählt Sabine Bryan, PR-Managerin von T-online. Damit sei T-online eine der größten deutschen Online-Redaktionen. Es gibt 13 Themenportale wie Nachrichten, Wirtschaft, Sport, Gesundheit oder Auto. Einige „Verticals" mit klarer Zielgruppe liefern eigene Inhalte, etwa das Männer-Lifestyle-Magazin Wanted.de oder das Haus-und-Garten-Portal Zuhause.de. Etwa die Hälfte der redaktionellen Inhalte stamme von Agenturen, so Bryan, 25% sei redaktionell selbst erstellter Content, 15% stamme von externen Autoren und 10% basiere auf Partnerschaften, beispielsweise mit Spiegel online. Insgesamt veröffentliche man auf t-online.de täglich rund 500 Artikel und Videos.

Es gibt eine „Schlagzeilen"-Rubrik, in der teilweise im Minutentakt Meldungen von Nachrichtenagenturen veröffentlicht werden. Die Aufmacher-Geschichte ist oft politisch. Zur Zeit geht es immer wieder um Griechenland, letzte Woche kam in einem "Live-Blog" etwa der konservative CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok zu Wort, der in einem Teil der griechischen Regierung „alte Kommunisten" erkennt, „die jetzt versuchen, den Bürgerkrieg von 1949 zu gewinnen".

T-online ist eine Tochter des Telekom-Konzerns, der zu rund einem Drittel noch in direktem und indirektem Staatsbesitz ist. Damit ist die Bundesrepublik ein bedeutender Anteilseigner beim Reichweiten-stärksten deutschen Onlinemedium. Diese Konstellation mag nicht jedem gefallen.


Web.de und gmx.de: zwei Schwesterportale 

Der Konzern United Internet betreibt die beiden nächst größeren Mail-Portale Web.de und Gmx, die inhaltlich größtenteils identisch sind. Web.de erreicht monatlich 14 Mio. und gmx.de 11 Mio. Leute. Die Inhalte für beide Angebote sowie für das kleinere Portal von 1und1.de werden in einem gemeinsamen, zentralen Newsroom erarbeitet, erzählt Martin Wilhelm, Pressesprecher Portale 1&1 Internet AG (eine Tochter von United Internet).

Es gibt tägliche Themenkonferenzen, und die Redaktion ist in den vier Ressorts Nachrichten, Sport, Unterhaltung und Consumer organisiert. Die meisten Inhalte recherchiere und produziere die Redaktion selbst, so Wilhelm. Drei Viertel der Seitenaufrufe entfallen auf Inhalte aus der Redaktion oder werden von freien Autoren geschrieben. Man arbeite aber auch in einem eigenen „Blog-Bereich" mit Bloggern zusammen. Und Inhalte stammen auch von Nachrichtenagenturen oder von Content-Partnern wie Spiegel online, RTL Pro Sieben und anderen.

Auf der Startseite wechseln sich jeweils drei Aufmacher ab: in einer Klatsch-Geschichte geht es um einen Streit zwischen den Schauspielern Til Schweiger und Elyas M'Barek. Die zwei weiteren Stories drehen sich um Griechenland, einmal um die Günther-Jauch-Sendung des Vortags, und es gibt eine Zusammenstellung bisheriger Griechenland-Berichterstattung.


Mail-Medien als publizistische Kräfte? 

„Unsere Redaktion arbeitet nach journalistischen Standards und mit hohem eigenen Anspruch." beantwortet Martin Wilhelm die Frage nach der publizistischen Relevanz. Über diese Relevanz würden aber die User selbst entscheiden. Er verweist unter anderem auf den aktuellen MedienVielfaltsMonitor der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien. Demnach nimmt United Internet durch die Kombination der Mail-Medien Web.de und Gmx.de den dritt größten Anteil am Medienmeinungsmarkt Internet ein: hinter den Angeboten des Springer- und Bertelsmann-Verlags und vor Burda, der ARD und ProSiebenSat1, drei Giganten des deutschen Medienmarktes.


Auch T-online versteht sich als journalistisches Medium, das Email und Service-getriebene Ratgeber-Themen anbietet: „Die Nutzung unserer News- und Magazin-Inhalte ist mit rund 73 Prozent Hauptbesuchsgrund unserer User - noch vor E-Mail und anderer Services.", so Pressesprecherin Sabine Bryan auf die Frage. „Unsere Nachrichten erreichen nämlich genau durch diese Kombination monatlich über 27 Millionen Leser - unseres Erachtens ist die Frage nach der publizistischen Relevanz damit am besten beantwortet." Trotz der enormen Reichweite sehe sich T-online aber nicht als Angebot, das Agenda-Setting für andere Medien betreibe. Man habe vor allem die Nutzung und die Ansprüche des T-online-Publikums im Auge und gehe aktiv darauf ein.


In der öffentlichen Diskussion tauchen die Mail-Medien als publizistische Kräfte kaum auf. Das ist nicht nachzuvollziehen. T-online erreicht die Hälfte aller deutschen Internet-Nutzer*innen, und auch Web.de und Gmx lassen in puncto Nutzungs-Zahlen viele anerkannte, journalistische Marken alt aussehen. Auf den bunten Portalen finden Klatsch und Ratgeber-Inhalte Platz, hier werden aber auch die großen, ideologischen Themen der Politik verhandelt: der Griechenland-Streit, die Ukraine-Krise und der Bahn-Streik. Für viele Menschen liefern sie die täglichen Informationen über Politik und Gesellschaft. Die Mail-Medien sind bisher ein blinder Fleck in der deutschen Medien-Debatte.

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