Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Vogelglück im Landsberger Schrebergarten

Landsberg - Ein Schrebergarten dient einerseits der Selbstversorgung, andererseits der Erholung. Das steht auch die Gartennutzung des Kleingartenvereins Landsberg fest. Konkret bedeutet das: Die Hälfte der Bodenfläche - ohne Gartenlaube - muss für den Obst- und den Gemüseanbau genutzt werden. Dass das kein Widerspruch zu einem vogelfreundlichen Garten sein muss, zeigt der Schrebergarten von Petra Allgaier in der Kleingartenanlage an der Frieseneggerstraße. Vor vier Wochen hat sie die Plakette mit dem orangenen Vogel auf grünem Grund erhalten. Damit ist sie die Nummer 16 im Landkreis, die sich an der Aktion des LBV und des Landesamtes für Umwelt (LfU) erfolgreich beteiligt hat.

Allgaier hat Glück gehabt: Seit sechs Jahren hat sie eine der Parzellen an der Frieseneggerstraße. Vor einem Jahr wurde die Nachbarzelle frei: Allgaier hatte die Chance zu erweitern - die sie und ihr Mann auch ergriffen haben. Ihre Parzelle ist jetzt rund 150 Quadratmeter groß, mit zwei Lauben, vielen Hecken und Sträuchern und auch einem alten Apfelbaum. Schon am Gartentürchen begrüßt den Besucher der Ruf einer Amsel, die es sich, nicht wirklich scheu, in einer der hohen Hecken bequem gemacht hat. Wie in einem kleinen Labyrinth versteckt sich dahinter ein Tisch mit zwei Stühlen, im Halbschatten der Apfelbaum­äste darüber. Hier lässt sich sein. Die Kleingarten-Aufgabe ‚Erholung' ist also schonmal abgehakt.

Bleibt der Obst- und Gemüseanbau. Der Schrebergarten ist nicht unterteilt in ‚Vogel-' und ‚Gemüsegarten': An mehreren Stellen sind Beerensträucher gesetzt, zwischen Kräutern und Wildpflanzen liegen die ersten Zucchinifrüchte, Stangenbohnen wachsen zwischen Ringelblumen empor, eine Gurke klettert neben dem Lavendelbusch. Auch Brennesselsamen kann man essen, weiß Allgaier, zum Beispiel im Salat - der auch aus den Blättern der Nessel gut schmeckt. Insofern: Die Hälfte der Fläche für Obst und Gemüse - oder eben Essbares - zu nutzen und trotzdem ein Eldorado für Vögel zu bieten, ist kein Hexenwerk. Und macht weniger Arbeit: „Ich bin hier nicht jeden Tag", sagt Allgaier. Sie gieße eigentlich nur die Tomaten und Gurken. Die anderen Pflanzen eher nur sporadisch: „Die wachsen dann eben etwas spärlicher." Ihre Gartenarbeit besteht eher aus Zupfen und ab und zu etwas ausreißen als aus atemraubendem Hacken und Umgraben. Rasenmähen erübrigt sich. Rasen existiert nicht.

Dass ein Schrebergarten ursprünglich nur der Selbstversorgung diente, ist auch Hans Streicher von der LBV Kreisgruppe Landsberg bewusst. Weshalb es natürlich absolut in Ordnung und auch gut sei, wenn die Pächter der Parzellen die ganze Fläche für den Anbau nutzten. Und dass Kinder auf einem kleinen Stück Rasen besser spielen können, geschenkt. Dennoch, es gebe in jedem Garten Ecken, die man verwildern lassen könne. Und die dann den Insekten und Vögeln als Lebensraum dienten.

Frosch und Eidechse

Als Allgaier den Garten übernahm, wuchsen hier Polsterstauden, Bodendecker, dazu ein paar Beerensträucher und der Apfelbaum. Eine alte Thuja musste gefällt werden, weil sie zu hoch für den Schrebergarten war. Der stehengebliebene, gut eineinhalb Meter hohe Stamm dient als natürliches Insektenhotel.

Nach und nach veränderte Allgaier den Garten, pflanzte eine Felsenbirne, Kräuter, Gemüse, Hecken. Letztere müssen weder quadratisch praktisch noch ebenmäßig kugelig sein: Sie wachsen, wie sie wollen, ab und zu gestutzt. In einer Ecke hat Allgaier eine kleine Wasserstelle angelegt: „Da lebt inzwischen ein Frosch." Auch eine Eidechse ist ihr kürzlich über den Weg gekrabbelt. Unterm Apfelbaum wächst Wiese mit wildem Dost, einmal im Jahr geschnitten - mit der Grasschere.

Schauen, was wächst

An einer Stelle hat wächst eine Kardendistel mit ihren trichterförmigen Blättern, in denen sich Wasser sammelt - ein natürliches Inesktenbad. „Im Lauf der Zeit verändert sich immer wieder was", sagt Allgaier. „Die Kardendistel hat sich ihren Platz auch selbst gesucht." Wenn sie eine Pflanze nicht kenne, warte sie immer erst einmal, anstatt sie auszureißen. Und auch in den Ritzen der wenigen Pflasterflächen grünt und sprießt es. Die vielen Blüten im Garten sind wilde, ungefüllte, denn nur die bilden Samen und den Vögeln somit als Futter. Zum Beispiel die knapp zwei Meter hohe Rhabarberblüte. Und weil hier so viel Nahrung wartet, haben im Nistkasten an der Wand der Laube dieses Jahr Meisen gebrütet, erzählt die Schrebergärtnerin. Im Insektenhotel-Holzbalken daneben sind einige der Löcher abgedichtet: Brutstätte für Insekteneier.

Auch ein paar nichtheimische Pflanzen sind da: Pfingstrosen, ein Schmetterlingsflieder. Kein Problem, sagt Streicher. Der Flieder schmecke den Insekten ja auch. Und selbst die Kartoffel war schließlich früher keine hiesige Pflanze. Streicher sieht das pragmatisch: „Solange mindestens ein Drittel der Vegetation noch heimische Arten sind, ist das in Ordnung."

In Allgaiers Schrebergarten gibt es auch einen Komposthaufen, etwas, das Streicher begrüßt: „Ein Eldorado für Blindschleichen und andere Tiere." Die lieben die Wärme, die beim verrotten der Pflanzenabfälle entsteht. Nach einem Jahr hat man dann auch noch beste Erde. Die aber bitte nicht m Juni holen, sagt Streicher. Eher im Frühjahr, wenn die Blindschleiche die dann kalte ‚Bude' verlassen hat.

Die Parzelle neben Petra Allgaiers ist ungemein ordentlich: genau begrenzte Gemüsebeete, eine große Fläche mit nahezu englischem Rasen, die Laube frisch gestrichen. Ein ziemlicher Kontrast zu Allgaiers ‚Wildnis'. „Manche sagen dann ja, da gehört mal wieder aufgeräumt", weiß Streicher. Bisher hat sich bei der ungewöhnlichen Schrebergärtnerin aber noch keiner beschwert.

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