Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Ein Hoch auf die wilden Ecken

Finning - Das Grundprinzip für einen vogelfreundlichen Garten hat schon Darwin benannt: „Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand." Hans Streicher von der LBV-Kreisgruppe formuliert es etwas lässiger: „Einfach mal den Garten auf sich wirken lassen, anstatt ständig auf ihn einzuwirken." Ein Prinzip, dass die Sterns in Finning in ihrem knapp 1.000 Quadratmeter großen Garten verwirklicht haben: abgestorbene Baumstämme zwischen blühendem Holunder, wilde Girschecken, eine Wildwiese unterm Apfelbaum. Weil sie Lässigkeit mit Garten verbinden, wurde ihre ‚grüne Lunge' als erster von inzwischen 16 Gärten im Landkreis von LBV und bayerischem Umweltamt (LfU) mit dem orangenen Vogel auf grünem Grund, der Plakette „Vogelfreundlicher Garten" ausgezeichnet.

Die Plakette begrüßt die Besucher schon an der Gartenpforte - mit passendem Sound: Vogel­zwitschern aus allen Ecken. Am Hausdach hängt ein Spatzen-Reihenhaus - es sind Koloniebrüter -, Fledermauskot am Boden zeigt, dass sich hier rund 70 Fledermäuse pudelwohl fühlen. An einem flachen Hang blüht auf der Wildwiese das orangene Habichtskraut neben pinkfarbenen Nelken, der Grashüpfer klettert wie bestellt durchs Grün, dahinter grüßt die erste ‚wilde Ecke': „Als wir vor elf Jahren eingezogen sind, war das alles asphaltiert", erzählt Sabine Stern. Jetzt ist es ein angekiester Boden, durch den ein kleiner Weg führt. Davor liegt Pflaster, natürlich durchlässig, aus einer der Ritzen streckt sich rosafarbener Mohn gen Himmel. Doch das ist erst der Anfang. So richtig vogelfreundlich wird der Stern-Garten im hinteren Bereich, einem weitläufigen Areal samt Tierbereich mit Enten und Hühnern.

Laubbläser geht gar nicht

Die aufgrund des Bienen-Volksbegehrens entstandene Initiative von LBV und LfU läuft für drei Jahre, sagt Streicher. Wer sich bewerben möchte, muss einen Fragebogen beantworten, mit Must- und Can't Haves: bitte Insektenvielfalt - die brauchen die eigentlich vegetarisch lebenden Vögel für die Brutaufzucht -, bitte wilde Ecke und Beeren; auf keinen Fall Pestizide. Und Mähroboter oder Laubbläser sind No-Gos. Ansonsten wird abgefragt, was im jeweiligen ‚Garten-Kandidat' zu finden ist. Für jedes Abhaken dieser Kriterien verteilt der LBV eine symbolische Feder. Wer von 60 möglichen Federn 25 erreicht, bekommt die Plakette mit dem orangenen Vogel. Und er erklärt sich bereit, ab und zu seinen Garten herzuzeigen. So wie die Sterns es gerade tun.

Geplant ist deren Garten nicht. „Es hat uns alles auch ein wenig überrollt", sagt Helmut Stern. Wobei die nötige Arbeit für den vogelfreundlichen Garten nicht mehr sei: „Die Nachbarn mähen jede Woche ihren Rasen. Die Arbeit haben wir nicht." Im abgetrennten Tiergehege sorgen die hungrigen Enten für einen nahezu englischen Rasen („Da hat Löwenzahn einfach keine Chance!"). Im Restgarten wird nur wenige Male im Jahr gesenst, immer nur Teile, sodass Insekten zu jeder Zeit Unterschlupf und Nahrung finden. Streicher nennt ein weiteres Handlungsprinzip für den Vogelgarten: „Alles, was ich nicht schaffe, lasse ich." Entspannt sein, Toleranz gegenüber dem Willen der Natur zeigen.

Der Garten ist durchzogen von Obstbäumen, an denen Futterstellen für Vögel hängen - samt Katzengürtel, einem Stachelring, der um den Baumstamm gelegt die Katzen vom Klettern abhalten soll. Was das Füttern der Vögel angeht: gerne bis Ende der Brutzeit. Und am besten die Pflanzen ausblühen und Samen bilden lassen, über ersteres freuen sich Insekten, die dann als Nahrung der Vögelbrut dienen, während die Eltern Samen knab­bern. Am Baum hängt ein Dekoschaf mit echter Wolle, inzwischen etwas gerupft: Es dient als Nistmaterialspender. Dazu gibt es bei den Sterns auch noch den Flaum der Enten und Hühner. Auf Podesten stehen Vogeltränken, aus rauem Beton, „damit Insekten die Chance haben, sich zu retten", erklärt Helmut Stern. Die sollte man regelmäßig nachfüllen und auch saubermachen, sagt Streicher. Darüber freuen sich hier zahlreiche Vogelarten. Und wenn der Sperber nach jungen Spatzen lechzt, vertreiben ihn die Stare.

Im hinteren Gartenteil steht ein Gewächshaus, davor haben die Sterns ein kleines Gelände abgesteckt: Hier nisten Sandbienen im Boden, kleine ‚'Vulkangipfel' zeugen davon. Den sandigen Boden mögen auch die Vögel: Neben Kohlrabi und Co. sind kleine Erdkuhlen zu sehen, die nicht nur die Spatzen für ausgiebige Sandbäder nutzen.

Davor stehen Hochbeete, in denen sich neben Gemüse auch Borretsch, Kräuter tummeln, daneben steht eine monumentale Brennnessel. Eine Bobby-James-Rose ergießt sich über den kleinen Schuppen, an dem ein Insektenhotel hängt: ein Holzbalken mit rund 800 Löchern verschiedener Größe, weiß Helmut Stern. Er hat sie schließlich alle eigens gebohrt. „Wichtig beim Insektenhotel: kein Nadelholz, das verharzt, und kein Stirnholz", erklärt Streicher. Kleine Löcher - Ziegelsteine dienen deshalb nur als Halter für Strohhalme. Fichtenzapfen sind Unsinn, Lehmklötze zu hart. Und die Löcher bitte so tief wie möglich bohren, mindestens das Zehnfache ihres Durchmessers.

Die Arbeit - und auch das ‚Sein-Lassen' - der Sterns zahlt sich aus. Durchs Vogelgezwitscher und Insektengesumme schwirrt eine Libelle, die sich über den Teich freuen wird, den die Sterns noch anlegen wollen. Vielleicht zieht mal ein Specht in den alten Fichtenstamm ein, oder in die alte Zwetschge, die kaum noch Früchte trägt, aber dennoch bleiben darf. Man könnte sich jetzt einfach so hinsetzen, lauschen und beobachten. Langweilig wird einem da sicher nicht.sug

Infos zum „Vogelfreundlichen garten" unter www.lbv.de/mitmachen/fuer-einsteiger/projekt-vogelfreundlicher-garten.

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