Susanne Greiner

Journalistin, Landsberg am Lech

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Der dreifaltige Winnetou

Landsberg - Jochen Malmsheimer ist großartig. Punkt. Stimmgewaltig und hochkonzentriert spielt er mit Worten, liebkost sie, wiegt sie ab und entlässt sie im Sprachgewitter auf die Ohren der Zuschauer. Die mussten auch am Sonntagabend im Stadttheater hochkonzentriert zuhören, als der Essener Kabarettist mit seinem Programm „Dogensuppe Herzogin - ein Austopf mit Einlage" auf Einladung der Kleinkunstbühne s'Maximilianeum die Hirnzellen herausforderte. Denn wer will schon eine seiner hintergründigen Pointen verpassen?

Malmsheimer sieht immer ein wenig grimmig aus. Das liegt sicher am Vollbart - oder daran, dass er mit seiner Gattin einen Kurztrip nach Venedig machen muss. Im Bus! Von Salzgitter-Ringelheim aus! Unvorstellbare Qualen, Enge - wegen gewissen Personen in „bewusst dreidiemensionaler Anmutung" -, Idiotie mit Tupperware, kaum erträgliche olfaktorische Reize aus „krustigen Sockenpaaren" und dazu noch Jugendliche, die die Rückbank zum bass-wummernden Höllenvorhof verwandeln... Kein Wunder, dass sich Reisender Malmsheimer in die „Starre einer Sülze" begibt oder ins Reich der Träume flüchtet.

Da sind Erinnerungen an die Kindheit, Enterprise, Daktari, natürlich Winnetou und Lex Barker mit Hatatitla und Iltschi - schon wenn Malmsheimer diese Namen ausspricht, bricht der Saal in Lachsalven aus. Denn der 60-Jährige kann allein durch Mimik und Betonung Worten Komik einhauchen. Er labt sich an den Doppeldeutigkeiten von Wörter und scheint sie im Mund zu schmecken, bevor er sie ins Freie entlässt.

Ein anderer Traum nimmt gar halluzinogene Züge an - was wohl am muffig riechenden Kartoffelsalat aus der Tupperbox liegt, der dem reisenden Malms­heimer aufgezwungen wird. Ein Reich der Literatur und Geschichte tut sich im Hirn auf: Robin Hood, Lukas und Jim Knopf, Martin Luther, von Blähungen gepeinigt, Winnetou ist gleich dreifach vertreten: Zu ihm stoßen Winneone und Winnethree, was manch Win-Win-Win-Situation ergibt. Allen gibt Malmsheimer einen eigenen Charakter und eine eigen Stimme, wechselt diese rasant - nur wenn ihm dieser Fehler, der ewig gleiche, wieder auf die Zunge kommt, unterbricht er die Wortsalve - und lacht, laut und schallend.

Wie humoresk Malmsheimer seine Helden auch gestalten mag: Sie sind mit ihren Tugenden, ihren Taten, ihren Gedanken und auch ihrer Fehlbarkeit „die machtvolle Präsenz dessen, wofür Literatur steht. Denn Lesen ist der Zugang zur Welt."

Dass ihn die literarischen Genossen heimsuchen, daran ist der Kabarettist selbst schuld: Hat er doch nach Helden gerufen, gegen die „geistfernen Zeiten", gegen Rassismus, Hass, Ignoranz. Lesen helfe da. Doch wie soll er das verkünden? Literarische Figuren hätten ihm das ins Ohr geflüstert? Man könnte ihn für wirr halten. Besser wäre es, flüstern seine Helden, alles als Traum auf einer Busreise nach Venedig zu verpacken - ausgelöst durch ranzigen Kartoffelsalat. Und wenn jemand frage, warum er das mache? Weil er darum gebeten wurde.

Malsheimer ist also Kabarettist im Dienste der Literatur. Sie bestimmt ja gar sein Programm. Und so wird sein „Austopf mit Einlage" eine leidenschaftliche Ode auf den Geist, auf Bildung - eine wortgewaltige Liebeserklärung an die Literatur.

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