Susanne Dembsky

Redaktion, Text, Konzept, Berlin

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Reportage

Püree for peace

Juni 14, 2016

Trendcheck Hummus- Püree for peace

Orientalisch. Schon das Wort birgt einen Zauber in sich. Vor allem die Märchen aus 1001 Nacht schufen, was man die Magie des Orients nennt. Das war einmal. Doch ein Schatz ist dem Orient geblieben: seine Küche – mit ihren Früchten, ihren Kräutern, ihren Gewürzen. Kardamom, Sternanis, Zimt, Kreuzkümmel, Safran, Berberitzen, Minze, Nüsse – sie können mit ihren exotischen Düften und Aromen den verloren geglaubten Zauber zum Leben erwecken, uns mitnehmen auf eine kulinarische Reise. Erst recht mit so leidenschaftlichen Reiseführern wie dem israelischen Koch und Buchautor Yotam Ottolenghi. Ihm ist es zu verdanken, dass die orientalische Küche einen Boom erlebt. Er führt uns kulinarisch auch durch Länder, deren Feindschaft Familien auseinanderbrechen ließ. Er lebt vor, dass Essen verbinden kann. So hat er sein Kochbuch „Jerusalem“ nicht allein geschrieben, sondern mit seinem Geschäftspartner Sami Tamini – einem Palästinenser!
Wichtiger Klebstoff für eine Verbindung, die der Politik nicht gelingen will, ist dabei ein unscheinbares orientalisches Püree, nach dem Israelis, Palästinenser, Libanesen und Syrer gleichermaßen verrückt sind: Hummus. Der Name bedeutet auf Arabisch nichts anderes als Kichererbse. Sie ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt, reich an Eiweiß und ungesättigten Fettsäuren. Wer auf die Idee kam, Kichererbsen zu Brei zu kochen und sie mit Tahini zu verrühren, einer Paste aus fein gemahlenen Sesamkörnern, dazu gibt es unzählige Theorien. Sicher ist nur, dass Hummus im arabischen Raum erfunden worden ist. Cremig, nussig und erdig verführt dieses Püree den Gaumen. Und ist damit einer der wenigen grenz- und religionsübergreifenden gemeinsamen Nenner im Nahen Osten.

Die Kunst der Zubereitung

Hummus braucht nur fünf Zutaten: Kichererbsen, Tahini, Zitrone, Salz und Olivenöl. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht: Kleine oder große Kichererbsen? Acht Stunden einweichen oder gar länger? Kichererbsen enthäuten oder nicht? Das Kochwasser zum Aufrühren benutzen – oder besser frisches, eiskaltes Wasser nehmen? Tahini aus geschältem oder ungeschältem Sesam? Vom Tahini nur wenige Löffel? Oder dieselbe Menge wie bei den Kichererbsen? Knoblauch ja oder nein? Wie viel Zitronensaft? Einige fügen noch Kreuzkümmel hinzu. Ein regelrechter Kult wird auch um die Zubereitung getrieben. Sämig, körnig, samtig oder seidig – welche Konsistenz ist die beste? Genießt man Hummus kalt oder erwärmt, wie die Palästinenser ihn bevorzugen. Jede Region, jede Familie hat ihr Rezept. So friedensstiftend Hummus sein mag, so lebhaft wird über ihn debattiert. Jeder hat etwas beizutragen, jeder glaubt zu wissen, wo es den besten Hummus gibt. Am liebsten unterhält man sich darüber, während man gemeinsam aus einem Teller Hummus löffelt oder mit Fladenbrot aufnimmt.
Dass nun auch in Deutschland das Hummusfieber ausgebrochen ist, liegt nicht zuletzt an den vielen jungen Israelis, die es nach Berlin gezogen hat. Mitgebracht haben sie ihr Nationalgericht. In der deutschen Hochburg der Vegetarier und Veganer hat Kichererbsenpüree natürlich beste Bedingungen für eine Karriere. Es eröffnen immer mehr israelische Restaurants, die dem Lebensstil und Geschmack einer neuen Generation gerecht werden wollen.

Die Restaurants-Trends

Hummus wird in der Hauptstadt in großer Vielfalt angeboten: pur und fleischfrei mit Roter Bete oder geröstetem Gemüse, aber auch als Unterlage für pikant gewürztes Lamm, Rind oder Huhn. Üblicherweise streut man Petersilie, Minze, Paprikapulver drüber, und ein Schuss Olivenöl darf auch nicht fehlen. Zum Dippen nimmt man Fladenbrot. „Im Norden Israels wird Hummus auch mit einer frischen Zwiebelscheibe gelöffelt“, erzählt Oz Ben David, der mit seinem palästinensischen Partner Jalil Dabit das Hummus-Restaurant „Kanaan“ in Prenzlauer Berg eröffnet hat.
Direkt vom Streetfood-Markt in Tel Aviv brachte die in Wien lebende Israelin Haya Molcho das köstliche Sabich in ihr fröhlich-buntes Restaurant „Neni“ in Berlin. Sabich ist ein erfrischender Mischmasch aus Hummus, gebackenen Auberginen, pochiertem Ei, Tomaten-Chili-Koriander-Pesto und scharfwürziger Mangosauce. „Meine Küche ist von Einflüssen aus aller Welt geprägt, dem Orient und dem Okzident“, erzählt Haya Molcho, „sie ist so vielfältig wie die Herkunft der Menschen in Israel.“
Mit „Make Hummus, not Walls“ in großen Lettern auf der Wand empfängt das koschere Restaurant „Hummus and Friends“ in der Oranienburger Straße seine Gäste, gleich neben der Synagoge – eine Aufforderung, Gemeinsamkeit zu finden im Genuss.
Dem Hummus widerfährt hier eine ganz besondere Behandlung: „Wir waschen die Kichererbsen dreimal, bevor wir sie in Wasser einweichen, danach wieder dreimal, und nach dem Kochen nochmal viermal“, erzählt Restaurantleiterin Malka Gretschko. „Beim letzten Waschen fällt die Haut ab, der Hummus wird dadurch leichter und schmeckt frischer.“
Auch in die Hochküche hat die Kichererbse längst Einzug gehalten. „Kennengelernt habe ich Hummus durch einen syrischen Mitarbeiter, der es wunderbar zubereiten konnte“, erzählt die Basler Top-Köchin Tanja Grandits. „Das Hummus-Püree hat einen Biss in der Cremigkeit, den andere Pürees nicht haben.“
In Hamburg verführt Hanna Saliba seit mehr als 20 Jahren seine Gäste mit Hummus, bietet ihn als Teil seiner orientalischen Mezze an. „Am nussigsten schmecken die großen, fleischigen Kichererbsen“, sagt er. Saliba muss es wissen. Sein Vater schickte ihn in seiner syrischen Heimat jeden Mittag mit einem Teller in der Hand zum Hummusmacher. „Alete für Erwachsene“ nennt er das Gericht scherzhaft. Der in Anatolien aufgewachsene Spitzenkoch Ali Güngörmüs („Le Canard nouveau“, Hamburg) toppt seinen Hummus mit einem knackigen Potpourri aus Sultaninen, Haselnüssen, Minze, Petersilie, Gurkenwürfeln, Granatapfelsirup und Olivenöl. Und es klingt absolut überzeugend, wenn der 39-Jährige schwärmt: „Hummus tut der Seele gut.“