Rosa von Praunheim, in Abfallprodukte der Liebe geht es laut Pressetext um „die Verdichtung künstlerischer Freundschaft zum biografischen Motiv." Bei Ihnen waren die Übergänge zwischen künstlerischer Freundschaft und Liebesbeziehung oft fließend. Haben Sie je versucht, Grenzen zwischen beiden zu ziehen?
Das kommt ja nicht so oft vor. Oder doch? Das mit Werner Schroeter fing an mit einer Liebesgeschichte, die aber nicht sehr lang dauerte, dann wurde es eine Freundschaft und Arbeitsbeziehung. Und dann hat ja jeder seine eigene Karriere gemacht. Elfi Mikesch hat bei unseren Filmen zuerst fotografiert und dann sehr viel Kamera gemacht, ist dann auch sehr berühmt geworden als eigenständige Regisseurin. Sonst arbeite ich seit 40 Jahren mit Mike Shephard, das war fünf Jahre eine Liebesgeschichte und wir wohnen immer noch zusammen. Und mein Freund Oliver (Sechting), mit dem ich seit zehn Jahren zusammen bin und der jetzt ebenfalls eigene Filme gemacht hat, unterstützt mich auch in der Arbeit, machte Ton und vieles mehr.
Viele der Menschen, mit denen Sie künstlerische Beziehungen und auch Liebesbeziehungen pflegten, sind mittlerweile verstorben. Mischt sich in das Gefühl der Liebe nicht irgendwann auch so etwas wie Schmerz?
Naja, diese Liebesgeschichten dauern ja nicht ewig. Bei Werner Schroeter war das wie gesagt sehr kurz. Natürlich, wenn jemand, mit dem man verbunden war, stirbt, ist das ein Bruch. Aber es sterben ja ständig Leute. Besonders in der AIDS-Zeit, in der ich ja politisch sehr aktiv war, waren das ja hunderte, tausende, die gestorben sind. Aber jetzt in meinem Alter ist das ganz natürlich, dass wir sterben. Natürlich ist das immer ein Bruch, aber man ist ja selbst bald tot.
Gibt es einen Modus, wie man damit umgehen kann?
Man geht einfach damit um. Ich würde gern sterben. Ich finde alt werden nicht so erstrebenswert. Ich habe mir in der Ausstellung ja auch ein Mausoleum gebaut. Aber momentan geht es mir gut, ich bin aktiv und mache sehr viel - insofern sind die Dinge wie sie sind.
Dieses Mausoleum, von dem Sie gerade sprachen, ist ihr eigenes Mausoleum?
Nicht nur. Ich throne zwar darüber, und da steht: „Tote Stars", aber gewidmet ist es Lotti Huber und meiner Tante Luzi aus der Bettwurst. Zwei Frauen, die mich und meine Filme bereichert haben mit ihrem Talent und die beide tot sind.
Warum haben es außer Ihnen nur Frauen in dieses Mausoleum geschafft?
Ich habe mit Männern nicht so viel am Hut, außer sexuell. Ich habe jetzt Glück, am Deutschen Theater läuft gerade mein Stück Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht, ein Musical: Die beiden Hauptdarsteller sind großartig. Das sind heterosexuelle Männer, der eine spielt mich als schwulen Mann. Die beiden werden auch die Hauptrollen spielen in meinem nächsten Film Tödliche Tropfen. Ansonsten habe ich viel mit Frauen gearbeitet, also als Identifikation des Schwulen mit dem Weiblichen. Viele schwule Regisseure haben Frauen zu Protagonisten gehabt, Fassbinder hat das gemacht, Pedro Almodóvar und wie sie alle heißen. Frauen haben den Vorteil, dass sie fantasievoller sein dürfen in der Gesellschaft. Sie dürfen sich fantasievoller anziehen, sie dürfen auch mehr Gefühle zeigen. Das macht sie auch interessant. Und für einen schwulen Mann, der diese feminine Seite eben gerne ausleben möchte oder bewundert, gibt es da oft eine Freundschaft zwischen Frauen und Schwulen. Männer sind da eher langweilig: spielen Krieg, saufen, sind aggressiv. Das ist das, was der schwule Mann in der Regel nicht so toll findet. Insofern gibt es da erst mal nicht so viele direkte Bezugspunkte, eher auch Angst.
Angst wovor?
Aggression, Ablehnung.
Wenn man sich die drei Menschen anschaut, denen die Ausstellung
gewidmet ist, dann ist Elfi Mikesch neben den schillernden
Persönlichkeiten von Praunheim und Schroeter ein Stück weit eine
Unbekannte. Damit teilt sie das typische Schicksal begabter Frauen, die
in der Öffentlichkeit hinter den Männern zurückfallen. Warum ist das so?
Elfi Mikesch war und ist als eine der ersten großen Kamerafrauen
eine Pionierin. Sie hat den Ehrenpreis der deutschen Kameragesellschaft
bekommen, und die ist hauptsächlich von Kameramännern besetzt.
Kameramänner waren früher sehr macho, sehr männlich betont, reisten
durch die Welt für Camel, schwere Kamera auf der Schulter und so. Und
dass Frauen sich das erobert haben, ist toll. Später hat sie als
Regisseurin wunderbare Filme gemacht, aber ähnlich wie Schroeter und ich
mehr im künstlerischen Bereich, also Arthouse. Und das ist nie so
populär. Bei mir ist die Popularität vielleicht durch Skandale,
Talkshows, durch Medienarbeit ein bisschen größer. Aber in Fachkreisen
wird Elfi Mikesch sehr geschätzt.
Das denke ich mir, aber ich zielte eher auf die allgemeine
Bekanntheit ab: Die Namen Schroeter und von Praunheim sind doch
geläufiger.
Aber allgemein bekannt ist Schroeter auch nicht. Meine Filme laufen
im Nachtprogramm. Insofern muss man sich wohl für das Medium
interessieren, um ihn zu entdecken. Und das ist ja auch das schöne an
dieser Ausstellung: Dass wir als Außenseiter sozusagen jetzt die
Möglichkeit haben, unsere Arbeit vorzustellen, und auch die Verbindung
zwischen uns.
Sie schreiben: „Elfi und Werner hatten gemeinsam das ästhetische
Genie, mir waren Inhalte wichtiger und weniger die Form.“ Gleichzeitig
stechen Sie durch exzentrisches Auftreten am meisten aus dem
Dreiergespann heraus. Finden Sie die ästhetische Form also nicht
unbedingt im künstlerischen Schaffen, sondern mehr im Gesamtkunstwerk Rosa von Praunheim?
Elfi und Werner verbindet eben, dass sie sehr interessiert sind an
der Form. Ich habe ja mit Elfi auch gearbeitet und sie hat wunderbare
Kamera gemacht, aber mich hat diese cineastische Form nie so
interessiert. Ich habe eher kleine schmutzige Filme gemacht, mich
interessiert mehr der Inhalt, mehr die sozialen Aspekte dabei und das
Politische. Die Form kommt nicht per se als erstes, sondern sie ordnet
sich unter. Meine Arbeitsweise ist vielleicht mehr das Dokumentarische.
Und ich habe deshalb auch viel weniger Preise bekommen, könnte man
sagen. Aber durch diese Form vielleicht auch manche Inhalte provozierend
anstoßen können, die man dann diskutiert hat. Es ist eine andere Art
von Filmemachen und trotzdem ist da eine Bewunderung. Eine gegenseitige,
wie ich glaube.
Hat die exzentrische Art des Auftretens auch geholfen, Inhalte zu transportieren?
Das ist eine spielerische Art von Show. Es ist ja immer langweilig, wenn man zu Premieren oder Preisverleihungen geht und dann sind alle Männer wie Pinguine angezogen. Wie gesagt, Frauen dürfen da viel fantasievoller sein, und wenn ich da meine weibliche Seite rauskehre mit lustigen Kostümen, dann wird das oft auch geschätzt. Die Leute mögen das, und mir macht das Spaß, aber dadurch kriegt man jetzt keine Aufträge und wird auch nicht bekannt. Man stehst vielleicht mal in der Zeitung. Aber die Filme selber sprechen ja für sich und es wird keiner, der mein Kostüm toll findet, jetzt deshalb meinen Film ansehen. Das ist eine eigene Kategorie. Und da gibt es ein gewisses Publikum, das man immer neu erobern muss und immer wieder neu die Frage stellen: Kommt ein Film gut an oder nicht?
Im Moment erleben wir in ganz Europa das Erstarken
nationalistischer, rechter Kräfte. Haben Sie manchmal Angst um die
Errungenschaften, die mit Ihrem Lebenswerk einhergehen?
Das war immer schon so in der Geschichte: Mal hatte man progressive
Zeiten, dann wieder konservative. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht
wieder in so eine Zeit der Dreißiger, Vierziger reinschlittern. Was aber
sehr erschreckend ist: Das was wir 68er, die linke Bewegung, hatten, so
eine Power der Veränderung, das hat momentan die Rechte. Mit unheimlich
viel Vitalität, sie eignen sich ja auch manche Methoden der 68er an.
Die Linke schweigt mehr oder weniger, ist irgendwie betroffen. Ich
meine, schau dir die Demokraten in Amerika an, wie schwer die es haben,
Trump etwas entgegen zu setzen. Auch der Absturz der SPD bei uns ist
sehr erschreckend. Es gibt viele Leute, die autoritäre Regime toll
finden, weil sie gern jemanden haben, der ihnen sagt, wo es lang geht.
Das ist alles sehr erschreckend, aber Zukunft war immer erschreckend. In
meiner Ausstellung hängt ein Schild: „Armee der Alten“. Ich wünsche mir
eine Armee der Alten, die gegen die Diktaturen gemeinsam kämpfen. Wir
haben nicht mehr viel zu verlieren in unserem Alter, außer vielleicht
den ruhigen Tod in ein paar Jahren und unsere Pension. Und auch im Namen
der Jungen, denen es besser gehen soll, sollten wir Alten aufstehen und
kämpfen, denke ich.
Auch auf der linken progressiven Seite haben sich die Diskussionen
verändert. Eine der aktuellen Debatten behandelt beispielsweise die
Frage, ob Männern das oberkörperfreie Auftreten nicht verboten werden
soll, um dafür zu sensibilisieren, dass dies Frauen auch nicht ohne
weiteres können. Besteht da nicht die Gefahr, dass wir in eine neue Zeit
der Prüderie abgleiten?
Die Diskussionen um Feminismus, Political Correctness und so weiter
werden ja oft von Extremen dominiert. Ich kann dem auch oft nicht
folgen. Sollen die sich die Köpfe einschlagen. Da wird dann
beispielsweise ein Weißer, der einen Afro-Look hat, beschimpft. Das
finde ich alles ein bisschen absurd. Und trotzdem hat es ja sein Gutes,
dass man darüber diskutiert. Ich finde nur alles Ideologische furchtbar.
Diese politische Ausrichtung, die sagt: Das ist genau das Richtige und
Wahre und so müsst ihr leben, das andere dürft ihr nicht. Das hat mir
immer missfallen, auch schon an den 68ern. Ich war eher dann auf der
Anarcho- und Sponti-Seite, die mit Humor Dinge gemacht hat. In dieser #metoo-Debatte
finde ich es wichtig, Frauen zu stärken, sodass sie sich wehren.
Natürlich ist das oft schwierig, aber es ist auch wichtig, wenn jemand
dir an den Po fasst, zu sagen: Hände weg! Es gibt für mich viel zu viele
Frauen, die in diesem kulturellen Ding sind: unterwürfig, nett,
überhöflich. Da denke ich: Das ist vorbei. Frauen sollen
Selbstbewusstsein ausstrahlen und auch ausstrahlen, dass sie sich auch
wehren können, wenn man sie schlecht behandelt. Ich denke, das ist eine
Erziehungssache. Also dieses Unterwürfige, Dienende, was Frauen ja
leider in der Gesellschaft immer noch machen müssen: Ich denke das
sollte aberzogen werden. Ich habe versucht, meinen Studentinnen immer
Selbstbewusstsein beizubringen. Viele konnten sich gar nichts wünschen.
Die Männer wussten: Ich bin der Größte, ich kann alles erreichen. Die
Frauen haben gezweifelt: Kann ich das wirklich? Bin ich wirklich gut
genug? Da habe ich mit vielen Übungen versucht, ihnen Stärke zu geben.
Das ist psychologisch ein ganz wichtiger Moment.
Also raus aus der Opferrolle, ganz gleich, welcher Identität man sich zuschreibt?
Raus aus der Opferrolle, ganz genau. Das ist sicher manchmal schwierig, aber notwendig.