Sonja Bettel

Journalistin, Autorin, Moderatorin, Wien

31 Abos und 34 Abonnenten
Artikel

Weniger Verkehr durch Online-Handel? - Mobilität mit Zukunft

Im Internet einkaufen ist bequem. Viele Menschen halten es auch für umweltfreundlicher, weil das Auto in der Garage bleibt. Doch hinter dem bequemen Einkauf per Mausklick stecken Details, die die CO2-Bilanz wieder ins Negative kippen lassen können. Von Sonja Bettel

Der Energieverbrauch beim Online-Einkauf beginnt am Schreibtisch. Wer lange in Online-Shops stöbert, verbraucht mit dem Computer und bei den Servern des Handels Strom. Richtig interessant wird es aber beim Transport der Ware: Der Logistikkonzern Deutsche Post DHL hat errechnet, dass der Versand eines Paketes innerhalb Deutschlands im Durchschnitt 500 Gramm CO 2-Emissionen verursacht. Durch Maßnahmen in der Routenplanung und bei den Fahrzeugen ist die durchschnittliche Emission seit dem Jahr 2007 bereits gesunken, damals waren es noch 630 Gramm pro Paket. Mit dem damals gestarteten Programm „GoGreen" verpflichtet sich DHL, Emissionen aus dem Versand innerhalb Deutschlands durch Zahlungen für Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Mit einem Wert von 500 Gramm CO 2 kommt ein neueres Mittelklassefahrzeug nicht einmal 3,5 Kilometer weit, so DHL.

So gesehen ist der Online-Einkauf weniger klimaschädlich, denn in Deutschland werden pro Einkauf durchschnittlich sechs Kilometer mit dem Auto gefahren, sagt Christine Ax vom Sustainable Europe Research Institute (SERI) in Wien. Allerdings, so Ax, werden 40 bis 60 Prozent der online gekauften Waren wieder zurückgeschickt, weil sie nicht gefallen. Das verursacht wieder Emissionen. Besonders groß ist der Anteil der Retouren bei Schuhen, wo meist gleich mehrere Größen bestellt und die nicht passenden zurückgeschickt werden. Teilweise sind die retournierten Produkte gar nicht mehr verkäuflich, was ebenfalls Ressourcen verschwendet, gibt die Nachhaltigkeitsexpertin zu bedenken. Und sie macht klar: „Die Retouren sind im Preis mit einkalkuliert und werden von den Kundinnen und Kunden bezahlt."

Bilanz ist abhängig von den Rahmenbedingungen

Fazit: Nur bei Produkten, bei denen Farbe, Passform oder Material nicht vorher gesehen und gefühlt werden müssen, die sicher gebraucht und genutzt werden und die nicht in der näheren Umgebung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln besorgt werden können, ist der Online-Einkauf CO 2-mäßig besser.

Immer mehr Versandfirmen werden sich der Bedeutung des klimaschonenden Handelns bewusst und lassen „CO 2-neutral" liefern. Ein Beispiel dafür ist der in Vorarlberg ansässige Biber-Versand. Er versendet seine Pakete mit der Österreichischen Post AG. Diese stellt seit dem Jahr 2011 alle Sendungen in Österreich „CO 2-neutral" zu. Das geschieht durch Reduktion des Energieverbrauchs und die Umstellung des Fuhrparks auf Elektro-Fahrzeuge. Derzeit noch nicht vermeidbare Emissionen werden mit Zahlungen an anerkannte Klimaschutzprojekte kompensiert.

Online einkaufen, am Bahnhof abholen

Der Schweizer Online-Supermarkt LeShop.ch hat gemeinsam mit dem Energieforschungsinstitut Estia AG einUmweltkonto entwickelt, mit dem Kunden die CO 2-Bilanz ihres Online-Einkaufs errechnen lassen können. Dafür geben sie an, mit welchem Autotyp sie wie weit zum Einkaufen fahren würden. Das wird der Hauszustellung mit dem Lkw gegenübergestellt. „Wir dachten, der Online-Einkauf müsste eigentlich CO 2-ärmer sein, und dann wollten wir es genau wissen", erklärt LeShop-Chef Dominique Locher die Motivation. Weil der Botendienst die kürzeste Lieferroute errechnet und viele Einzel-Lieferungen auf einer Route erledigt, ist die Zustellung laut Locher zumeist günstiger als der individuelle Einkauf mit dem Auto. Sollte das Umweltkonto bei einer Bestellung ein negatives Ergebnis aufweisen, die Ware aber trotzdem bei LeShop bestellt werden, zahlt die Firma eine CO 2-Kompensation an die Stiftung „myclimate", die Klimaschutzprojekte finanziert. Neu bei LeShop.ch ist das Angebot eines Abholservices an Bahnhöfen. Kundinnen und Kunden können ihre bestellte Ware noch am selben Tag in Schließfächern der Schweizerischen Bundesbahnen abholen. Das spart Zeit und mehrfache Wege. Das Energieforschungsinstitut Estia hat berechnet, was noch zur positiven Klimabilanz des Online-Supermarkts beiträgt: Ein LeShop-Lager braucht eine weniger aufwändige Beleuchtung als ein Supermarkt, die Kühlprodukte lagern in energieeffizienten Kühlräumen statt in offenen Truhen, und im Gegensatz zu einem Geschäft ist keine Klimaanlage nötig.

Eine CO 2-Bilanz des Einkaufsverhaltens ist also eine komplexe Sache. Wer sich nicht auf umfangreiche personalisierte Berechnungen stützen kann, sollte ein paar Faustregeln beachten: Nur kaufen, was wirklich gebraucht wird, mehrere Besorgungen bei einem Einkauf erledigen und sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen. Für Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen oder in der Mobilität eingeschränkt sind, ist der Online-Einkauf sicherlich eine Entlastung. Zeit wird dabei nicht unbedingt gespart. Oft ist bloß nicht bewusst, wie viele Stunden auf der Jagd nach dem passenden Angebot vor dem Rechner verbracht werden.

www.seri.at
www.post.at/co2neutral
www.LeShop.ch
Zum Original