Ein Interview von Simon Broll
SPIEGEL ONLINE: Herr Knights, in Ihrer Heimat Großbritannien nennt man Rothaarige wie Sie ginger men. Sind Sie stolz auf diesen Namen?
Knights: Ich habe ihn als Kind gehasst. Jahrelang trug ich Kappen, um meine Haare zu verbergen. Sobald ich durfte, färbte ich sie blond. Heute bleiben die Kappen meist zu Hause. Und ich habe mir einen Bart wachsen lassen. In ginger.
SPIEGEL ONLINE: Dabei gibt es in Großbritannien statistisch mehr Rothaarige als in vielen anderen Ländern. Das muss doch gar nicht so schwer gewesen sein als Junge.
Knights: Haben Sie eine Ahnung! In der Schule wurde ich ständig gehänselt. Zum Glück gab es einen Jungen, dessen Haare noch stärker orangefarben waren als meine. England ist das schlimmste Land für Rothaarige, glauben Sie mir.
SPIEGEL ONLINE: Wann wurde Ihnen klar, dass Sie mit Ihren Haaren anders sind als Ihre Freunde?
Knights: Ich war fünf, als mich meine Mutter zu "Arielle, die kleine Meerjungfrau" ins Kino nahm. Den ganzen Heimweg über habe ich geweint, weil ich Haare haben wollte wie der Prinz. Bis heute gibt es keinen rothaarigen Disney-Helden. Und auch in Hollywood findet man so gut wie keinen positiven rothaarigen Mann. Im Gegensatz zu Frauen.
SPIEGEL ONLINE: Nicole Kidman oder Juliane Moore haben ja auch gerade dank ihrer Haarfarbe Karriere gemacht.
Knights: Sie gelten als Sexsymbole. Deshalb sind rote Haarfärbemittel für Frauen so gefragt. Wenn ein Mann grau wird, kann er keine rote Färbepackung kaufen. Die Industrie denkt: Welcher Typ möchte wieder rote Haare haben? Unser Image ist grottig.
SPIEGEL ONLINE: Und Ihr Fotoprojekt soll das ändern?
Knights: Ich nenne das ein "rebranding". So wie Burberry es geschafft hat, von einer Hooligan-Marke zur begehrtesten Kleiderfirma in Großbritannien zu werden. Wenn rote Männerhaare ein Produkt wären, wären sie die uncoolste Marke des Planeten. Wie kann man daraus etwas Attraktives machen?
SPIEGEL ONLINE: Mit nackter Haut, so wie Sie?
Knights: Na ja, ich wollte Rothaarige als begehrenswert zeigen. Deshalb auch der Slogan "Red Hot". Für das Buch kam noch "100" hinzu, weil es auch aus drei Zeichen besteht. Nur wusste ich da noch nicht, wie schwierig es sein würde, 100 Männer zu fotografieren.
SPIEGEL ONLINE: War die Suche wirklich so schwierig?
Knights: Ich habe in allen Modelagenturen Großbritanniens nach rothaarigen Männern gefragt. Es gab keine. Schließlich fand ich eine Firma mit vier Models. In einem "Modebuch der schrillen rothaarigen Typen" oder so.
SPIEGEL ONLINE: Und mit denen begann die Kampagne?
Knights: Genau. Ich entwickelte eine Collage mit der Überschrift: "Bist du Red Hot? Melde dich." Das Bild kam ins Internet. Von da an entwickelte sich ein Schneeballeffekt. Ich erhielt massenhaft Anfragen auf Facebook. Schließlich bekam der Late-Night-Talkmaster Conan O'Brien von der Aktion Wind und schnitt sich in meinen Video-Trailer. Damit explodierten die Zahlen in den USA.
SPIEGEL ONLINE: Also kamen alle übrigen Männer auf Sie zu?
Knights: Manche sprach ich auch selbst an. Ken, den Coverboy des Buches, habe ich in einem Londoner Saftladen hinter der Theke entdeckt. Für mich stand er das erste Mal vor der Kamera. Jetzt hat er einen Modelvertrag hier in New York.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man sich Ihre Bilder anschaut - junge, gutaussehende Männer mit nacktem Oberkörper - denkt man an Pin-up-Fotos.
Knights: Ja, meine Männer sind sehr verdinglicht. Ich habe ursprünglich Bilder geschossen, in denen die Models T-Shirts trugen. Das sah aber wie Kleiderwerbung aus. Deshalb mussten sie oben ohne posieren. Und vor einem blauen Hintergrund. Durch die Komplementärfarbe stachen ihre Haare noch mehr hervor. Es sollte ja Werbung für rote Haare werden. Deshalb mussten auch alle Models wirklich gut aussehen.
SPIEGEL ONLINE: Damit haben Sie aber viele Rothaarige ausgeschlossen. Ist das nicht auch diskriminierend?
Knights: Das war mein größtes Problem. Als ich meine erste Show in London mit ein Paar Bildern zeigte, kam ein rothaariger Mann auf mich zu und schrie mich an: "Das da bin nicht ich."
SPIEGEL ONLINE: Und wie haben Sie auf den berechtigten Einwand reagiert?
Knights: Ich sagte ihm: "Stimmt. Das sind nicht Sie, das bin auch nicht ich. Aber nur so bekommen wir Rothaarige Aufmerksamkeit." Denn seien wir ehrlich: Wenn ich den rothaarigen Durchschnittskerl fotografiert hätte, würde niemand darüber reden. Bei manchen Männern, die sich bei mir gemeldet haben, musste ich einfühlsam sein. Statt "Du bist nicht heiß genug" sagte ich: "Wir suchen leider gerade niemanden." Aber wir brauchten nun einmal hot gingers. Oder das, was ich als attraktiv betrachte: 20- und 30-Jährige, durchtrainiert, markante Gesichter.
SPIEGEL ONLINE: Damit kam Ihre Show bestens in New York an. Wohin geht's jetzt?
Knights: Wir wollen in Länder, in denen Diskriminierung gegen Rothaarige ein Thema ist. Frankreich zum Beispiel, Großbritannien. Für Deutschland sind wir in Gesprächen mit Berlin und München. Und dann will ich unbedingt nach Los Angeles.
SPIEGEL ONLINE: Um Hollywood zu erobern?
Knights: Ich will den Filmproduzenten zeigen, dass rothaarige Männer gut aussehen. Ich weiß nicht, wann die Entscheidung gefallen ist, dass man keine Männer mit roten Haaren als Helden besetzt. Aber das muss sich ändern. Wir brauchen einen rothaarigen James Bond.
SPIEGEL ONLINE: Warum gerade James Bond?
Knights: Bond ist der ultimative Frauenheld, der ultimative Action-Star. Jeder Mann möchte wie Bond sein. Wenn der rote Haare hat, ist der Image-Wandel perfekt.
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