Sagt Stefanie Sargnagel, die sich mal als Universalgenie, mal als It-Girl bezeichnet. Tatsächlich schlägt ihr Herz für die Nichtsnutze, Tagesdiebe und Kaputten.
Stefanie Sargnagel, 30, trägt ihr Erkennungszeichen: die rote Mütze. Hier, im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste in Wien, studierte sie Kunst. Bekannt wurde sie jedoch nicht mit Gemälden, sondern mit rotzigen Facebook-Statusmeldungen über ihren Nebenjob im Callcenter. Die Postings sind auch in Buchform erschienen, unter dem Titel "Binge Living: Callcenter- Monologe". Mittlerweile ist die Autorin, die eigentlich Sprengnagel mit Nachnamen heißt, im etablierten Kulturbetrieb angekommen. Wir gehen in die Werkklasse von Maler Daniel Richter, bei dem sie gelernt hat. Da sind eifrige mit Pinseln bewaffnete Kunststudenten. "Ah, so voll hier. Die arbeiten ja alle! Das war zu meiner Zeit anders", sagt Sargnagel. Um der Umtriebigkeit zu entfliehen, nehmen wir auf der Treppe im Flur Platz.
ZEIT Campus: Bist du eine Verweigerin?
Stefanie Sargnagel: Mein Verhalten war nicht immer nur Verweigerung, sondern auch eine gewisse Unfähigkeit.
ZEIT Campus: Wie meinst du das?
Sargnagel: Ich war nicht richtig schul- und unitauglich. Ich habe es einfach nicht geschafft, regelmäßig hinzugehen. Übrigens bevorzuge ich das Label It-Girl.
ZEIT Campus: Du nennst dich aber auch Fäkalpoetin, inszenierst dich in deinen Texten als Dosenbiertrinkerin, schreibst über Trash-TV oder darüber, dass deine Strumpfhose nach Brie riecht. Damit bist du eher die Antithese zum selbstoptimierten Society-Girl.
Sargnagel: Das It-Girl ist auch ironisch, manche Medien haben das ernsthaft aufgegriffen. Aber das große Socializing mit wichtigen Menschen hat mich nie so interessiert. Ich habe mich immer mehr angezogen gefühlt von den Tagedieben, Nichtsnutzen und Kaputten als von den Erfolgreichen.
ZEIT Campus: Lena Dunham, die Autorin der amerikanischen Serie Girls, ist mit einem ähnlichen Image erfolgreich. Magst du die?
Sargnagel: Ich habe nichts gegen sie. Im Gegenteil. Es kommt immer wieder der Vergleich mit ihr auf. Aber ich sehe auch nicht, was ich mit ihr gemein haben soll.
ZEIT Campus: Es wird oft behauptet, dass du wie sie Körpernormen infrage stellst ...
Sargnagel: Warum sagen das die Leute? Weil ich mehr als 50 Kilo wiege? Das ist eine komische Reduktion, denn ich komme in meinen Texten auf noch ganz andere Themen: Prekariat, das Schöne im Hässlichen, Kneipengeschichten, Gossenpoesie, schwarzer Humor.
ZEIT Campus: Einer deiner allerersten Posts war: "Ist das noch Kater oder schon Entzug?" Inzwischen bist du im etablierten Kulturbetrieb angekommen und hast den renommierten Bachmann-Publikumspreis gewonnen.
Sargnagel: Ich fand meinen eingereichten Text gar nicht so toll. Dass ich den Publikumspreis gewinne, war klar, weil ich eine größere Facebook-Reichweite habe als andere Autoren.
ZEIT Campus: Du trinkst jetzt weniger, um für die Arbeit fit zu bleiben, habe ich gehört.
Sargnagel: Das ist eher eine Alterserscheinung. Früher konnte ich mehr ausgehen. Jetzt kommt immer diese üble Kater-Depression dazu, dann kriege ich einen Tag lang nichts mehr auf die Reihe, und Zweifel lähmen mich.
ZEIT Campus: Ist Dosenbier jetzt uncool?
Sargnagel: Ich muss mich wegen einer Coolness nicht totsaufen. Trinken und Witze übers Trinken langweilen mich. Vielleicht weil ich es zu viel gemacht habe. Mit Anfang 20 ist das witziger als mit Anfang 30, wenn man die ersten Alkoholiker im Freundeskreis hat.
ZEIT Campus: Du schreibst aus der Außenseiterperspektive über die Bayreuther Festspiele und den Opernball. Kannst du den Kulturbetrieb noch bashen, wenn du dazugehörst?
Sargnagel: Das ist ja klassisches satirisches Schreiben. Das erschöpft sich nicht.
ZEIT Campus: Braucht die Kunst Außenseiter?
Sargnagel: Für das Schreiben ist diese Reflexion hilfreich. Wenn ich zeichne, nicht.
ZEIT Campus: Du schreibst Bücher, illustrierst, machst Animationen und hast Kunst unterrichtet. Was ist eigentlich dein Beruf?
Sargnagel: Universalgenie.
ZEIT Campus: Was magst du so richtig gern?
Sargnagel: Was ist das jetzt für eine Frage!
ZEIT Campus: Na, was liebst du?
Sargnagel: Ich liebe es, in den Tag hineinzuleben, auszuschlafen, spazieren zu gehen, Leute zu treffen - das macht mich glücklich.
ZEIT Campus: Wie viel Schlaf ist optimal?
Sargnagel: Acht Stunden. Tut mir leid, wenn ich heute ein wenig grantig wirke. Ich fühle mich unausgeschlafen. Ich habe bei einem Freund übernachtet, der hat ein Wasserbett. Jedes Mal, wenn er sich bewegt hat, bin ich aus meinen Träumen hochgeschreckt.
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