Sebastian Reuter

Freier Journalist, Mainz/Frankfurt

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Artikel

500 Seiten pure Grausamkeit

Ein Inhaftierter mit Fußfesseln im Gefangenenlager auf Guantanamo (Quelle: AFP)

Waterboarding, Schlafentzug, Auspeitschen: Im Bericht des amerikanischen Senats über Verhörmethoden der CIA stehen jede Menge Grausamkeiten. Viele Gefangene wurden systematisch gefoltert.

Nachdem der amerikanische Senat den bisher umfassendsten Bericht über die Verhörmethoden der CIA veröffentlicht hat, herrscht Gewissheit: Dieser Geheimdienst der Vereinigten Staaten hat Gefangene auf der ganzen Welt gefoltert und misshandelt und zudem seine eigene Regierung jahrelang belogen und getäuscht. Der Bericht stellt klar, dass die Verhörmethoden der CIA schlimmer und brutaler waren, „als der Geheimdienst den Politikern und der Öffentlichkeit weisgemacht hat".

Der ursprüngliche gesamte Bericht ist 6700 Seiten lang. Er enthält über 38.000 Fußnoten und bezieht sich auf sechs Millionen interne Dokumente über die Arbeit der CIA in der Zeit von 2002 bis 2008. Er wird weiter unter Verschluss gehalten. Der Ausschuss veröffentlichte am Dienstagabend aber eine 525 Seiten lange Zusammenfassung, in der zum großen Teil brutale und widerliche Methoden beschrieben sind. Außerdem sind laut dem Bericht die „erweiterten Verhörmethoden", wie sie offiziell hießen, kein effektives Mittel gewesen, um Terrorverdächtige dazu zu zwingen, wichtige Informationen preiszugeben. Zudem seien Mitgliedern des Kongresses, des Weißen Hauses sowie Präsident Barack Obama vorsätzlich falsche und irreführende Informationen über die Effektivität dieser Methoden weitergegeben worden.

Halbnackt auf den Betonboden gefesselt

Insgesamt seien die Beispiele, mit denen die CIA dem Weißen Haus, dem Justizministerium oder auch der Öffentlichkeit die Wirksamkeit der Verhörmethoden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu erklären versucht hatte, nicht als Beweis dafür geeignet, dass nur durch Anwendung „harscher" Verhörmethoden das Leben vieler Amerikaner zu retten gewesen sei. In einigen Fällen seien die Erkenntnisse gar nicht von Verdächtigen gewonnen worden, die den brutalen Methoden ausgesetzt worden waren. In allen anderen Fällen hätten die Verdächtigen ihre Aussage bereits vor Anwendung der Foltermethoden gemacht oder lediglich Informationen bestätigt.

Viel erschreckender ist jedoch, dass die Praktiken dem Bericht zufolge wesentlich brutaler gewesen sein sollen, als es die CIA bislang zugegeben habe: Die Beispiele reichen von Schlafentzug über mehr als eine Woche bis zum Fall eines halbnackt in einer unbeheizten Zelle auf einem Betonboden gefesselten Häftlings, der mutmaßlich an Unterkühlung gestorben sei. Andere Insassen hätten über lange Zeit stehen oder schmerzvolle Körperhaltungen einnehmen müssen, bisweilen mit über dem Kopf gefesselten Händen. Auch das Auspeitschen sowie zwischenzeitliches Einsargen gehörten zum Repertoire der Geheimagenten.

Schon der erste Gefangene in CIA-Gewahrsam, Abu Subaida, soll von den Agenten schwer misshandelt worden sein. Er sei rund um die Uhr Attacken ausgesetzt gewesen und an Wände geschleudert worden. Darüber hinaus setzten die Agenten wohl bei mehr als den bislang drei öffentlich gemachten Fällen das sogenannte Waterboarding ein: So sei der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center, Khalid Sheikh Mohammed, einer ganzen Serie der Vorgänge simulierten Ertrinkens unterzogen worden. Ein anderer Verdächtiger sei laut dem Bericht nach dem Waterboarding „nicht ansprechbar" gewesen, während „Blasen in seinem offenen, gefüllten Mund aufstiegen" und er „Krämpfe am Leib und seinen Extremitäten hatte".

Auch die medizinische Abteilung des Geheimdienstes soll laut dem Bericht an den Foltermaßnahmen beteiligt gewesen sein. So sollen einige Gefangene nach Zustimmung von CIA-Ärzten auch ohne bestimmten Grund „rektal ernährt" und rektal mit Flüssigkeit „versorgt" worden sein. Laut dem Bericht stelle dies eine Methode dar, um „die totale Kontrolle" über den Gefangenen zu erlangen. So hätten einem Offizier zufolge einige der Insassen nach der „Behandlung" den Eindruck von pflegebedürftigen Hunden gemacht.

Offen mit dem Tod bedroht
Neben körperlicher Folter sollen viele Gefangene allerdings auch immensem psychischem Druck ausgesetzt worden sein. Während einigen offen mit dem Tod gedroht wurde, sollen mindestens drei Insassen damit eingeschüchtert worden sein, ihren Familien Schaden zuzufügen oder ihre Frauen sexuell zu missbrauchen. Insgesamt seien statt „knapp hundert" mindestens 119 Verdächtige an geheimen Orten in mehreren Ländern festgehalten worden; etwa jeder dritte von ihnen wurde den brutalen Verhörmethoden unterzogen. Die Bedingungen in den Gefängnissen seien erbärmlich gewesen.

Weiterhin soll die CIA dem Bericht zufolge mindestens 26 Gefangene zu Unrecht gehalten haben, darunter einen „intellektuell beschränkten" Mann, der als „Hebel" benutzt worden sein soll, um Informationen von einem Familienmitglied zu erhalten. Außerdem sollen zwei ehemalige Quellen des Geheimdienstes sowie zwei weitere Personen durch einen anderen Häftling als Bedrohung bezeichnet und daraufhin gefoltert worden sein. Die Aufzeichnungen der CIA waren in diesen Fällen oft unvollständig, sodass nicht ausreichend Informationen vorhanden waren, die ihre Gefangenschaft gerechtfertigt hätten.

Die CIA habe überforderte, unerfahrene oder bereits wegen Gewaltanwendung aufgefallene Agenten mit den Verhören betraut, die von zwei dazu ungeeigneten Psychologen entwickelt worden seien. Die CIA habe den Kongress getäuscht und daran gehindert, seiner Aufsichtsfunktion nachzukommen.

CIA-Direktor John Brennan beharrte hingegen darauf, dass der Einsatz der umstrittenen Verhörmethoden geholfen habe, „Anschlagspläne zu vereiteln, Terroristen zu fassen und Leben zu retten". Brennan räumte jedoch auch Fehler ein. Es sei richtig, dass die Agenten bei ihren Verhören nicht immer die vorgegeben Standards eingehalten hätten. Derartige Fehler seien vor allem in der Anfangszeit unmittelbar nach dem 11. September 2001 geschehen. Die Agenten seien damals nicht genügend auf ihre Arbeit vorbereitet gewesen. Zudem forderten am Dienstagabend mehrere Politiker und Organisationen, dass die Verantwortlichen für die umstrittenen Foltermethoden zur Rechenschaft gezogen werden.

CIA-Beamte und amerikanische Regierungsvertreter, die verantwortlich seien, müssten vor Gericht gestellt und bestraft werden, sagte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UN) für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte in Genf. Die Betreffenden sollten in den Vereinigten Staaten vor Gericht gestellt werden. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International betonte, die Opfer der brutalen Verhöre sollten Wiedergutmachung erhalten. Da Folter nach einer UN-Knvention unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist, müssten die Verantwortlichen bestraft werden.


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