Nicht nur Parlamentarier sind vom Aus der Liberalen im Bundestag betroffen, auch Sekretärinnen, Büroleiter, Referenten. Sie alle müssen sich nach neuen Jobs umschauen. Leicht wird das nicht - wer bei der FDP gearbeitet hat, ist derzeit nicht gerade angesagt.
Es ist still auf den Fluren der FDP-Bundestagsfraktion. Manche Mitarbeiter ziehen mit gesenkten Köpfen durch die Gänge, sie nicken sich stumm zu. Von Journalisten angesprochen, schütteln die einen nur kurz lächelnd den Kopf, andere knallen die Bürotür zu.
Eine bedrückende Atmosphäre herrscht im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin, wo noch vor kurzem FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Journalisten in den Sitzungswochen zur Frühstücksrunde einlud. Das ist seit dem Wahlsonntag vorbei. Zumindest für die kommenden vier Jahre. Die FDP ist nicht mehr im Bundestag, wurde mit 4,8 Prozent gedemütigt, ihrem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten.
Nun wird die Fraktion abgewickelt. Ein tiefer Einschnitt. Seit 1949 gab es immer eine liberale Fraktion im Bundestag, seit der Gründung dieser Republik. Zuletzt hatte die Partei bei der Wahl 2009 mit 14,6 Prozent ein Rekordergebnis erzielt, sie schickte die größte FDP-Fraktion ihrer Geschichte in den Bundestag: 93 Abgeordnete.
Nun müssen nicht nur die Parlamentarier sich nach neuen Tätigkeiten umschauen, auch die Mitarbeiter sind betroffen: Sekretärinnen, Büroleiter und Referenten - knapp 400 Bundestags- und Wahlkreismitarbeiter und gut 120 Angestellte der Fraktion in Berlin. "Es wird gar nicht so viele Jobs in Öffentlichkeitsstellen geben, wie jetzt Menschen auf den Markt drängen", sagt ein FDP-Mitglied. Die Fraktion hat immerhin Rücklagen gebildet - für jene Mitarbeiter, deren Verträge bis Ende des Jahres laufen.
Die FDP steckt in ihrer tiefsten Krise - und das wird konkrete finanzielle Auswirkungen haben. Es geht nicht nur um die Fraktion. Unter Liberalen wird davon gesprochen, dass auch Mitarbeiter außerhalb des Bundestags betroffen sein könnten - zum Beispiel in der Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin und der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Partei - tief in roten Zahlen, Ende 2012 summierten sich die Schulden bereits auf 8,5 Millionen Euro - wird weniger Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen. Noch liegen keine konkreten Zahlen vor, aber dass auch die Partei kürzer treten muss, ist wahrscheinlich.
"Wir haben einen Gnadenmonat"
Viele müssen erst einmal den Rauswurf verarbeiten, der Schock darüber sitzt tief. "Dass es so krass werden würde, hätten wir nicht gedacht", sagt Christian Lüth, der Büroleiter des Abgeordneten Hans-Werner Ehrenberg. Lüth steht in seinem Büro, es riecht nach kaltem Zigarettenqualm. "Wir haben jetzt noch einen Gnadenmonat, um uns neu zu organisieren", sagt er. Dann müssten alle Mitarbeiter aus den Büros raus sein. Höchstens eine kurze Übergangszeit solle es geben, sagt später ein anderer. Aber Details kennt niemand: "Woher sollen wir wissen, wie das abläuft, wir waren ja noch nie in so einer Situation."
Im Reichstag heißt es: Bis der neue Bundestag am 22. Oktober zusammenkommt, müssten die Büros geräumt sein. Wie das organisiert werde, hänge von der Fraktion selbst ab. Ratlosigkeit allenthalten, auch bei Büroleiter Lüth. Er sagt über seine eigene Zukunft: "Beim eigenen Fach, der Politik, ist erst mal nichts mehr drin." Er müsse sich jetzt umschauen, vielleicht etwas mit Öffentlichkeitsarbeit.
Nur wenige haben Glück gehabt - etwa die Mitarbeiter der FDP-Abgeordneten Elke Hoff. Die Verteidigungsexpertin hat bereits im Sommer ihren Abschied aus dem Parlament gefeiert, sie kandidierte nicht mehr, zieht sich nach 30 Jahren Arbeit für die FDP und acht Jahren im Bundestag ins Private zurück. "Ich habe für mein Büro vorgesorgt", erzählt sie. Zwei Mitarbeiter hat sie bereits untergebracht - in einem Ministerium und in der Wirtschaft.
"Wir haben hier FDP-Stallgeruch"
Auch bei anderen herrscht das Prinzip Hoffnung. Die Sekretärinnen dürften noch am ehesten an Abgeordnete anderer Fraktionen zu vermitteln sein, sie sind keine Parteipolitiker. Was bei ihnen zählt, ist Loyalität. Bei Referenten aus der Fraktion dürfte es schon schwieriger werden. "Wir haben ja nicht jedes Mal nach dem Parteibuch gefragt", sagt ein leitender Mitarbeiter der Fraktion und setzt darauf, dass einige der Spezialisten bei der größer gewordenen CDU/CSU-Fraktion unterkommen können. Doch dürfte es sich dabei um eine überschaubare Zahl handeln. Andere aus der FDP-Fraktion werden wieder in ihre Ministerien zurückkehren, wo sie früher schon tätig waren. Manchen graut davor. Rückkehrer, heißt es aus der Fraktion, dürften nicht darauf hoffen, attraktive Jobs in ihren früheren Behörden zu bekommen.
Und ein Leben außerhalb des Bundestags? Auch das wird für viele nicht leicht sein. Ein 31-jähriger FDP-Mitarbeiter sagt, er arbeite seit zwölf Jahren für die Partei. Außerhalb der Liberalen in der Politik unterzukommen, sei nahezu unmöglich: "Wir haben hier FDP-Stallgeruch." Auch bei Verbänden sei es schwierig, ohne eine zumindest halbwegs starke FDP im Rücken. "Mein ganzes berufliches Netzwerk ist entwertet, damit bin auch ich weniger wert", sagt der Mann.
Viele Mitarbeiter machen ihre Arbeit jetzt erstmal weiter, aber richtig sinnvoll kommt ihnen das selbst nicht vor. "Wir tun so, als wäre nichts passiert", sagt einer. Es ist ein wenig wie auf der "Titanic": Die Kapelle spielt einfach weiter, obwohl klar ist, dass das Schiff sinkt.
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