Kabarettist Alfred Dorfer ist ein Star in Österreich. Jetzt kehrt er bewusst auf kleine Bühnen zurück
Er war das schlechte Gewissen Österreichs. Sieben Jahre lang moderierte Alfred Dorfer die TV-Satire-Sendung "Dorfers Donnerstalk" im ORF. Ähnlich wie es Jon Stewart mit seiner "Daily Show" in den USA tut, nahm Dorfer Politiker auf die Schippe, wenn diese sich Fehltritte erlaubt hatten. Schonungslos thematisierte er auch, wie die Politik den öffentlich-rechtlichen ORF beeinflusste. Das konnte sich Dorfer erlauben, weil die Quoten stimmten: Der "Donnerstalk" war die erste erfolgreiche Late-Night-Show des Landes. Doch dann hatte Dorfer keine Lust mehr und verschwand aus dem Fernsehen. Jetzt steht er wieder als Kabarettist auf Kleinkunstbühnen: Mit dem Programm "Bis jetzt" tourt er nun durch Deutschland. Im Interview spricht Dorfer über Länder-Klischees, die Grenzen der Satire und negativen Seiten des Erfolgs.
Die Welt: 2013 haben Sie bei einem Auftritt im SWR über Deutsche und Österreicher gesprochen. Sie scheinen sich nicht gerade ans deutsche Publikum anzubiedern. Kommt das denn immer so gut an?
Alfred Dorfer: Das kommt gut an, weil die Deutschen entgegen ihrem Ruf doch über sich selbst lachen können. Das Klischee, dass sie humorfrei seien, stimmt nicht. Sonst würde ich nicht so oft hier auftreten. Dieses Jahr spiele ich in Deutschland fast öfter als in Österreich.
Welche deutschen Kabarettisten finden Sie selbst gut?
Ich bewundere Gerhard Polt, natürlich auch Dieter Hildebrandt. Ich hatte die Ehre, mit ihm bei einer Benefizveranstaltung aufzutreten. Sein Tod war ein großer Verlust.
Gibt es Witze, die hier besser ankommen als in Österreich?
In Deutschland gibt es ein höheres Interesse an Außenpolitik. Da kann man Anspielungen auf französische Innenpolitik oder Berlusconi machen. In Österreich hat man das Gefühl, dass die Leute politische Zustände im Ausland weniger interessieren.
Stichwort Außenpolitik: Was halten Sie von Sebastian Kurz, dem neuen, 27-jährigen Außenminister Österreichs?
Ich halte Vorurteile bei Sebastian Kurz wie bei allen anderen für nicht besonders intelligent. Er soll an seiner Arbeit gemessen werden. Seltsam finde ich daran, dass in Zeiten des allgemeinen Jugendwahns ein jugendlicher Außenminister mit Spott bedacht wird. Schlechter als der bisherige Amtsträger Michael Spindelegger kann er wohl nicht sein. Da fand ja keine Außenpolitik statt.
Hier diskutiert man derzeit über "Armutszuwanderung". Erkennen Sie da Parallelen zu Österreich, wo die Ausländerfrage ständig präsent ist?
In Deutschland gibt es keine Partei, die beim Wahlkampf aus diesem Thema Gewinne schöpft, wie es die FPÖ immer wieder schafft. Das scheint ein Tabu zu sein, das aus der offiziellen Politik herausgehalten wird - wiewohl es diese Probleme natürlich gibt. Seit Sarrazin wissen wir ja, dass die Diskussion nicht so einfach ist. Aber sie wird etwas differenzierter geführt.
Beim "Donnerstalk" haben Sie das politische Geschehen jahrelang kommentiert. Warum haben Sie im Jahr 2010 aufgehört?
Ich schreibe seit sieben Jahren für die "Zeit". Ich habe also nie aufgehört, das politische Geschehen wöchentlich zu kommentieren. Aber das Fernsehen war irgendwann nicht mehr das Medium, in dem ich mich zu Hause gefühlt habe. Wenn man öfter im Fernsehen ist, wird man zum Allgemeingut. Das ist ein unangenehmes Gefühl, das ich viele Jahre genossen habe. So mit 50 habe ich beschlossen, fürs letzte Drittel meines Lebens würde ich mich gerne wieder freier bewegen.
Hat der ORF Sie beim "Donnerstalk" inhaltlich eingeschränkt?
Den einzigen Rahmen hat das ORF-Gesetz gebildet, das gewisse Dinge nicht gestattet: Wenn man im Fernsehen etwas unterstellt, muss man vor Gericht beweisen, dass diese Behauptung stimmt. Ich fasse diese Einschränkung als eher Kompliment auf. Sie unterstellt der Satire damit eine gewisse Wirkung. Das hieße, dass Satire realpolitisch etwas verändern könnte - was bekanntlich nur selten der Fall ist.