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Der völlig mittellose Ölbaron, SPIEGEL ONLINE

6. April 2009

Kreativer Protest gegen neue Ölfelder: US-Student Tim DeChristopher bot kurzerhand mit, als sich Konzerne in einer Auktion Förderrechte in der Nähe von Naturschutzgebieten sichern wollten. Er bekam den Zuschlag für 1,7 Millionen Dollar - die er nicht hat. Nun droht dem Öko-Helden eine Strafe.

Von Peter Neitzsch

Er ist ein Gesetzesbrecher - aus Sicht der Staatsanwaltschaft.

Er ist ein Rebell - aus Sicht der US-Umweltbewegung.

Tim DeChristopher ist ein Wirtschaftsstudent, der mit viel Chuzpe gegen die Interessen einer übermächtigen Industrie aufbegehrt: Er hat bei einer Auktion um profitträchtiges Land Konzerne überboten. Und damit Bohrungen nach Öl und Gas in der Nähe von Naturschutzgebieten verhindert.

In einer höchst umstrittenen Alles-muss-raus-Aktion hatte George W. Bushs Regierung kurz vor den Wahlen 2008 unberührte Gebiete für die Bohrung nach Öl und Gas freigegeben. Konkret ging es um eine aus Sicht von Umweltschützern ökologisch sehr fragile Region im Südosten des Bundesstaates Utah, zwischen den Nationalparks Arches und Canyonland. Am 19. Dezember fand die Auktion um Pachtverträge für das Land statt. Tim DeChristopher kam, um dagegen zu protestieren. Dann folgte er einer spontanen Eingebung, wie er in einem Fernsehbeitrag sagte: Der Student gab sich als Bieter aus, griff sich eines der Paddle, mit denen die Auktionäre ihre Gebote anzeigen - und steigerte wacker mit.Tatsächlich hatte er weder die Absicht noch die Mittel, das Land zu erwerben. Schließlich erhielt er den Zuschlag für rund 9000 Hektar Land - 13 Parzellen für 1,7 Millionen Dollar. Eine Summe, über die der Student natürlich nicht verfügt. Als das klar wurde, brach bei der Auktion Chaos aus.

Ende vergangener Woche, dreieinhalb Monate nach dem Coup, wurde der 27-Jährige nun von der Grand Jury in Salt Lake City angeklagt. Vorwurf: Störung einer Bundesauktion und arglistige Täuschung bei der Versteigerung. Am 28. April muss er sich vor dem Bezirksgericht verantworten.

Millionen-Dollar-Streich für den Naturschutz

"Ich wollte etwas gegen die Ausbeutung der Natur unternehmen", sagt DeChristopher, "ich wollte auf den Mangel an Transparenz und demokratischer Teilhabe dieser Auktion hinweisen." Der Student der University of Utah in Salt Lake City gehört keiner großen Umweltorganisation an, sondern handelte auf eigene Faust. Und trieb in der Auktion als Bieter auch den Preis für weiteres Land hoch, ohne am Ende den Zuschlag zu erhalten.

In der Nähe des Gebiets, das zur baldigen Förderung von Öl und Gas vorgesehen war, befinden sich Naturwunder wie der Nine Mile Canyon und der Arches Nationalpark. Naturschützer befürchteten, die Sandsteinformationen könnten durch die Bohrungen beschädigt werden. Schon im Vorhinein hatten Umweltaktivisten deshalb gegen die Versteigerung geklagt und vor Gericht Ausnahmen für einige Gebiete erwirkt.

In Interviews rechtfertigt DeChristopher sein Vorgehen. In seinen Augen war es ein Akt zivilen Ungehorsams: "Diese Auktion war ein Betrug am amerikanischen Volk und eine Bedrohung für unsere Zukunft." Sein Verhalten bei der Versteigerung bereue er nicht - es sei eine legitime Form des Protests gewesen.

Viele Amerikaner sehen das offenbar genauso. Im Internet haben Sympathisanten eine Spendenplattform eingerichtet und sammeln Geld für die Gerichtskosten. Nach Angaben von DeChristopher sind so schon rund 100.000 Dollar zusammengekommen.

Genaue Strafe steht noch aus

Finanzielle Unterstützung wird DeChristopher brauchen, denn auf ihn kommen erhebliche Forderungen zu. Die US-Behörde für Landverwaltung fordert 81.000 Dollar von ihm - und das ist nur der zivilrechtliche Teil. Strafrechtlich könnte es weit härter kommen.

Bei einem Schuldspruch ist der Ermessensspielraum des Richters laut Staatsanwalt Brett Tolman groß. So könne DeChristopher zwar straffrei davonkommen - aber auch zehn Jahre Haft oder eine Geldstrafe von 750.000 Dollar wären denkbar. Tolman ließ durchblicken, dass er kaum die Höchststrafe fordern wird, sondern eher an einer Verfahrensabsprache interessiert ist. Bei solchen Deals bekennt sich der Angeklagte oft eines minder schweren Delikts schuldig und bekommt eine entsprechend geringere Strafe.
Organisiert wurde die Auktion von der US-Behörde für Landverwaltung, die dem Innenministerium untersteht - und ausgerechnet deren früherer Direktor Patrick Shea vertritt DeChristopher rechtlich. Auch er sagte, die Staatsanwaltschaft habe schon die Bereitschaft signalisiert, den Fall als Fehlverhalten und nicht als Straftat zu werten. DeChristopher würde dann um eine Gefängnisstrafe herumkommen. Schließlich sei niemand verletzt und kein Eigentum zerstört wordenso Shea.

Kehrtwende der Obama-Regierung

Daniel Gunnell sieht das anders. Der geschäftsführende Teilhaber der Twilight Resources LLC, eines an der Nutzung des Landes ernsthaft interessierten Unternehmens, ist "wütend. Tim DeChristopher kommt in die Auktion, treibt, ohne einen Cent zu haben, die Preise hoch und kostet unsere Firma 600.000 Dollar".

7,2 Millionen Dollar brachte die Auktion insgesamt ein, 116 Parzellen wurden versteigert - für 13 davon gab DeChristopher das Höchstgebot ab. Vor allem Hardliner der Energieindustrie würden seinen Fall gern nutzen, um ein Exempel zu statuieren.

Mittlerweile allerdings haben die Ölkonzerne noch ganz andere Sorgen. Nach Bushs Last-Minute-Verordnungen vollzog Barack Obama eine Kehrtwende: Rasch wies der neue US-Innenminister Ken Salazar seine Behörde an, die umstrittenen Pachtverträge für 77 der 116 versteigerten Parzellen nicht anzuerkennen. Begründung: Sie seien zu nahe an den Nationalparks gelegen und hätten nie zum Verkauf angeboten werden dürfen.

Daraus entstehen nun neue Rechtsstreitigkeiten. Die bei der Auktion erfolgreichen Pächter haben durchblicken lassen, dass sie Salazars Vorstoß anfechten wollen.

Für DeChristopher dürfte es schon ein Triumph sein, dass er von der neuen US-Regierung Rückhalt bekommt.

Mit Material von AP


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