Pfeif auf die Kohle, vergiss das System: Wie einst Hans im Glück zieht der Titelheld der Aussteiger-Komödie "Hans Dampf" einfach los ins pralle Leben. Der schön schrammelige Low-Budget-Film ist eine Ode an das Unperfekte - ein märchenhaftes Kinoerlebnis.
Von Peter Luley
"Kinder, habt ihr Bock auf'n iPhone? Nehmt das da!" Zunächst mal schenkt der leicht ramponiert aussehende Geschäftsmann im Anzug sein Handy weg. In der Pizzeria um die Ecke erwirbt der frisch Gekündigte dann spontan ein Kitschbild der Amalfiküste - und macht sich, seine Abfindung bar in einem roten Sparkassen-Beutel bei sich tragend, auf den Weg nach Süden. Dem wahren Leben entgegen.
Es ist eine so simple wie beherzte Aussteiger-Geschichte, die die Kölner Filmemacher Jukka Schmidt und Christian Mrasek in ihrem Roadmovie "Hans Dampf" erzählen - mit einem knuffigen Helden (Fabian Backhaus in seiner ersten Filmrolle) und liebevoll eingearbeiteten Referenzen an den alten Schwank vom "Hans im Glück". Welcher Deutung des grimmschen Märchens die Macher zuneigen, ist unschwer zu erkennen: Sie verstehen es als Parabel vom Loslassen-Können, von der Unwichtigkeit des Materiellen. So legt ihr Hans bald nicht nur Anzug und Hemd ab und zieht eine rote Pudelmütze auf. Er verströmt auch zusehends die Lässigkeit dessen, der sich um all die Kleingeister, die ihn übervorteilen wollen, einfach nicht mehr schert. Genauso wenig übrigens wie um die Frage, ob jemand Anstoß an seiner kleinen Wampe nehmen könnte.
Märchenhaft ist übrigens nicht nur der Plot, sondern auch die Entstehung des 2011 gedrehten Films: Ohne TV-Geld, nur mit einer Förderung der Filmstiftung NRW und einem erfolgreichen Crowdfunding, haben Mrasek ("Die Quereinsteigerinnen") und Schmidt ihr Projekt mit einem Minimalbudget von 50.000 Euro realisiert.
"Scheiße als Gold verkaufen"
Diese Bedingungen spiegeln sich in einer Do-it-yourself-Ästhetik wider: Die Dramaturgie entspricht einem schlichten Stationendrama, die Inszenierung wirkt bisweilen halb improvisiert, und Debütant Fabian Backhaus nuschelt in schönster Mumblecore-Manier, wie sie die frühen Greta-Gerwig-Filme etabliert haben. Sehr eigen, nach südländisch gefärbtem Rheinisch klingt seine Diktion. Störend ist das nicht, im Gegenteil: Wenn man sich einmal auf den hippieesken Charme der Unternehmung eingelassen hat, kann das richtig gute Laune machen.
Zum einen liegt das an den kuriosen Gestalten, denen der kurierte Ex-Karrierist, der "schon lange keinen Bock mehr hatte, Scheiße als Gold zu verkaufen", auf seiner Reise begegnet. Der properen Bohemienne Rose (Cécile Marmier) etwa, der Hans nach einem kurzen Liebesabenteuer ihren VW-Bus abkauft, oder dem halbseidenen Wegelagerer Django (Mario Mentrup), den er ohne Arg ins Auto bittet. Dass Django ständig versucht, mit Hansens Geldsack abzuhauen? Geschenkt - er hat den Spirit halt noch nicht kapiert! Die Fortbewegungsmittel wechselt der beseelte Glückssucher Hans ohnehin nach Laune: Den Bulli tauscht er gegen einen dreirädrigen Kabinenroller ein, diesen gegen ein Schlauchboot, das gegen ein Fahrrad - auch hierin seinem Namensvetter im Märchen ähnlich.
Cruisen im Kabinenroller
Zum anderen nutzen die Regisseure ihre Narrenfreiheit für Nonsens-Dialoge und diverse subversive Einlagen. Da gibt es aus heiterem Himmel eine surreale Musik-Choreografie dreier Krocket spielender Automechaniker, am Lago Mergozzo performt von den Kings of Dub Rock. Einmal liefern sich Hans und Django eine wahre Slapstick-Prügelei, um kurz danach in trauter Eintracht ein zugeflogenes Stofftier am Flussufer zu grillen.
Nicht zuletzt setzt der exquisite Soundtrack die richtige Stimmung: Nostalgische Hits wie Nino Ferrers "Le Sud" und Adriano Celentanos "Pay, Pay, Pay" gehören genauso dazu wie weniger bekannte, neuere Nummern. "Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen", heißt es programmatisch in "Wann strahlst du?", einem Stück, das Carsten Meyer alias Erobique und Jacques Palminger von Studio Braun gemeinsam beigesteuert haben. Der Titel "Drogen nehmen und rumfahren" der Band Die Zukunft untermalt kongenial das Cruisen im Kabinenroller.
So verbinden sich Sujet und Machart vortrefflich zu einer Ode an das Unperfekte; und nach rund 50 Minuten regiert sowieso das pure Glück: Dann nämlich kommt die zauberhafte Fee (Nina Schwabe, bekannt aus mehreren Klaus-Lemke-Filmen) ins Spiel, faucht wie ein Kätzchen und legt mit Django eine kesse Sohle aufs Parkett. Sie ist es dann auch, die Hans schließlich an seine Sehnsuchtsbucht an der Amalfiküste führt. Dass das Ende eher schwarz als happy ausfällt, liegt nun wirklich nicht an ihr. Der Zuschauer aber merkt auf diese Weise, dass er den guten Hans tatsächlich richtig lieb gewonnen hat.
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