„Benedetta“, der neue Film von Paul Verhoeven, erzählt klischeehaft von Sex unter Nonnen, Verrat und einer Marienstatue als Dildo. Hauptdarstellerin Daphné Patakia hat uns erzählt, warum sie ihn trotzdem für emanzipatorisch hält.
Russland hat den Film verboten, bei uns kommt er nun in die Kinos: "Benedetta" vom niederländischen Regisseur Paul Verhoeven. Das russische Kulturministerium hat dem Film keine Vertriebserlaubnis gegeben, weil er gegen russische Gesetze zum Schutz der Gläubigen und der Religionsausübung verstoße. Nun ja, der 83-jährige Verhoeven ist nun einmal ein Provokations-Profi, von ihm kommen Filme wie "Basic Instinct" oder "Elle" - also Potpourris aus Erotik, Thrill und Trash.
Einfach nur Klischees
Aber von vorne: Italien, 17. Jahrhundert. Die junge Benedetta Carlini ist auf dem Weg in ein Kloster in den toskanischen Bergen. Sie will Nonne werden. Ein "Inspiriert von wahren Begebenheiten" macht sich auf der Leinwand breit. Benedetta ist tief gläubig, gebräunt und blondiert.
Ja, ganz richtig. Gebräunt und blondiert. Das hier ist schließlich kein historisch akkurater Kostümfilm, sondern eine trashige Quatsch-Sause von Paul Verhoeven. Wobei nicht immer ganz klar ist, was hier gewollter Camp und Kitsch ist - und was einfach nur Klischee.
Da ist zum Beispiel die bemerkenswerte Fixierung des Regisseurs auf Brüste. Schon das Filmplakat zeigt Benedetta verhüllt im Habit, doch aus der Nonnentracht blitzt eine Brustwarze. Als junges Mädchen nuckelt die im Kloster einsame Benedetta an der Brust einer riesigen Marienstatue. Später dann wird eine schwangere Nebenfigur Milch aus ihren Brüsten auf eine gedeckte Tafel spritzen.
In einer Szene trifft Benedetta auf Bartolomea, und damit nähern wir uns dem eigentlichen Kern der Geschichte: Bartolomea rutscht beim Duschen aus und fällt so, dass Benedetta aus Versehen wohin greift? Ja, richtig: an die Brüste der Novizin.
Benedetta ist ein Skandalfilm
An dieser Stelle ein kleiner Warnhinweis: "Vorsicht, nicht zu Hause nachmachen!" Denn wer den Film guckt und so gar keine Ahnung von weiblicher Anatomie hat, könnte meinen: Eine winzige Berührung an der Brust einer Frau würde orgasmusähnliche Zustände auslösen. Und eins, zwei, drei Stöße mit einem Holzdildo reichten aus für: Oooh, ja.
Womit wir bei der Schlüsselszene des Films wären. Die Szene, die den russischen Zensoren vermutlich den Rest gab, sodass der Film in Russland nicht in die Kinos kommen darf. Denn in dieser Szene haben Benedetta und Bartolomea nicht nur Sex. Sie haben auch nicht nur Sex mit einem Dildo. Nein, sie haben Sex mit einer in einen Phallus umgeschnitzten Marienstatue.
Ein hölzerner Penis als Hauptfigur?
Zugegeben, diese Dildo-Szene hat eine gewisse Komik. Gleichzeitig fragt man sich: "Ernsthaft, Paul? Du gibst vor, eine Sex- und Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen zu erzählen und dann machst du ausgerechnet einen hölzernen Penis zur Hauptfigur? Oh Mann!"
Spätestens an diesem Punkt hatte ich Redebedarf. Also Anruf bei einer der beiden Hauptdarstellerinnen, bei Daphné Patakia. Ist das nicht Male Gaze pur, was Verhoeven da in "Benedetta" veranstaltet, will ich von ihr wissen? "Meiner Ansicht nach nutzt Paul Verhoeven nie einen männlichen Blick. Natürlich sind Sex und Gewalt Themen, die er sehr mag und die immer sehr präsent sind in seinen Filmen, aber sie dienen immer der Geschichte. Es geht dabei nie nur um Voyeurismus. Und: Seine Frauenfiguren sind immer mehrdimensional und werden nie als wehrlose Opfer dargestellt."
So auch die Figur, die Daphné Patakia spielt: Bartolomea. Die hat einen gewalttätigen Vater und geht ins Kloster, um sich seinem Zugriff zu entziehen: "Frauen konnten dort viel freier leben. Klöster waren geradezu ein Ort der Revolte! Frauen haben dort lesen und schreiben gelernt, sie waren wirtschaftlich unabhängig und hatten viel mehr Macht. Damals sind Frauen oft ins Kloster gegangen, um sich von der patriarchalen Gesellschaft zu befreien."
In der Renaissance wäre ich Nonne geworden
Ist Verhoeven, diese alte, weiße, männliche Skandalnudel am Ende also ein verkannter Feminist? Zumindest zwei Sachen machen seinen Film aus feministischer Perspektive interessant. Erstens zeichnet er darin eine Gesellschaft, die patriarchal so verkrustet ist, dass auch eine Atheistin wie ich sich denkt: "In der Renaissance wäre ich Nonne geworden!". Zweitens erzählt Verhoeven von Frauen, die sich nichts gefallen lassen. Die nach Macht streben, sich gegenseitig verraten - aber auch verbünden.
Der Film ist zwar ein Griff so tief in die Klischeekiste, dass nur noch der Rockzipfel der Nonnentracht herauslugt. Das ist mal zum Schreien, mal schreiend komisch. Aber, zugegeben, er ist auch ein bisschen emanzipatorisch.
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