Wer hat den Tango erfunden: die Argentinier oder die Finnen?
Was für eine Provokation zu Beginn! Der grosse, schweigsame finnische Filmemacher Aki Kaurismäki blickt da in die Kamera und sagt, was seine Landsleute denken: "Der Tango wurde in Finnland geboren." Es sei ein Unrecht, dass alle Welt heute meine, er stamme aus Argentinien. Drei Musiker aus Buenos Aires wollen diese ungeheuerliche Behauptung nicht auf sich und ihrem innigst zelebrierten Kulturerbe sitzen lassen und fliegen nach Finnland, um dem Mythos auf den Grund zu gehen.
Mit Gitarre, Bandoneon, einem pannenanfälligen Kleinwagen und einigen Vorurteilen fahren Diego, Pablo und der Sänger Chino durch den ihnen völlig fremden hohen Norden. Sie spielen in abgelegenen Waldhütten zum Tanz auf und besuchen finnische Tangomusiker wie die wunderbare Sängerin Sanna Pietäinen, den 75-jährigen Reijo Taipale oder den Autor, Filmer und Musiker im Hasenkostüm M. A. Numminen, der sagt, dass die Finnen bis zur Erfindung des Natels so wenig geredet hätten, dass sie den Tango hätten erfinden müssen, um sich wenigstens beim Tanzen kennen zu lernen.
Die deutsche Regisseurin Viviane Blumenschein ("Dance for All") hat einen von liebenswürdigem Schalk durchdrungenen Dokumentarfilm geschaffen, der von der zarten Melancholie der finnischen Melodien ebenso getragen wird wie von den schwermütigen Klängen des Bandoneons. Auch wenn die mitunter absurden Situationen zum Lachen verleiten, obsiegt am Ende die Botschaft, dass Musik die Menschen verbindet, über Nationalstolz und Kulturunterschiede hinweg. Und dass der finnische Tango zwar ganz anders ist als der argentinische, aber irgendwie eben doch gleich. Und dass es letztlich egal ist, wer ihn denn nun erfunden hat.
MittsommernachtstangoRegie:
Viviane Blumenschein
Produktion:
Argentina, Finland, Germany 2013; 84 min.
Genre:
Documentary, Music
Erstaufführung:
21.08.2014
Darsteller:
Chino Laborde, Diego Kvitko, Pablo Greco, Aki Kaurismäki, M.A. Numminen
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