Da ist sie wieder, diese liebenswert-verschrobene Regula aus "Alle Tage sind Alltage", Denise Wintschs erstem Bühnensolo: ein Unikum irgendwo zwischen Pfadi und Gemeindeschwester, ungelenk, unförmig und ungemein sympathisch. In Wintschs Zweitling "Für Immer" empfängt Regula das Publikum im Fabriktheater in einem Saal voller Puzzlespiele. Zwar ist es eher ein Sääli, wie man es im Sternen oder Leuen findet, landauf, landab. Klar dürfen die Zuschauer mitpuzzeln, sie müssen es sogar - streng in Gruppen aufgeteilt. "Die Flanke" wird mit Paprikachips belohnt, die Mitte mit "Zweifel nature". Ordnung muss sein, und um Ordnung geht es in dieser Revue der seltsamen und doch so überaus normalen Gestalten und Augenblicke. Aber auch um Zeit, ums Lebensglück und Nachhausekommen.
Nur kommt man dann an in Häuser, die an die unbehaglich behaglichen Welten von Ulrich-Seidl-Filmen erinnern, in denen die Liebe zu Plüschtieren schnell einmal gruselig werden kann.
Denise Wintsch hat enormes Talent für absurden Humor und lebensnahe Figuren. Ständig wechselt sie Rollen und Kostüme und zaubert mit einfachsten Requisiten die verrücktesten Typen auf die Bühne. Das Publikum staunt und lacht, obwohl die verlassene Braut ebenso viel Einsamkeit ausstrahlt wie die alte Frau im Unterhemd, der man minutenlang gespannt beim Nichtstun zuschaut. Die Figuren sind absolute Spezialisten und Allerweltscharaktere zugleich, einzigartig und so gewöhnlich, dass man sie sofort ins Herz schliesst. Es sind allesamt Verlierertypen, Unangepasste, Aussenseiter, die nicht so recht in unser gut geöltes Erfolgsmodell passen wollen. Ihr konstantes Scheitern erinnert hinterlistig an den Wert der Langsamkeit, an die Poesie der Umwege und Abgründe - wunderbar!
Rote Fabrik, bis 21. November (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 12.11.2014, 18:29 Uhr)