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Her mit dem schönen Leben!

In Duisburg fehlt es an soziokulturellen Freiräumen - und das nicht erst seit gestern. Jahrelang schon gehen Duisburgs Bürger*innen auf die Straßen und fordern „Mehr Recht auf Freiraum!" und „Mehr Recht auf Stadt!". Besonders die Nachttanzdemos haben hier Tradition. Auch am Faschingssamstag versammelten sich hunderte Menschen in der Duisburger Innenstadt, um ihrem Unmut Gehör zu verschaffen.

Sie sind gekommen, um zu protestieren, um etwas zu verändern und um zu tanzen. Dafür haben sie sich verkleidet, bemalt und halten bunte Schilder in die Höhe. „Unkommerzielle Nutzung statt stetiger Verfall" oder „Gleiches Recht für alle Menschen" steht darauf geschrieben. Es sind vorwiegend junge Menschen, aber auch vereinzelt ältere Duisburger*innen, die sich am Faschingssamstag vor dem Hauptbahnhof der Stadt versammelt haben.


Trotz des kalten, windigen Wetters sind geschätzte 250 Demonstrant*innen zur Fastnachtstanzdemo erschienen. Aufgerufen zum Protest-Karneval hatten die beiden Initiativen Du it yourself! und Be neighbours. Der Appell der Engagierten ist klar: „Wir fordern soziokulturelle Freiräume in Duisburg, die unkommerziell und unabhängig sind von der Stadt. Wo Menschen einfach Dinge ausprobieren können, ihre eigenen Träume verwirklichen können, ohne Konsumzwang", sagt Organisator Christian Wagemann.


Streitpunkt Alte Feuerwache

Aktueller Streitpunkt ist die Alte Feuerwache in Duisburg-Hochfeld, die ursprünglich ein soziokulturelles Zentrum werden sollte, nun aber, auf Grund von Versäumnissen der Stadt, endgültig aus den Händen der Bürger*innen genommen werden könnte (akduell berichtete). „Wir sind heute auch hier, weil in Duisburg immer wieder Gelder verschwendet werden", ergänzt eine Demonstrantin* in Bezug auf das Streitthema Alte Feuerwache, die auch das Ziel des Protestzuges an diesem Abend ist. Ganze 2,1 Millionen Euro muss die Stadt Duisburg an EU und Land zurückzahlen, weil sie sich nicht an die Auflagen der Fördersumme gehalten hatte.


Von dem Geld war die Feuerwache 2005 grundsaniert worden und sollte dafür an einen gemeinnützigen Verein gehen. Stattdessen machten private Betreiber Gewinne. „Wir wollen, dass die Stadt das umsetzt, was im Kultur-Entwicklungsplan steht, nämlich, dass die Stadt ein soziokulturelles Zentrum durch Bereitstellung leerstehender Räumlichkeiten und durch finanzielle Unterstützung fördern will", ergänzt Wagemann.


Protest gegen kulturelle Armut

Mit der Demonstration wollen sich die Beteiligten aber auch für einen erweiterten Kulturbegriff und ein gesellschaftliches Umdenken stark machen: „Wir demonstrieren gegen die kulturelle Armut, die in Duisburg herrscht. Wir demonstrieren für eine größere Vielfalt im kulturellen, aber auch im sozialen Bereich", appelliert eine der Organisator*innen zur Auftakt-Kundgebung. Die Förderung kultureller Institutionen sei in der NRW-Landesverfassung verankert.


Dabei werde aber hauptsächlich Hochkultur, und weniger Nischen- und Soziokultur gefördert, so die Kritik. „Duisburg ist eine sehr stark von Armut bedrohte und bestimmte Stadt. Aber das hat nicht zu bedeuten, dass den Menschen, die hier leben, keine Kultur zustünde", so eine Organisatorin*. Die Forderung ist klar: Jede*r hat ein Anrecht auf Kultur. Und zwar solche, die erschwinglich ist. Auch für Arbeitslose oder Geringverdiener*innen, Kultur die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und von ihnen selbst geschaffen und mitbestimmt wird. Kultur für alle von unten.


Derzeit erarbeitet ein Initiativkreis gemeinsam mit Vertreter*innen der „Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren Nordrhein-Westfalen" ein Nutzungs-und Finanzierungskonzept, um ein soziokulturelles Zentrum in Duisburg umzusetzen. Christian Wagemann gibt sich hoffnungsvoll: „Wir sind zuversichtlich, dass die SPD interessiert ist, uns zu unterstützen und uns willkommen heißt die Lösung für ihre Aufgaben bereitzustellen." Dieselbe Hoffnung hat auch UDE-Student Max, der an der Demonstration teilnimmt: „Ich hoffe, dass die Stadt Duisburg ihren Kurs langsam mal ändert, weg von der Ignoranz und dem großen Reden schwingen und mal was Inhaltliches passiert."


Was ein solcher Protest alles bewirken kann, darauf verweist einer der Organisator*innen bei der Kundgebung vor dem Rathaus. Der Bauwagenplatz in Duisburg-Homberg, dessen Pachtvertrag bereits Ende 2014 von der Stadt aufgekündigt worden war (akduell berichtete), steht, nach monatelangem Aufbäumen, noch immer. „Hier hat sich der Protest ausgezahlt", so ein Organisator, „derzeit sind konkrete Gespräche geplant, um den Bewohnern zumindest ein Ersatzgelände zu ermöglichen". Dieser Teilerfolg der tanzwütigen Demonstrationskultur und das ungebrochene Engagement der Duisburger*innen stimmen zumindest hoffnungsvoll, dass auch die Alte Feuerwache bald zu einem Ort für kulturelle Vielfalt und Selbstbestimmung werden wird.

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