Michaela Schneider

Journalistin, Pressefotografin, Würzburg

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Küssen wie Lumpi? Nicht auf der Bühne!

Bühnenkuss auf Knopfdruck: Kai Christian Moritz zeigt mit Schauspielkollegin Theresa Palfi, wie’s geht. Foto: Michaela Schneider

Hach… wie schön können sie aussehen, die leidenschaftlichen und zärtlichen, liebevollen und wilden Küsse auf der Bühne! Kai Christian Moritz (37), Schauspieler am Mainfrankentheater in Würzburg, erzählt, wie ein echter Profi Bühnenküsse meistert und erlebt.

Wann haben Sie das erste Mal auf der Bühne professionell geküsst?

Kai Christian Moritz: Mein erster bewusster Bühnenkuss als Berufsschauspieler war eine Herausforderung. Ich war damals in der Ausbildung, wir spielten „Die bösen Köche“ von Günter Grass. Die Schwierigkeit: Ich musste einen Mann küssen.

Und vor der Schauspielausbildung? Durften Sie da schon mal auf der Bühne ran an die Frau?

Moritz: Ja, beim ersten Mal war ich 16 Jahre und wir spielten in der Laienspielgruppe „Bunbury“ von Oscar Wilde. Ich musste eine drei Jahre ältere Kollegin küssen, die unheimlich gut aussah. Das war sehr aufregend. Noch dazu hatte sie einen Freund, der genau sagte, was ich darf und was nicht.

Dass gerade in Schüler-Schauspielgruppen Partner der Darsteller ein Problem haben mit dem „Fremdküssen“ ist nicht selten. Was raten Sie hier?

Moritz: Genau hier erkennt man den Unterschied zwischen Laiengruppe und Profischauspieler, denn als Profi ist das Überschreiten zwischenmenschlicher Nähe Alltagsgeschäft. Die Bühne ist dabei geschützter Raum. Wer meint, was dort geschieht, hat anschließend Konsequenzen, dürfte ernüchtert werden. Zu ihrer Frage: Man muss entscheiden, was einem wichtig ist und sollte besprechen, warum die Szene auf der Bühne notwendig ist. „Sex sells“ nun mal, deshalb muss ich erotische Szenen als Schauspieler produzieren können.

Wann sieht ein Kuss auf der Bühne tatsächlich echt aus?

Moritz: Es hilft, wenn man ein positives Gefühl für den Partner empfindet und Liebe, Erotik und Nähe auf der Bühne möglich sind ohne Konsequenzen. Der Zuschauer will sehen, dass etwas passiert! Eine meiner ersten Rollen in Würzburg war Wolfgang Amadeus Mozart. Mit der Constanze-Darstellerin habe ich mich gut verstanden – mancher im Publikum hat gedacht, dass wir wirklich etwas miteinander haben. Und: Meiner Meinung nach fallen intime Szenen leichter, je weniger Nähe man außerhalb der Bühne pflegt. Meine Schauspiellehrerin hat einmal gesagt, der Unterschied liege zwischen privat und persönlich.

Hatten Sie schon einmal ein Verhältnis mit einer Kollegin?

Moritz: Ja, dauernd (lacht)… Das Problem ist, dass solche Affären meist nicht lang halten – und danach muss man trotzdem wieder zusammen auf der Bühne stehen. Aber eine Kussszene klappt auch dann, hat man eine klare Rollenauffassung. Ich muss mir bewusst machen: Ich begegne nicht der realen Person, sondern einer Figur.

Wie haben Sie anfängliche Hemmschwellen überwunden?

Moritz: Ich erinnere mich da an das Stück „Wildwechsel“ von Franz Xaver Kroetz. Ich sollte die Brüste meiner Kollegin anfassen, hatte Hemmungen - und habe dann letztlich zu viel gefragt. Dadurch habe ich erst Themen angesprochen, die keine hätten sein müssen. Meine Konsequenz: Manche Dinge muss man einfach machen. Geht man zu weit, wird man von der Kollegin schon darauf hingewiesen – oder fängt  sich zur Not eine… Tatsächlich kann es auf der Bühne schwer sein, Grenzen zu erkennen.

Lassen Sie uns mal auf die Technik kommen: Wie funktioniert ein Bühnenkuss?

Moritz: Da gibt es keine bestimmte Technik, wichtig ist die Wahrhaftigkeit! Wenn der Protagonist seine Partnerin, frisch verliebt, über Wochen nicht gesehen hat und Sie küssen als Schauspieler wie Lumpi, wirkt das natürlich unecht! Bei einem jahrelang verheirateten Ehepaar langt auch mal ein Bussi. Ob nun zum Beispiel mit oder ohne Zunge spricht man ganz einfach ab. Küssen ist ja nichts schlimmes, man wird – entgegen andersläufiger Meinung – davon nicht schwanger!

Und wodurch unterscheidet sich nun der Bühnenkuss vom echten Kuss?

Moritz: Der Unterschied ist: Privat küsse ich meine Freundin und sie küsst mich. Gefühl ist auch auf der Bühne dabei – aber hier geben wir dieses von Figur zu Figur weiter.

Erzählen Sie bitte noch von ihrem schwierigsten Bühnenkuss!

Moritz: Es gab gleich zwei große Herausforderungen. Das eine Mal spielte ich den Romeo. Die Julia-Kollegin hatte mir schon zuvor erklärt: Und wenn Du der letzte Mann auf Erden wärest, privat Du nicht! Das Problem war, dass Sie Privatleben und Bühne nicht trennen konnte – und noch dazu privat  gern etwas mit Mercutio angefangen hätte. Sie hat bei jeder Probe gezickt – irgendwann kam ich mir selbst wie ein Täter vor. Im zweiten Fall war sie um die 60 und ich etwa 20 Jahre. Das Problem war nicht, dass ich Ekel empfunden hätte oder so. Das war für mich eine Respektsfrage. Sie hat dann die Sache in die Hand genommen und wir haben die Hemmschwelle weggelacht.

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