Es war eine stete Evolution, die Entwickler Arc System Works mit der Prügelspiel-Reihe Guilty Gear begann. Schritt für Schritt führten die Japaner das flache Geprügel in die Zukunft, Richtung BlazBlue. Aber hat sich diesmal BlazBlue: Continuum Shift gegenüber dem Vorgänger Calamity Trigger weiterentwickelt oder bleibt es bei einer schnöden Erweiterung?
An BlazBlue wagen sich meist nur wagemutige Beat'em-Up-Cracks. Dabei kommt auch hier das Street-Fighter-Prinzip zum Tragen, und dessen neuste Teile spielen sich natürlich auch nur in der zweiten Dimension ab. Trotz dreidimensionaler Optik. Was BlazBlue aber besonders auszeichnet, sind sicherlich die unzähligen Möglichkeiten. Auch im neusten Teil gibt es diverse Balken für erhöhte Abwehr, Sperrschichtexplosion, Block-Balance und was nicht alles. Verkettet werden Angriffe in drei Stärkegraden sowie durch einen Spezial-Button ausgelöste Superkräfte - zum Beispiel manipuliert Rachel den Wind, Noel feuert dampfende Pistolensalven ab und Carl schickt seine Schläger-Marionette los. Selbstverfreilich fehlt auch ein durch erfolgreiche Attacken aufgeladener Superbalken nicht, mit dem ihr die sogenannten "Distortion Drives" auslöst, also die besonders krachenden und verheerenden Überattacken.
Den Modi wie Arcade, Versus, Story und Punktejagd stellt Continuum Shift nun den neuen Legion-Modus zur Seite, in dem ihr auf einer schlichten taktischen Karte ein Gegnerteam nach dem anderen eliminiert und die Besiegten für eure eigene Mannschaft rekrutiert. Schon ab dem normalen Schwierigkeitsgrad ist das mal eben nebenbei kaum zu packen, hier sollte jeder Schritt gut überlegt sein. Der Modus "Herausforderung" ist eins zu eins von der Street Fighter 4-Konkurrenz geklaut, hier sollt ihr vor einem schlichten Trainingshintergrund Kombos nachbasteln. Das ist höchstens für Komplettisten und vor allem Perfektionisten interessant. Denn an einer harten Tasten-Nuss sitzt ihr gerne mal einen halben Tag oder seht überhaupt kein Land. Wohl dem, der das Ganze dann auch im Kampfgeschehen einzusetzen vermag.
Bei der Charakterriege ist alles beim Alten geblieben, bis auf kleine Variationen und magere zwei Neuzugänge. Cybergirl-Endgegnerin μ -No. 13- (kurz: Nu) ist jetzt nur noch in einer etwas abgeschwächten Version unter dem Namen Λ -No. 11- (kurz: Lambda) zu steuern, worüber sich viele Onlinespieler freuen werden. Mit ihren aus dem Nichts auftauchenden Schwertern war sie ein sehr fieser Duellgegner. Die anderen beiden Neulinge waren bereits im Vorgänger zu sehen, aber nicht spielbar. Der diesjährige Oberfiesling Terumi, ein schicker Anzugmörder mit fiesem Giftblick, firmiert unter dem Namen Hazama und ist eher für erfahrene Spieler geeignet. Seine Attacken haben eine kurze Reichweite, einzig mit seiner Schlangenkette lassen sich schnell Entfernungen überbrücken. Tsubaki Yayoi wiederum ist eine der Schulkameradinnen von Noel Vermillion, die man ebenso wie Hazama in der alten Kampagne kennenlernte. Sie ist das genaue Gegenteil von Hazama und gibt sich mit einfachen und harten Attacken äußerst einsteigerfreundlich. Vor ihren Kombos sollte man sich in Acht nehmen. Wenn die an Götterbote Hermes angelehnte Vogeldame einmal im Fahrt kommt, wird vornehmlich Schmerz ausgeliefert.
Vier weitere neue Charaktere könnt ihr nur per kostenpflichtigem Download freischalten. Eichhörnchenmädchen Makoto hat flinke Fäustchen und gehört genauso wie Tsubaki zu Noels Gang, Valkenhayn ist der dämonische Butler von Rachel und schaut sich seine Angriffe bei Darkstalkers-Werwolf Jon Talbain ab und zu Platinum the Trinity ist außer ihrem an Magical-Girl-Animes angelehnten Äußeren nichts bekannt. μ -No. 12- schließlich ist eine weitere Variation der ehemaligen Endgegnerin. Die Downloads werden nach und nach freigeschaltet, hier ist Geduld gefragt. Alle verbliebenen Kämpfer bekamen neue Geschichten im entsprechenden Modus sowie dezente Variationen im Schlag-Repertoire spendiert. Meist hat sich nur eine einzige Spezialattacke oder ein neuer "Distortion Drive" eingeschlichen.
Seinen Ruf als Hardcore-Profiprügler hat BlazBlue nicht umsonst weg. Ihr könnt euch hier völlig ins komplexe Kampfsystem vertiefen, mörderische Kombos kloppen und die Vorzüge jeder Figur ausreizen. Sich deshalb aber als Gelegenheitsprügler erst gar nicht an BlazBlue: Continuum Shift heran zu trauen, wäre ein großer Verlust. Denn in Sachen Detailverliebtheit schlägt Arc System Works' Kampfspiel die gesamte Konkurrenz. Die Gestaltung ist von den Menüs, über den rockenden Soundtrack bis hin zu den ausufernden Dialogen aufwendig und vor allem stimmig inszeniert. Eine eigene absurde Anime-Welt, in der man völlig aufgehen kann - im Gegensatz zu der eher notdürftigen Aufmachung anderer Beat'em-Ups (wir denken jetzt einfach mal an die Abspänne der Street Fighter 4-Helden - autsch). Zudem gibt es hier nicht unzählige Karatekas, die etwas anders aussehen, aber im Grunde alle die gleichen Bewegungen auffahren.
Tatsächlich jeder der BlazBlue-Kämpfer ist in der Bedienung und Repertoire unterschiedlich und nicht sofort zu beherrschen. An einen Charakter wie Vampirmädel Rachel hat sich so noch kein Entwickler herangetraut, denn sie stellt hauptsächlich Barrieren auf und schickt elektrische Frösche los. Das überfordert erstmal, wenn ihr auf der Suche nach Feuerball und Dragonpunch seid. Aber schon nach recht kurzer Eingewöhnungsphase sind die Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen und Strategien entwickelt, die über Schnell-alle-Knöpfe-gleichzeitig-drücken weit hinaus gehen.
Pro:
- nach wie vor perfekte Spielbarkeit- individuelle und einzigartige Charaktere
- Motivation für viele Stunden durch umfangreiche Modi
- Makellose Präsentation in stimmiger Gestaltung
- Animationen auf Hochglanz: 2D sah nie besser aus
Contra:
- zu wenig substanzielle Neuerungen- ärgerliche Bezahl-Downloads
- für Nicht-Profis knifflig
Fazit:
Das Negative vorweg: Continuum Shift ist bei aller Liebe eher ein Add-On zu Vorgänger Calamity Trigger. Ein paar neue Hintergründe, mäßig interessante neue Modi und nur zwei frische Charaktere - das ist mehr als dürftig. Dass man für die anderen Neulinge per Download gleich wieder bezahlen soll, sogar eine Unverschämtheit! Wer sich am Vorgänger satt gespielt hat, braucht hier nicht zuzugreifen, sollte sogar lieber in Protesthaltung verbleiben und auf eine besser ausgestattete Episode warten. Lange böse sein ist trotzdem nicht drin, denn allein die verfeinerte Handhabung, die Neuerungen und frischen Geschichten motivieren Anhänger, wieder das Portemonnaie zu öffnen. Bereuen dürfte das niemand, denn BlazBlue: Continuum Shift ist der heimliche Kaiser im Beat'em-Up-Ring. Schnelligkeit, Abwechslungsreichtum, die unglaublich präzise Steuerung und makellose Präsentation suchen ihresgleichen, richten sich durch ihre japanophile Aufmachung bloß eben eher an ein Randgruppenpublikum. Wer den Schritt dennoch wagt, bekommt die derzeit stimmigste und technisch abwechslungsreichste Prügelei auf dem Markt geboten. Allein schon die zum Schreien komische Katzenkämpferin Taokaka rechtfertigt mit ihren grenzdebil-dämlichen Vorträgen den Kauf. Hey Capcom, so gestaltet man Charaktere, lasst den Karateanzug einfach mal ab und zu stecken!