Frank Schmitt: Ich habe 2009 mit der Projektleitung begonnen. Dazu gehören die architektonische Planung, die Fassadenplanung und der Kontakt mit dem Universitätsbauamt.
FS: Der Entwurf hat sich daraus ergeben, dass die Tragkunst, also Betondecke, Stützen und die ganze Fassade des alten Baus, belassen werden sollten, damit sich die UB städtebaulich in die Nachbargebäude eingliedert. Zur Milchstraße hin sollte sie allerdings zurückweichen, damit dort hinten mehr Licht einfallen kann und zur Stadtseite sollte sie sich öffnen und die Umgebung widerspiegeln. Fünfzig Prozent der Fassade ist Glas, fünfzig Prozent elektrochemisch behandelte Edelstahlbleche, wodurch sie so dunkel wird. Je nach Wetter und Blickwinkel hat man nun unterschiedliche Spiegelungen und der Bau verändert sich immer ein bisschen.
FS: Wir können übrigens auch gerne du sagen.
f: Alles klar.
FS: Doch, uns war bewusst, dass es zu so einer Sonnenreflexion kommt. Wir haben das vorher mit Computersimulationen getestet. Das Ausmaß konnte man allerdings erst jetzt abschätzen. Von der Rempartstraße aus werden die Autofahrer zwei Mal im Jahr, einmal im April oder Mai und einmal im August, jeweils für zwei bis drei Wochen morgens zwischen 8.00 und 9.00 Uhr geblendet. Deswegen sollen in dieser Zeit Netze aus drei verschiedenen Geweben mit Stahlseilen hochgezogen werden. Die können dann von der Universität eventuell noch genutzt werden, indem man sie bedruckt und zu Semesterbeginn zum Beispiel die neuen Studenten begrüßt. Wir hätten diese Ecke der UB auch nicht verglasen können, wollten uns aber den Durchblick zur Rempartstraße nicht nehmen. Deswegen gibt es nun diesen Kompromiss.
f: Ich wusste gar nicht, dass das mit dem Licht so absehbar war. Was hältst du dann von der Berichterstattung über die glänzende Baustelle? Gab es da nicht eigentlich ein Kommunikationsproblem?
FS: Ach, über Architekten bildet sich jeder ein Urteil, weil die Leute wenig Anteil und Mitspracherecht haben, sich aber alle von dem Stadtbild betroffen fühlen. Deswegen wollen sich alle eine Meinung bilden. Man kann es nie jedem Recht machen. Da waren bei der Berichterstattung jede Menge unqualifizierte Beiträge dabei. Leider ist das mit der Öffentlichkeit nicht richtig kommuniziert worden.
FS: Nein, das glaube ich nicht. Die neue UB ist ein außergewöhnliches Gebäude. Es ist einfach, Bewährtes zu wiederholen, weil man dann kein Risiko eingeht. Aber nur solche Gebäude bringen die Architektur auch voran, fordern die Anwohner heraus und ändern die Denkweise. Das ist die Aufgabe der Architektur.
f: Wie wird die UB von Innen aussehen?
FS: Alles, was innen verbaut ist, soll in seiner natürlichen Oberfläche dargestellt werden. Betondecken und Gibswände sind also als solche sichtbar und erhalten keinen Anstrich. Da hat den Hintergrund, dass die Materialen eine gewisse Patina (Alterung der Oberfläche; Anm. d. Red.) bekommen. Sie altern auf natürliche Art und Weise und es sieht nicht sofort hässlich aus, wenn es leicht beschädigt wird, wie ein Kratzer im Lack. Die Möbel sind überwiegend weiß.
FS: Nein, beides nicht. Nicht unbedingt Kunst. Es soll harmonisch aussehen. So eine Verbindung zwischen Ästhetik und Effizienz. Leer wird die Bibliothek natürlich nach viel Metall, Beton, Stahl und Grau aussehen. Aber die Studierenden und die Bücher sollen die Farbe und das Leben in das Gebäude bringen.
f: Was erwartest du für Reaktionen?
FS: Die Leute werden überrascht sein. Vielen wird es sicher nicht gefallen, aber manche werden irgendwann sicher merken, dass auch die Innenarchitektur eine runde Sache ist.
f: Wie wird die Raumaufteilung der neuen UB sein?
FS: Im zweiten und dritten Untergeschoss sind die Tiefenmagazine wie auch jetzt schon. Das erste Untergeschoss war früher eine Tiefgarage und wird jetzt das Freihandmagazin. Der Haupteingang wird vorne an der Werthmannstraße sein, ein zweiter Zugang hinten an der Milchstraße. Das Erdgeschoss ist dann durchgängig offen, wobei der öffentliche Bereich mit Caféteria auf der Nordseite, Richtung Theater, vom gesicherten getrennt ist. In den oberen Stockwerken ist die Trennung durchgängig: im Norden Gruppenarbeits-, Veranstaltungs- und Schulungsgräume - im dritten Stock das Uniradio, im vierten das Rechenzentrum - und im Süden die gesicherten Bereiche, Lesesäle, ruhigere Räume. Von der einen zur anderen Seite kommt man immer nur über das Erdgeschoss, damit es nicht zu Störungen kommt und aufgrund der Sicherheit der Bücher.
FS: Die Firmen arbeiten sehr gut. Die Fassade ist von der Qualität her sehr gut gemacht! Es gab einige Probleme, zum Beispiel hat sich schon der Baubeginn verzögert...
f: Warum?
FS: Die Finanzierung war am Anfang noch nicht freigegeben. Dafür sind das Universitätsbauamt beziehungsweise das baden-württembergische Finanzministerium in Stuttgart zuständig.
FS: Es wurden keine falschen Fenster eingebaut. Aber das Planungsbüro für Haustechnik, das sich um Heizung, Lüftung und Sanitär kümmert, die Firma Scholze, ist leider insolvent gegangen. Aber das war nicht so schlimm, sie waren mit ihren Aufgaben schon fast fertig und die anderen Firmen haben die dann zu Ende geführt.
FS: Das Ende sollte eigentlich 2013 sein, aber es wird jetzt wohl zum Ende des Wintersemesters 2014/2015. Wann genau die Eröffnung ist, hängt aber von der Uni ab. Der Umzug der UB dauert sicher auch noch lang.
f: Hat es für dich einen besonderen Reiz, eine Bibliothek zu bauen, einfach weil es eine Bibliothek ist? Verbindest du damit etwas Spezielles?
FS: Jede Bauaufgabe ist eine spezielle, egal ob Bibliothek oder Gewerbebau. Diese ist eine besondere Herausforderung, weil sie sehr zukunftsorientiert ist und auch die Bibliotheksleitung von ihrer Einstellung her sehr modern ist, aber ich verbinde damit nichts Spezielles. Bei meinem Chef, Heinrich Degelo, war das sicher anders. Er hat schließlich 2006 den Architekturwettbewerb um den Neubau der UB gewonnen.
f: Schilder doch mal den Arbeitsablauf deiner Tätigkeit als Projektleiter.
FS: Der besteht aus enorm viel Planung und Koordination. Kreativität ist leider nicht so gefragt, obwohl ich Architektur deswegen ursprünglich studiert habe. Aber der kreative Prozess hat nur einen geringen Anteil gegenüber der vielen Planung und den vielen Vorschriften, die immer eingehalten werden müssen.
f: Bist du deswegen manchmal enttäuscht?
FS: Hmm. Ursprünglich habe ich mir das natürlich anders vorgestellt. Aber seitdem habe ich mich auch entwickelt, habe ein anderes Realitätsbewusstsein. Das ist nicht wie in amerikanischen Spielfilmen, in denen der Architekt immer so der Übermensch ist. Es ist nicht einfach, Architekt zu sein, weil man allem ausgesetzt ist, jeder Kritik, man trägt viel Verantwortung, rechtlich müssen viele Anforderungen erfüllt werden. Aber es ist sehr abwechslungsreich und deckt ein breites Feld ab. Ich fühle mich gefordert und bekomme immer viel Feedback, das ist auch wichtig.
f: Würdest du heutigen Studis raten, Architektur zu studieren?
FS: (Lange Pause) Das ist schwierig. Würde ich heutigen Studis dazu raten? In den meisten Berufen ist das so, dass die Leute vorher eine falsche Vorstellung davon haben. Man muss einfach der Typ dafür sein, um darin aufzugehen.
f: Das stimmt, das ist wohl immer so. Da deine Arbeit an unserer UB sich ja jetzt wirklich dem Ende zuneigt und du zurückblickst, bist du zufrieden mit dem Ergebnis? Wirst du vielleicht etwas vermissen, wenn das hier vorbei ist?
FS: Ich bin sehr zufrieden. Man findet zwar immer noch Details, bei denen man denkt, die hätte man besser machen können, aber grundsätzlich bin ich sehr zufrieden. Der Bau ist geschliffen wie ein Rohdiamant. Und ich werde die UB und die Arbeit mit den Leuten hier vermissen.