Lisa Oder

Freelance Journalist, Mainz

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EU-Plan: Europa will Plastikstrohhalme verbieten - die Alternativen sind aber oft kaum besser für die Umwelt

Düsseldorf Wellen voller Plastikmüll erreichen die Küsten der Hauptstadt der Dominikanischen Republik Santo Domingo, von dem weißen Sandstrand ist nichts mehr zu sehen. Als das Video der New Yorker Bewegung „Parley for the Oceans" in diesem Sommer auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Facebook viral gegangen ist, war der Aufschrei vieler Nutzer groß.

Etwa 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle erzeugen die Europäer jedes Jahr. Laut einer Studie der internationalen Umweltschutzorganisation Seas at Risk schmeißen die Verbraucher jedes Jahr 36,4 Milliarden Einwegstrohhalme innerhalb der Europäischen Union weg.

Einige Länder planen bereits konkret, die Halme zu verbieten: Die schottische Regierung kündigte im März an, Einweghalme aus Kunststoff ab Ende 2019 komplett zu verbieten, die britische Regierung zog nach. Voraussichtlich ab Ende 2019 soll es auf der Insel keine Plastikhalme mehr geben.

Als Reaktion darauf kommen nun auch wiederverwendbare Strohhalme in der Gastronomie an. Mehrere Startups basteln inzwischen an Alternativen aus den verschiedensten Materialien. Das deutsche Unternehmen Halm bietet beispielsweise Glashalme an, die bis zu 1000 Mal genutzt werden könnten.

Das Mercure Hotel in Berlin und die Schwesterhotels Empire Riverside Hotel und Hotel Hafen Hamburg sind bereits Kunden. Auch das Unternehmen Bio Strohhalme, das Trinkhalme aus Papier, Stroh und Bio-Plastik anbietet, profitiert von dem geplanten Verbot. Nach Angaben des Unternehmens ist der Absatz in den europäischen Ländern bereits stark angestiegen.

Doch nicht alle Materialien sind ein gleich guter Ersatz für den herkömmlichen Strohhalm. Ähnlich wie bei der Plastiktüte lässt sich nicht pauschal sagen, welches Material nun am umweltfreundlichsten ist, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes Nina Maier. Sie ist Mitglied in Arbeitsgruppen zu den Themen Meeresschutz und Produktverantwortung.

Werden beispielsweise Papierstrohhalme nur einmal verwendet und danach sofort weggeschmissen, ist die Umweltbilanz nicht besser als die eines Plastikhalms. Zwar baut sich Papier in der Umwelt ab. Doch in der Herstellung braucht es viele Ressourcen wie Wasser und Energie, aber auch viel Chemie. Vor allem dann, wenn die Strohhalme bunt gemustert sind.

Dem Unternehmen Bio Strohhalme, das auch Papierhalme im Sortiment hat, ist das ebenfalls klar. Erst vor kurzem habe die Firma eine Bestellung aus Großbritannien erreicht. Mehrere Millionen Papiertrinkhalme wollte der Kunde bestellen. „Das kann nicht die Lösung sein", sagte eine Sprecherin des Unternehmens.

Am besten eignen sich aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe Halme aus Glas oder Edelstahl als Ersatz. „Mehrweg ist immer besser als Einweg", sagt Henriette Schneider, die als Projektmanagerin im Bereich Kreislaufwirtschaft arbeitet. Nina Maier vom Umweltbundesamt fügt hinzu: „Als Faustregel kann helfen: Alle Produkte, die sich mehr als 20 Mal wiederverwenden lassen, lohnen sich."

Schmeißen die Verbraucher den Plastikhalm fachgerecht weg, hat er an sich keine schlechte Ökobilanz. Das Recyclen von Plastik kostet im Vergleich weniger Energie. Sowohl Edelstahl als auch Glas müssen stark erhitzt werden, um recycelt werden zu können. Durch die vielfache Verwendung relativiert sich dieser Aufwand allerdings. Edelstahl wiegt zudem mehr als Glas, weshalb die Ökobilanz Maier zufolge wahrscheinlich beim Transport etwas schlechter ausfalle.

Das Problem sei viel eher, dass die Plastikhalme schnell nach einer Nutzung etwa in Strand- und Flussnähe weggeschmissen werden. Denn sie kosten nicht viel. Weder Glas noch Edelstahl bauen sich in der Umwelt schnell ab. Da beide Strohhalme jedoch vergleichsweise teuer sind, rechnet Schneider von der Umwelthilfe nicht damit, dass diese besonders häufig in der Umwelt landen.

Es gehe aber vor allem darum, solche langlebigen Mehrwegalternativen als Lösung in der Gastronomie zu verwenden. „Einwegstrohhalme zum Mitnehmen, die dann als Wegwerfprodukt in der Umwelt landen, sind völlig unnötig und müssen verboten werden", so Schneider.

Noch in einem weiteren Punkt sind sich das deutsche Umweltbundesamt und die Deutsche Umwelthilfe einig: Beide stehen dem sogenannten Bio-Plastik eher kritisch gegenüber. Beim Bio-Plastik unterscheidet man zwischen biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoff. Ersterer besteht bis zu einem bestimmten Prozentsatz aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Bio-Pot Trinkhalme der Firma Bio Strohhalme bestehen beispielsweise zu 69 Prozent aus Zucker, Mais- oder Kartoffelstärke.

„Es tummeln sich diverse Anbieter, die sogenannte PLA Halme mit mindestens 40 Prozent Bio-Masse anbieten, ansonsten aber beimischen was sie wollen, zum Beispiel Micro-Partikel oder weiter Mineral-ÖL", kritisiert die Sprecherin der Firma. Maier kritisiert zudem, dass der Umweltvorteil immer individuell geprüft werden muss. Denn oft würden die Bauern beim Anbau der Rohstoffe viel Dünger und Wasser verwenden.

Bioabbaubare Trinkhalme versprechen, dass sie in einer konventionellen Kompostieranlage meist innerhalb von drei Monaten abgebaut werden können, nicht aber in der Umwelt oder auf einem Komposthaufen. Die Deutsche Umwelthilfe führte dazu 2015/16 eine Umfrage unter rund 1000 Kompostieranlagen in Deutschland durch. Das Ergebnis: Biologisch abbaubare Kunststoffe bereiten der großen Mehrheit der Anlagen erhebliche Probleme.

Meist werden die Kunststoffe nicht normgerecht abgebaut und müssen deshalb aufwendig aussortiert und teuer entsorgt werden. „Wir brauchen keine Einwegverpackungen - egal aus welchem Werkstoff - sondern Mehrwegsysteme zur Schonung von Ressourcen. Bioplastik hat weder etwas in der Umwelt zu suchen, noch in der Biotonne", sagt der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Maier vom Umweltbundesamt begründet das so: „Die Kunststoffe werden in einem Labor getestet, die realen Umweltbedingungen können davon aber stark abweichen." Die Standards gelten zudem in ganz Europa, von Spanien bis Schweden. Obwohl sich beispielsweise das Klima der Länder stark unterscheidet.

Manche Kunststoffe bauen sich besser im Wasser ab als andere, manche besser in der Erde. Das bestätigt auch eine Befragung der Arbeitsgruppe europäischer Umweltämter EPA-Netzwerk. Die Länder haben unterschiedliche Erfahrungen mit den Kunststoffen gemacht.

Dort wo sich der Halm nicht vermeiden lässt, wie zum Beispiel in Teilen der Pflege, raten die Umwelthilfe und das Umweltbundesamt deshalb eher zu ökologisch sinnvollen Mehrwegalternative. Die beste Alternative bleibt wohl, ganz auf den Halm zu verzichten.

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