Lisa Breit

Redakteurin bei "Der Standard", Wien

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Artikel

Frauenrollen: Nur Heldin oder Opfer?

Es brauche in technischen Berufen dringend eine Auseinandersetzung mit Genderrollen, meinen Expertinnen

Für Irene ist eine erfolgreiche Karriere das Resultat harter Arbeit. Ein zielstrebiger Charakter ist dafür ebenso Voraussetzung wie günstige soziale Strukturen. Gebeten, ihren Lebensweg zu präsentieren, wird Irene emotional: Sie erzählt von sich selbst als Kriegerin, die - nachdem sie gesellschaftliche Vorurteile und persönliche Skepsis überwunden hatte - eine außergewöhnliche Karriere hinlegte.

Geschichten wie die von Irene anzuhören und systematisch zu analysieren, darum ging es in einer umfassenden Studie von Sabine Köszegi und Marita Haas, zwei Wissenschafterinnen an der Technischen Universität Wien. Ihr Ziel: mehr über die Selbstbilder von Frauen in der Technik herauszufinden.

Die bescheidene Heldin

Das Augenmerk lag dabei nicht nur auf dem Inhalt der Erzählungen (welche Details werden hervorgehoben und welche ausgelassen), sondern auch auf der Art und Weise, die eigene Lebensgeschichte zu präsentieren. Die Forscherinnen fragten: Warum fasziniert Sie Technik? Wie sind Sie zu Ihrer Berufsentscheidung gekommen?

Was sich zeigte: Alle Geschichten folgten ausnahmslos zwei Schemata. Die einen erzählten ihre Biografie als "Epos" - eine Analogie die die Forscherinnen herstellen -, als die Geschichte der "bescheidenen Heldin" . Die den eigenen Erfolg kleinredet. Männlich geprägte Verhaltensweisen kopiert. Die meint, Frauen hätten dieselben Voraussetzungen wie Männer. Die Grundaussage dieser Erzählform: "Mein Leben ist eigentlich ganz gewöhnlich."

Die anderen erzählten hingegen von Wut, Ärger und Unglück, dem Suchen (und Finden?) der eigenen beruflichen Identität ("Ich bin anders"). Ein "Drama" mit Happy End.

"Anderssein" als Selbstkonzept

"Interessant ist, dass bei Frauen auf dem Höhepunkt ihrer Karriere häufiger das 'Epos' vorkam, bei jungen öfter die 'Tragödie'", schreiben die Studienautorinnen. "Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder sind sich Junge der Diskriminierungsmechanismen bewusster - oder 'Anderssein' ist ein hilfreiches Selbstkonzept in der Frühphase einer Karriere."

Das Leitmotiv jedenfalls sei bei beiden Erzählmodi dasselbe: "Technikerinnen müssen permanent Widersprüche und Identitätskonflikte aufarbeiten, die durch männlich geprägte Berufsbilder und Berufsnormen entstehen."

Aber wie müsste nun eine Lebensgeschichte klingen, die mit den gängigen Erzählmustern bricht? "Eine Variante wäre die 'Romanze': Die Frau erklärt ihre absolute Liebe zum Beruf. Oder die 'Komödie', in der die Protagonistin Hindernisse überwindet und Missgönner schlecht aussteigen" , sagt Köszegi. "Beide Erzählformen würden zeigen, dass der Konflikt zwischen Geschlechteridentität und beruflicher Identität überwunden wäre."

Alternative Rollen für alle

Dass strukturelle Maßnahmen, wie Quoten oder Diversitätsinitiativen, allein Abhilfe schaffen können, glaubt Köszegi indes nicht - sinnvoller sei, Stereotype, die "in alltäglichen Interaktionen hergestellt und verinnerlicht werden", zu hinterfragen.

Unis würden neue Studienpläne brauchen, es müsse mehr diskutiert werden. "In meinen Lehrveranstaltungen erlebe ich junge Frauen und Männer, die sich sehr aktiv mit beruflichen Rollen auseinandersetzen wollen."

In Unternehmen sei die Sensibilisierung von Mitarbeitern, die Schulung von Führungskräften notwendig. Normen und Umgangsweisen müssten reflektiert werden. "Meine Erfahrung ist, dass davon alle profitieren. Denn nicht nur Frauen leiden unter den Rollenbildern." (Lisa Breit, 26.7.2015)

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