Wer etwas über das Selbstbild von Studenten lernen will, hat auf dem Uni-Campus ideale Forschungsbedingungen. Klar ist, dass sich dieses Selbstbild zwischen den Fakultäten unterscheidet. Wie klischeebeladen manche Disziplinen agieren, überrascht aber doch. An der Universität Mannheim gibt es die sogenannten Schneckenhof-Partys, die in dieser Hinsicht besonders erkenntnisreich sind.
Im Uni-Hof organisiert jede Woche eine andere Fachschaft die Studentenfete, die in einem selbstgewählten Motto das eigene Fach in seiner Wechselwirkung zur Gesellschaft reflektiert. Sind die Philologen an der Reihe, machen sie, wofür sie ausgebildet werden: Sie verarbeiten die Alltagskultur ihrer Kommilitonen. Wenn sie etwa eine Hof-Party mit dem Motto „Brudi, ich muss Hof" gestalten, spielt das mit der Meme-Kultur des Internets, die bei den jungen Menschen omnipräsent ist. Ähnlich halten es die Kommunikationswissenschaftler, die mit Mottos wie „Netflix und Chill" die Auswirkungen der sich verändernden Kommunikationsformen auf das tägliche Leben verarbeiten. „Netflix und Chill" ist in einem durch Onlinedating geprägten Jargon der Euphemismus für ein Sex-Date.
Die Partys sind damit wertvolle Konserven, die offenbaren, was die Studenten aus der Brille ihres Faches beachtenswert finden. Humoristisch zeigen sie gesellschaftliche Entwicklungen auf.
Ausschließlich auf die Selbstdarstellung setzen hingegen die BWL-Studenten, die in Mannheim eine besondere Rolle spielen. Als eine der wichtigsten BWL-Unis Deutschlands versammelt Mannheim die Streber unter den Abiturienten und sichert ihnen beste Karriere-Aussichten. Das Elite-Narrativ der Uni färbt auf die jungen Menschen ab, die gar nicht mehr wissen, wie sie sich anders als ein „Faserland"-Kracht verhalten sollen.
Und so gestalten sie die Studentenfete gerne auch als Yachtparty, die mit einem Motto wie „MS BWL. Frauen und BWLer zuerst" eindeutige Signale der tödlichen Melange aus Überheblichkeit und Chauvinismus sendet. Die Partys nutzen sie als Plattform, um das neoliberale Bild des allmächtigen Wirtschaftsbosses auf dem Campus stark zu machen. Dafür stellen sie sich über ihre Kommilitonen anderer Fakultäten. Kürzlich feierten sie eine „BWL-Sylt"-Party mit dem Untertitel: „Ihr mit 9 Euro. Wir mit 911er."
Das spielt nicht nur einfallslos mit dem überkommenen Sylt-Phantasma der Deutschen und einer 9-Euro-Ticket-Schelte, sondern zeugt auch von einem mangelnden Verständnis über die soziale Relevanz des Faches. Es braucht gute Betriebswirte. Wo die aber nur an den eigenen Porsche denken und sich durch einen aggressiv distinktiven Reichtum definieren, schaden sie der Gesellschaft. Dass sich dieses Milieu gerade an einer staatlichen Uni kultiviert, ist befremdlich. Denn am Ende finanzieren die alle, auch 9-Euro-Ticket-Fahrer und sogar jene, die keine BWLer sind.