Lena Bültena

Freie Wissenschaftsjournalistin

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El Niño: Die heißen Jahre kommen erst noch

Die vergangenen acht Jahre waren die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen, zeigen Daten des EU-Satellitenprogramms Copernicus. Und das, obwohl La Niña herrschte. Das Wetterphänomen hatte global gesehen die letzten drei Jahre tendenziell für kältere Temperaturen gesorgt. Tatsächlich gehören 2021 und 2022 zu den kühleren dieser heißen Jahre. Hitzerekorde gab es trotzdem, wie den Sommer 2021 auf Sizilien, die Hitzewelle 2022 in Indien und die Rekordtemperaturen 2022 in der Antarktis. Aktuell geht La Niña zu Ende, und das bedeutet: Es wird wohl bald noch heißer.

In den Wetterdaten wird deutlich, warum das so ist. La-Niña-Jahre sind meistens zwar immer noch kühler als andere Jahre, aber durch die Erderwärmung wird es insgesamt immer wärmer. Deshalb sind selbst die kühleren La-Niña-Jahre heute heißer als El-Niño-Jahre vor einigen Jahrzehnten. In El-Niño-Jahren ist es in der Regel aber noch heißer als in anderen Jahren - der nächste El Niño könnte also einen deutlichen Temperaturschub nach oben mitbringen.

Was steckt hinter La Niña und El Niño?

Die Wetterphänomene La Niña und El Niño sind Teil des "El Niño/Southern Oscillation"-Komplexes (Enso), einem System verschiedener Luft- und Meeresströmungen im äquatorialen Pazifik. Dieses System ist eines der wichtigsten Klimaphänomene der Erde und hat Auswirkungen, die weit über den pazifischen Raum hinausgehen. Es beeinflusst das Wetter in den meisten Regionen der Welt.

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Normalerweise, in der sogenannten neutralen Phase, treiben Passatwinde warmes Wasser an der Oberfläche des Pazifiks von Osten nach Westen, also von Südamerika Richtung Australien und Südostasien. Das warme Wasser sammelt sich dadurch im Westen, während vor der südamerikanischen Küste kaltes Wasser aus der Tiefe nachströmt. Dadurch ist das Wetter in Südamerika eher trocken, während es im Westen eher feucht und regnerisch ist.

Doch alle zwei bis sieben Jahre verändert sich das Strömungsmuster und es kommt zu El Niño oder La Niña. La Niña ist die kühle Phase, die Passatwinde wehen in diesen Jahren noch stärker. In Südostasien und Australien wird es deshalb nasser und es gibt häufiger Starkniederschläge. An der südamerikanischen Pazifikküste wird es dafür trockener und auch am Horn von Afrika und in Südkalifornien kann La Niña für Trockenheit und Dürre sorgen. Bei der wärmeren Phase El Niño schwächen die Winde dagegen ab, fallen aus oder ändern sogar ihre Richtung, und der Prozess kehrt sich um. In diesen Jahren erlebt die südamerikanische Pazifikküste heftige Niederschläge, während es im Westen, also in Südostasien und Australien, trockener wird.

La Niña wird von der neutralen Phase abgelöst

Momentan herrscht noch La Niña. Allerdings geht der Vorhersagedienst der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA davon aus, dass das im Frühjahr von der neutralen Phase abgelöst wird. Die Folgen waren die letzten Jahre über zu beobachten: Tatsächlich litten die Menschen am Horn von Afrika, vor allem in Äthiopien, Kenia und Somalia, zuletzt unter einer besonders heftigen Dürre, wie die Vereinten Nationen meldeten. Auch die Flutkatastrophe in Pakistan im Sommer 2022 wurde wohl durch La Niña begünstigt.

Wofür La Niña auch gesorgt hat, war eine gewisse Abkühlung, auch wenn das nach den letzten Hitzerekorden schwer vorstellbar ist. "Das heißt natürlich nicht, dass es keine Hitzewellen geben kann. Aber im globalen Mittel hat La Niña trotzdem etwas abkühlend gewirkt", sagt Daniela Domeisen, Professorin an der ETH Zürich und der Universität Lausanne, die sich mit Wetter- und Klimadynamik beschäftigt. "Das Problem ist aber, wenn La Niña endet und falls im Winter sogar El Niño beginnt, wird das nächste Jahr wahrscheinlich noch viel heißer."

Im Winter könnte El Niño kommen

Denn die neutrale Phase könnte möglicherweise nicht lange anhalten. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass im Winter 2023 El Niño beginnt. "Aktuell ist das Wasser im westlichen tropischen Pazifik unter der Meeresoberfläche ungewöhnlich warm", sagt der Klimawissenschaftler Tobias Bayr, der am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel zur maritimen Meteorologie forscht. "Das ist eine gute Voraussetzung, um ein El-Niño-Event zu bekommen."

Erste Modelle des Wetterdienstes NOAA zeigen für den Herbst 2023 eine 66-prozentige Wahrscheinlichkeit für El Niño an. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit lässt sich das aber erst ein halbes Jahr vorher sagen. Im Laufe des Frühlings, wenn absehbar ist, ob das warme Wasser im Pazifik beginnt, sich in Richtung Osten zu bewegen, werden Forschende also mehr wissen.

El Niño bringt häufig Trockenheit in Australien und Südostasien, was zu heftigen Waldbränden führen kann. Auf der südamerikanischen Pazifikseite gibt es in El-Niño-Jahren dagegen mehr Niederschläge und damit Überschwemmungen und Erdrutsche. Darüber hinaus hat El Niño weltweit Auswirkungen, sogenannte Teleconnections - übersetzen lässt sich dies mit Fernwirkungen. Das Wetter verändert sich durch El Niño auch in Nordamerika, wo es tendenziell wärmer wird, sowie in Afrika, wo es während der Wintermonate Dezember bis Februar ebenfalls wärmer und trockener wird.

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