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Wagner auf Ecstasy

DJ-Legende Westbam sorgte bei den Osterfestspielen für eine wilde Clubnacht in der Felsenreitschule

„Westbam meets Wagner“. Unter diesem Titel wollte Osterfestspielintendant Nikolaus Bachler Donnerstagnacht neues Publikum zu den Osterfestspielen locken und bat die deutsche Techno-Ikone darum, sich mit der Musik Wagners auseinanderzusetzen. Der Ansatz, jüngere Leute mit aktuellerer Musik zu locken, wirkte nur auf den ersten Blick etwas plump. Nachdem der Wagner-Rausch am Karfreitag ausgeschlafen war, ließ sich festhalten: Experiment geglückt.

Bereits beim betreten des Festspielhauses fiel auf, dass sich erstaunlich viele Doc Martens Stiefel unter die sonst überwiegend rahmengenähten Budapester gemischt hatten und auch sonst galt beim Dresscode eher Räuberzivil statt Frack. Einen solchen trug tatsächlich nur der Mann der Stunde selbst. Lässig hatte er ihn zu T-Shirt und Jogginghose und seinem Kennzeichen, der Trucker Cap kombiniert. Schon alleine optisch kündigte Maximilian Lenz - wie Westbam bürgerlich heißt - damit den Bruch im Abendprogramm an.
Der DJ hatte vorab keinen Hehl daraus gemacht, dass er noch nie eine Wagneroper besucht hat und dies auch in nächster Zeit nicht vorhabe. Vielmehr habe ihn das abstrakte und geräuschhafte in der Musik des Komponisten interessiert, wie er im Gespräch mit der „Krone“ erzählte. Wie tief seine Beschäftigung in diese Richtung gegangen sein muss, wurde bereits nach den ersten Sekunden klar. Unverkennbar, der Es-Dur Akkord aus dem „Rheingold“ Vorspiel, ungewohnt allerdings die baldige Verfremdung dessen in geradezu sphärische, teils mit Beat unterlegte Klangdimensionen. Was danach folgte, war ein eineinhalbstündiger Rausch durch fast alle Werke, bzw. deren Vorspiele, die Wagner je geschrieben hat. Für jeden Wagnerianer ein großer Spaß zu suchen und zu erkennen, welche Leitmotive, welche Passagen Westbam hier jeweils verloopt und abgemischt hatte. Ebenso faszinierend erwies sich die Beobachtung des Zusammenspiels von Dirigent Oscar Jockel und der Mendelssohn-Orchesterakademie, die zwischen reinen Wagnerparts auch Teil von Westbams Klanginstallation wurden.
Eineinhalb Stunden zogen der DJ und die Musiker, unterstützt von wilden Video-Visuals auf der Wand der Felsenreitschule, bunten und schrillen Lichteffekten in der Fassade und natürlich einer stilechten Discokugel an der Decke, das Publikum mit auf einen bewusstseinserweiternden Trip durch den Wagner-Kosmos.

Schon zwischendurch hatte sich mit Szenenjubel angekündigt: hier passiert etwas besonderes. Und das war nicht die mittlerweile ausgelutschte Idee, klassische Musik mit moderner zu kombinieren. Was Westbam mit Wagner gemacht hat, war viel subtiler, weitsichtiger und auch vom Intendanten programmatisch gut dosiert. „Westbam meets Wagner“, ein klug gesetzter Kontrapunkt, der die Osterfestspiele nicht auf Teufel komm raus jünger, sondern interessanter für ein potentielles neues Publikum machen wollte, ohne die grundsätzlichen Intentionen des Festivals zu stören. Auch im nächsten Jahr wird Bachler die neuen Sparten Tanz und Elektro beibehalten, um welche Projekte es dabei genau geht, ist aktuell noch nicht bekannt. Dazu abschließend nur ein bescheidener Wunsch: „Bitte mehr davon!“

Larissa Schütz