Es könnte ein entspannter Job sein. Den ganzen Tag mit dem Geländewagen durch die Gegend fahren, mal hier, mal da anhalten, die atemberaubende Landschaft genießen, mit Einheimischen Tee trinken, nett plauschen. Wenn da nicht der Krieg wäre.
"Wir sind in erster Linie Soldaten, keine freischwebenden Zivilisten für die Völkerverständigung", sagt Henning Bischof, 32, der Kulturfachmann seiner Einheit. Er ist Islamwissenschaftler - und Hauptmann der Bundeswehr. Er war Zeitsoldat, hat einige Monate in Damaskus studiert, seine Abschlussarbeit schrieb er über Terrorismus.
Jetzt macht er sich Gedanken über Plastikblumen, als Mitbringsel beim Besuch des Clanchefs sind die hochwillkommen, so Bischof. Doch es geht bei seinem Job nicht allein um nette Gesten und um die kleinen Fallstricke verbaler und nonverbaler Kommunikation. Sein Job ist Kontaktpflege: Netzwerke aufbauen, wissen, wer mit wem kann oder auch nicht, wer welche Interessen verfolgt. Bischof ist Interkultureller Einsatzberater - IEB sagen die Soldaten dazu.
Gerade ist der Berufsoffizier in der Eifel. Dort sind die Kommunikationsfachleute der Bundeswehr stationiert - das Zentrum Operative Information, manche reden auch von der Propagandatruppe: Der Soldatensender Radio Andernach, Videoreporter, die die Arbeit der Bundeswehr vor allem im Ausland dokumentieren und ins Netz stellen. Und eben die IEB. Bischof bildet den Nachwuchs aus. Und davon hätte die Bundeswehr gerne mehr.
Möglichst schnell möchte Bischof wieder von der Eifel nach Afghanistan versetzt werden. Doch was machen die IEB dort, jetzt, da die Bundeswehr ihr Kontingent verringert? Bis Ende dieses Jahres wird die Bundeswehr ganz abgezogen sein.
Wozu jetzt noch nach Afghanistan?
Gerade jetzt, sagt Bischof, brauche man die IEB. Denn je weniger Soldaten Kontakt mit den Bewohnern haben, desto weniger informelle Information bekommt die Truppe mit. Die IEB dagegen sind eigenständig unterwegs, manchmal auf Tagestouren, machmal mehrere Tage hintereinander, meist zusammen mit einem Dolmetscher.
Zum Beispiel Christian Wanner. Er war bei den Gebirgsjägern, drei Jahre lang, war auch im Kosovo im Einsatz. "Lieber wäre ich schon damals nach Afghanistan gegangen", sagt er. Mit dem Ersparten aus der Militärzeit ist er dann erst einmal zwei Jahre auf Weltreise gegangen, hat später Politikwissenschaften studiert und promoviert. Darüber, wie zerbrochene Staaten wieder funktionieren können. Dann ist er erneut zur Bundeswehr, kam als IEB nach Afghanistan, nach Faisabad, später nach Masar-i-Sharif.
Von der Reparatur zerbrochener Staaten ist die Bundeswehr in Afghanistan aber weit entfernt. Die ISAF-Truppen stecken tief in der Realpolitik; sie sollen für Sicherheit sorgen, das ist ihr Auftrag. Henning Bischof sagt: "Wir helfen vor allem Konflikte zu reduzieren."
Sind das wirklich Taliban?
Die Strippenzieher auf afghanischer Seite - Bürgermeister, Polizeichefs, Clan-Obere - haben durchaus Interesse an guten Kontakten zur Bundeswehr, erhoffen sich Unterstützung und Entwicklungshilfe. Die IEB versuchen herauszubekommen, wer die Fäden zieht auf afghanischer Seite, wer von wem abhängig ist, wer wen protegiert, wer wessen Rivale ist. Zum Beispiel: Eine afghanische Polizeieinheit will zusammen mit dem Militär in einer Region "Taliban jagen". Die IEB sollten dann den Bundeswehrkommandeur beraten: Welche Position hat der Polizeichef, will er möglicherweise mit der Aktion seinen Posten sichern, einen Konkurrenten übervorteilen? Und überhaupt, sind das wirklich Taliban, gegen die vorgegangen werden soll?
Solche Entscheidungen sind heikel, es gibt da kein schwarz oder weiß, was für die Entscheidungen des Kommandeurs das Einfachste wäre. "Nur Grautöne", sagt Major Wanner. Wanner und die IEB sollen dafür sorgen, dass die komplizierte Realität der Region in das Bewusstein der Verantwortlichen in den Gefechtsständen kommt: "Wir sind da, um dem Kommandeur das Leben schwer zum machen", sagt Hauptmann Bischof und lacht. Denn Entscheidungen verbessern heißt Entscheidungen komplizierter machen.
Auch ehemalige Zivis bewerben sich
Ein Beispiel aus dem Alltag: Ein Verkehrsunfall mit einem Bundeswehrfahrzeug, Verletzte, Tote bei den Einheimischen. Jetzt wird deutlich, ob das Kontakt- und Vertrauensnetz der IEB trägt. In Situationen wie dem Unfall soll sich das auszahlen, Konflikte vermeiden helfen oder zumindest begrenzen.
Hundert Entscheidungsträger hat jeder IEB auf seiner Liste, hat sie immer wieder besucht, war zum Smalltalk vor Ort. Löst ein IEB den anderen ab, ist die Übergangszeit mit drei Monaten besonders lang. Es braucht Zeit, den Nachfolger einzuarbeiten und vorzustellen.
Die Bundeswehr will als IEB nicht unbedingt Akademiker, eingehende Kenntnisse über eine Region reichen. Wer sich bewirbt, wird durchleuchtet. Wissen über die örtlichen Gesellschaftsstrukturen sollen die Bewerber am besten mitbringen. Doch nicht so viel, dass sie Teil der Gesellschaft sind und selbst in Abhängigkeit stehen.
Selbst ehemalige Zivildienstleistende kommen in Frage. Sie müssen allerdings ihre Kriegsdienstverweigerung widerrufen. So wie Simon Schneider. Es gebe Situationen, da müsse Militär "die Abwesenheit von Gewalt herstellen", sagt Schneider heute. Kurz nach dem Abitur dachte er anders. Mittlerweile hat er ein Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften abgeschlossen, war mehrfach im Kongo, unter anderem mit Entwicklungshilfeeinrichtungen. Nun hat er sich als IEB für Ostafrika beworben. Und als Ex-Verweigerer einen fünfmonatigen militärischen Lehrgang besucht.