Was denken
Sie: Als was dürfen wir Markus Söder dieses Jahr in Veitshöchheim bewundern?
Das wissen wir noch nicht, es kann auch sein, dass er jetzt als
Ministerpräsident unverkleidet sein wird. Wir sind auf alles vorbereitet und
lassen uns überraschen, mir wäre aber recht, wenn er verkleidet käme, damit ist
er groß und Teil des Programms geworden.
Gehen Sie privat auch noch zusätzlich Fasching feiern und kostümieren sich?
Nein, gar nicht. Mit dem Dienstlichen, den Auftritten als Stimmenimitator
bei verschiedenen Prunksitzungen und den eigenen Kabarettabenden bin ich gut
eingespannt und froh, wenn ich abends wieder daheim bin.
Was bedeutet Ihnen Fasching als
Privatperson?
Früher etwas mehr als jetzt. Die Sendung ist schon immer der größte Anreiz,
weil es ein Riesenkick ist. Das ist aber eine Rolle: Wie ein Schauspieler, der
seinen Part spielt, spiel ich den Sitzungspräsidenten. Sonst bin ich einfach
nur der Bernd Händel
Und was als Sitzungspräsident?
Da ist Fasching für mich eine andere, besondere Art der Unterhaltung –
nicht als Schunkler oder Organisator, sondern als Akteur, der andere unterhält,
das ist mein Anspruch. Es war zu Beginn stressig, als ich die Nachfolge von Detlef
Wagenthaler angetreten habe, aber heute hält sich das in Grenzen. Lampenfieber
habe ich immer noch, aber da hilft mir sehr, einfach alleine zu sein und mich
abzuschotten.
Sie imitieren 30 verschiedene Stimmen. Kommen da noch neue dazu? Wie wählt man
die aus, wie übt man sie ein?
Ja, jetzt habe ich den Michael Köllner neu im Programm – ich hoffe, dass er
noch ein bisschen dabeibleibt – und Seehofer und sonstige Konsorten. Die
Klassiker gehen immer, die haben die Leute auch im Ohr. Die neuen versuch ich
erstmal im stillen Kämmerlein daheim einzusprechen und dann einfach mal was
aufzunehmen, um zu hören: Wie nah bin ich dran? Und dann lass ich’s einen mir nahestehenden
Menschen anhören, der ehrlich ist und Feedback gibt – so taste ich mich ran.
Wie genau das funktioniert, kann ich auch nicht erklären [Hier erzählt er noch ein bisschen mehr über
Stimmen und Dialekte und Promis und so, das ist lustig, aber passt halt net zum
Thema]
Faschingsmuffel oder
Faschingshochburg – man ist sich uneinige darüber, wie die Franken früher
waren. Was sagen Sie?
Ich kann nur für Nürnberg sprechen, weil ich da aufgewachsen bin. Wir haben
circa 15 Faschingsgesellschaften – die waren früher zwar etwas weniger, aber
wir hatten dafür mehr Künstler. In der Buchnesia, der Gesellschaft, in der ich
groß geworden bin, da gab es neue Talente: die Peterlasboum, Herbert Hise (vom
Nürnberger Trichter), den Klampfenschorsch – das sind alles Aktive gewesen, die
aus dem Verein kamen, und daran mangelt es heute ein bisschen: dass man neue
Leute begeistern kann, die auf die Bühne gehen und eine Bütt oder einen Vortrag
machen. Wenn heute jemand gut ist, dann geht er nicht mehr ehrenamtlich auf die
Bühne, sondern lässt sich kommerziell vermarkten. Innerhalb der Gesellschaften
ist die Begeisterung gleichgeblieben, was Anhängerschaft und Ausgestaltung,
mehr Tanz oder mehr Wort, angeht – mit Prunkgesellschaften, die es richtig an
die Spitze geschafft haben und Sitzungen auf einem hohen Niveau laufen.
Prunksitzung und Faschingsgesellschaft sind das eine – das andere ist das, was
draußen auf der Straße stattfindet, das Feeling außerhalb der Hallen, siehe
Köln, wo man sich eigentlich einsperren muss, wenn man mit dem ganzen Trouble
nichts zu tun haben will …
Richtig. Hier ist es eigentlich ruhig und beschaulich. Ich war mal an einem
11.11. in Köln – Unmengen von Menschen haben gefeiert und gesungen und
geschunkelt, ich hab gedacht, ich bin in einer anderen Welt, das ist bei uns
unvorstellbar. Wenn da jemand mit dem Ringelhemd rumläuft, wird er von allen
Seiten blöd angeschaut. Man bekommt mit, dass der Karstadt die Kostüme im
Sortiment hat und die Verkäuferinnen beim Bäcker Luftschlangen haben – das ist
dann hier der Fasching außerhalb von Fernsehen und Sitzungen.
War das früher anders, so in den 80ern vielleicht?
Nein. Das war schon immer so. Zumindest hab ich’s nicht anders in
Erinnerung. Außer vielleicht beim Faschingsumzug kann man das Straßentreiben
hier mehr oder weniger vergessen.
Richtig – wer am Rosenmontag in Nürnberg Fasching feiern will, der muss ja
richtiggehend danach suchen. Haben Sie irgendeine Erklärung, ein Gefühl dafür,
warum das so hier so ist?
Gute Frage, aber um ehrlich zu sein: Darauf weiß ich auch keine Antwort.
Vielleicht ist der Franke so gestrickt, dass er nicht auf die Straße geht und
seinen Jubel verbreitet. Aber ich geh von mir aus: Ich würd’s auch nicht
machen. Ich bin nicht so. Mit Köln kann man das nicht vergleichen, Rheinländer
sind einfach anders, gehen anders auf Menschen zu, der Franke ist vorsichtig
und schaut sich alles erstmal an. Wenn ihm was gefällt, macht er‘s auch, aber
es ist eine Hürde zu überwinden. Das ist nicht schlechter, es ist einfach so,
aber deswegen lachen die genau so in einem Saal, wenn denen was gefällt, man
muss sie halt überzeugen, dass sie auch lachen können.
Also gibt’s irgendeine Entwicklung in den letzten 30, 40 Jahren, die Sie
greifen können oder ist immer alles gleich?
Was wirklich toll läuft, das sind die Faschingssitzungen auf dem Land. Da
ist eine Bombenstimmung, und kleine Ortschaften haben oft pro Saison fünf,
sechs Sitzungen, die immer ausverkauft sind. Das findet man am Land eher als in
der Stadt, wo es viel anonymer ist. Auf dem Land ist man offenbar
begeisterungsfähiger und engagierter für die Tradition Fastnacht. Es gibt eher
ein gleichbleibendes Stadt-Land-Gefälle als eine zeitliche Entwicklung.
Der Nürnberger „Gaudiwurm“ gilt dank einer urkundlichen Erwähnung aus dem Jahr
1397 als ältester noch existierender Faschingsumzug der Welt und ist mit 100
000 Besuchern neben Würzburg der größte in Süddeutschland. Jetzt kann man
sagen: Der größte vielleicht schon, aber inhaltlich ist es etwas dürftig, was
die bieten …
Inhaltlich ist das ein Trauerzug! Keine Ahnung, warum, aber es ist
langweilig. Die Begeisterung der Leute fehlt, da müsste mehr Action gemacht
werden, mehr schöne Wagen, mehr zum Anschauen – das ist natürlich eine Kostenfrage
für die Vereine.
Geld ist ein guter Punkt: Haben die Leute hier nicht so viel zur Verfügung oder
wollen sie’s nicht investieren, weil der Umzug in der Wertigkeit einfach nicht
so hoch steht?
Ich denke, dass sich viele Vereine schwertun, man muss die ganzen Kosten ja
erstmal einspielen. Sind die Säle ausverkauft bei den Sitzungen? Habe ich
eigene Künstler? Muss ich welche zubuchen? Brauche ich Sponsoren, die mir das
bezahlen? Man braucht begeisterte Leute, um das alles zu stemmen, und ich denke
mal, dass es in den Vereinen genug Begeisterung gibt, aber keine neuen Leute,
die nachkommen. Das einzige, was richtig gut läuft, sind die Tanzgeschichten
mit den Garden, die guten Zulauf mit den jungen Mädels haben.
Haben Sie eine Idee, was man auch mit wenig Geld tun könnte, um den Gaudiwurm
ein bisschen weniger traurig zu gestalten?
Gute Frage. Damit müsste ich mich erst beschäftigen, da habe ich momentan
keine Idee. Es liegt wohl viel an den Motiven der Wägen und daran, dass der Zug
relativ kurz ist. Aber da müsste man Fachleute fragen, und das bin ich nicht.
Wofür Sie aber gewiss der richtige Ansprechpartner sind ist der Erfolg der
Fernsehübertragung aus Veitshöchheim, die im BR zuletzt 4 Millionen Zuschauer
verzeichnen konnte. Wie ist denn das zu erklären: Auf der einen Seite hat
keiner Bock, auf der anderen Seite sitzen sie alle daheim mit dem Hütchen auf
der Couch und schauen das an?
Das ist eine Frage, die wir uns auch schon gestellt haben. Wir machen das
schon ein paar Jahre, jeder versucht, sein Bestes zu geben, dann entwickelt
sich das so, und plötzlich steht diese Riesenquote da – und damit aber auch ein
gewisser Druck, weil du ja schauen musst, dass du nächstes Jahr wieder
drüberkommst, und das geht irgendwann halt nicht mehr. Wir haben uns ein Niveau
erarbeitet, das wir halten wollen, und ich denke, die Leute möchten sich
einfach gern unterhalten lassen von einer Sitzung, die anders ist als andere:
mehr Kabarett, mehr Wortbeitrag, Blödelei, aber auch Intellektuelles. Die
Mischung macht, dass für jeden was dabei ist und sich abhebt von anderen
Sitzungen. Bei uns muss es anfangen und losgehen.
Freuen Sie sich über den Erfolg nur oder handelt es sich dabei nicht vielleicht
auch um ein etwas trauriges Zeugnis davon, dass die Leute lieber auf der Couch
bleiben als aktiv teilzunehmen?
Ich freu mich über die Zuschauer, denn ich weiß: Wir können die Leute gut
unterhalten, und anscheinend machen wir irgendwas richtig. Wichtig ist, dass es
passt. Die zunehmende Zuschauerzahl sagt aus, dass der fränkische Fasching bundesweit
einen besseren Stellenwert hat – im gesamten Ranking sitzen wir Mainz ziemlich
im Genick, und das ist ein Erfolg. Über den Straßenfasching kann ich nichts
sagen.
Es ist also in Franken so, dass es an Fasching eine geheime Parallelwelt, die
in Faschingsgesellschaften und auf Prunksitzungen stattfindet und von der der
Normalbürger einfach nichts mitbekommt.
Richtig. Es sei denn, er geht hin oder engagiert sich im Verein. Aber die,
die sich engagieren, die sind dann auch wirklich dabei und machen alles.
Heißt es Fasching, Karneval oder Fastnacht?
Für mich immer schon Fasching. Das ist der Begriff. Fastnach wird mehr in
Unterfranken verwendet, Karneval im Rheinland. Bei uns ist das der Fasching –
mit dem typischen Nürnberger Faschingsgruß „Nürnberg aha!“
Interview & Foto: Katharina Wasmeier