In unseren Reportagen berichten Journalisten und Leser von ihren Erlebnissen rund um den Erdball - egal ob Afrika, Fernost oder Antarktis. Regelmäßg veröffentlichen wir hier auch Texte zur Heimatgeschichte, die einen neuen Blick auf vermeintlich Altbekanntes erlauben.
WeiterlesenBis zu 450 Leute - hauptsächlich Frauen - sammeln vier Tage die Woche Muscheln im Meer
Die Küste vor der spanischen Stadt Noia ist für einen Schatz bekannt: Meeresfrüchte. Rund 1600 Muschelsammler holen hier verschiedene Muscheln aus dem Sandboden. Mónica Hermida Cernadas ist eine von ihnen. Auch wenn das Meer kalt ist, geht sie auf die Suche.
Während der Großteil der Muschelsammler mit Booten aufs Meer hinausfährt, geht Mónica Hermida Cernadas zum Sammeln zu Fuß ins Wasser. Mónica ist 43 Jahre alt und eine von 450 Mariscadoras. Das ist spanisch und bedeutet Meeresfrüchte-Sammlerinnen.
Mit so einem Korb oder Rechen werden die Muscheln vom Meeresgrund geholt.Gesammelt wird an einem Strand vor der spanischen Stadt Noia. Doch bevor es ins Wasser geht, ziehen sich Mónica und ihre Kolleginnen erst einen speziellen Ganzkörperanzug an. Außerdem Handschuhe, eine Mütze und Schuhe. „Das alles ist aus einem besonderen Material, das den Körper vor dem Auskühlen schützt", erklärt Mónica.
Rechen, Eimer, Reifen
Mónica sammelt Muscheln im Meer und verkauft sie.Dann holt sie ihr Werkzeug aus dem Auto: eine Art Rechen mit einem Metallkorb daran, Eimer und einen Gummireifen. Dieser soll die Eimer auf dem Wasser tragen, damit Mónica die Muschel hineintun kann. Die Muscheln will sie später verkaufen. Denn viele Menschen essen die Meeresfrüchte gerne.
Dann geht es über den Strand ins Meer. Mónica hat sich mit zwei Freundinnen zusammengetan. Wenn es stürmt, stark regnet oder gar gewittert, kann die Arbeit im Meer gefährlich werden. „Es gibt auch Strömungen, die einen hinaustreiben", erzählt Mónica. „Da ist es wichtig, dass man jemanden hat, der Hilfe holen kann."
Heute ist zum Glück gutes Wetter. Als die Frauen knietief im Wasser stehen, beginnen sie mit der Arbeit. Dafür legen sie sich den gepolsterten Stock des Rechens auf die Schulter und beginnen, sich vor und zurück zu bewegen. Langsam gräbt sich der Korb in den sandigen Meeresboden. Steckt er tief genug drin, ziehen die Frauen den Rechen aus dem Wasser und schütteln den Korb.
Sand, Steine und kleine Muscheln fallen durch das Gestänge. Zurück bleiben die größeren Muscheln. Einige davon sortiert Mónica in die beiden Eimer - je nach Muschelart in einen großen oder kleinen Eimer.
Mónica macht das in Windeseile. „Mit etwas Erfahrung erkennt man auf den ersten Blick, welche Muscheln in Frage kommen", erklärt sie. Gesammelt werden dürfen nur Muscheln von einer bestimmten Größe. Die kleineren müssen zurück ins Meer, damit sie weiter wachsen können. Ist es nicht auf Dauer anstrengend im Meer zu stehen und im Sand zu graben? „Ja, das ist sogar ziemlich hart", sagt Mónica. „Abends tun mir immer die Schultern weh."
Den Job wechseln will Mónica aber nicht. „Ich liebe es, inmitten der Natur zu arbeiten", sagt sie. „Am schönsten ist es, wenn ich bis zum Hals im Wasser stehe oder wenn ich nachts arbeite." Da leuchtet nicht nur ihre Kopflampe, sondern auch die Sterne.
Und was passiert mit den gesammelten Muscheln?
Auf dem Fischmarkt der spanischen Stadt Noia geben die Muschelsammler ihre Ernte ab. So wird die Ausbeute vom Sammeln genannt. In einer großen Halle gibt es Maschinen, mit denen die Meeresfrüchte nach Größe sortiert und gewogen werden.
Nur fünf Kilo pro Muschelsorte sind erlaubt
Die Muschelsammler bekommen dann einen Zettel. Auf dem steht, wie viel Kilogramm sie abgeliefert haben. Mehr als fünf Kilogramm pro Muschelsorte dürfen die Sammler nicht abgeben. Damit soll verhindert werden, dass zu viele Muscheln aus dem Meer geholt werden. Denn sonst könnte es dort irgendwann keine Muscheln mehr geben.
Die Muscheln werden auf dem Großmarkt versteigert
Wie viel Geld die Sammler für ihre Muscheln bekommen, erfahren sie nicht sofort. Die Muscheln müssen erst auf einer Auktion an Großhändler verkauft werden. Bei einer Auktion sagt jeder Händler, wie viel er für eine Sache zahlen möchte. Wird er von einem anderen Händler überboten, hat er die Möglichkeit, sein Angebot zu erhöhen.
Je größer die Nachfrage nach den Muscheln ist, desto höher wird der Preis. Ist die Nachfrage gering, bleibt der Preis niedrig. Vor Weihnachten bringen Meeresfrüchte besonders viel ein. Denn für sehr viele Spanier gehören Muscheln zu einem guten Weihnachtsessen dazu.